Die Presse

Popjuwelen tief im herrlich grauen Nebel

Konzert. Cigarettes After Sex im Wiener Gasometer.

- VON SAMIR H. KÖCK

Sägende, das Sonnengefl­echt kitzelnde Gitarrenkl­änge, dann die androgyne Stimme von Songwriter Greg Gonzalez. Schon mit dem Opener, einer sanft brennenden Interpreta­tion von „Young & Dumb“, der Geschichte einer Wasserstof­fblonden mit „I Love New York“-T-Shirt, gewann er die Herzen, die zu zwei Drittel weiblich waren an diesem Abend. Cigarettes After Sex, die Band, die Gonzalez früher nebenberuf­lich führte, ist kurz vor dem Abgrund auf die Erfolgsstr­aße abgebogen. Die Songs des bislang einzigen Albums sind von hoher cineastisc­her Qualität. Und einmal mehr, einmal weniger von erotischen Unterström­ungen gespeist. „Well I know full well that you are the patron saint of sucking cock. Senorita, you’re a cheater, well, so am I“, hieß es etwa im sanft pulsierend­en Opener, einem Schlaflied, das in früheren Zeiten wohl auf den Index der verbotenen Lieder gesetzt worden wäre.

Wie sein Vorbild, die Chansonni`ere Francoise¸ Hardy, schreibt Gonzalez Liebeslied­er gebrochene­r Charaktere. „He’s got so much love for her – but he doesn’t know what to do“, hieß es in „John Wayne“. Die Band agierte in herrlichem Nebel, einer Film-noir-Stimmung. Natürlich hatte man auch das Lied „Affection“auf der Liste, das die unwahrsche­inliche digitale Karriere der Band auf rätselhaft­e Weise befördert hat. „I know that you say I get mean when I’m drinking, but then again sometimes I get really sweet“, offerierte Gonzalez hier knopfäugig und samtstimmi­g. Die Mädels im Publikum flüstern jetzt, manche seufzen. Kein brüllender Applaus, kein Gebrülle zwischen den Songs. Kammermusi­kalische Zurückhalt­ung, zugleich hohe emotionale Spannung charakteri­sieren diese wunderbare Band, die nun sogar von Nick Cave für das Vorprogram­m seiner US-Tour ausgewählt wurde. Ein anderes Highlight: „K.“, ein kafkaeskes Popjuwel. K steht für Kristen, ein Girl, das mit dem Erzähler eine Bettgeschi­chte mit „no strings attached“laufen hat. Diese erklingen dann doch im Kopf des Protagonis­ten.

Als Schlusspun­kt setzte Gonzalez das eindringli­che „Apocalypse“, an dessen zentralem Wortspiel man sich nicht satthören kann: „Your lips, my lips – Apocalypse“. Gesungen wirkt es besser als niedergesc­hrieben. Zum Geleit gab es noch das überirdisc­h schöne Hardy-Chanson „Ma jeunesse fout le camp“, das das unweigerli­che Schwinden der Jugend betrauert. Ideal nach diesem Galakonzer­t für alte Herzen in jungen Körpern.

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