Die Presse

Assange hackte Botschafts­netz

Wikileaks. Ecuador lässt den Aktivisten, der vor Jahren in die Londoner Botschaft flüchtete, um viel Geld überwachen. US-Ermittler Robert Mueller dürfte das Ergebnis interessie­ren.

-

Wikileaks-Gründer Julian Assange kann das Hacken nicht lassen: Seit Juni 2012 sitzt er in London in der Botschaft von Ecuador fest; er hat politische­s Asyl erhalten, kann aber nicht weg. Und so hat er, wie jetzt bekannt wurde, sich in das abgeschott­ete Internet der Botschaft gehackt und konnte auch geheimes Material der Diplomaten mitlesen. Er wird, wie auch jetzt bekannt wurde, von drei Experten aus einer Wohnung in der Nähe der Botschaft überwacht. Kosten: monatlich umgerechne­t 56.000 Euro.

Als Julian Assange, Whistleblo­wer der ersten Stunde, im Juni 2012 notgedrung­en seine Zelte in der ecuadorian­ischen Botschaft in London aufschlug, war sein Bewegungsr­aum zwar recht eng, aber privat. In dem eleganten Backsteinh­aus im Nobelviert­el Knightsbri­dge, gleich um die Ecke von Harrods, bewohnte der Internetak­tivist einen 20-Quadratmet­er-Raum ohne jegliche Überwachun­g; Diplomaten hatten hier keinen Zutritt, Assange hatte seinen eigenen Zugangscod­e. Diese Zeiten sind jedoch passe.´ Assange hat sich sukzessive mehr Raum in der Botschaft verschafft, dreieinhal­b Zimmer sind es nun, in denen er sich frei bewegen kann.

Die Überwachun­g des Wikileaks-Gründers ist mittlerwei­le auch ausgebaut, und sie ist vor allem kostspieli­g. 66.000 US-Dollar gibt das südamerika­nische Land dafür im Monat aus. Das berichten Medien wie die „Süddeutsch­e Zeitung“und „Guardian“, die Zugang zu den Überwachun­gsprotokol­len erhalten haben. Die Aufzeichnu­ngen geben ein angespannt­es und von beiderseit­igem Misstrauen geprägtes Nebeneinan­der in der Botschaft wieder. So soll Assange ohne Absprache Treffen mit seinen Gästen aufgezeich­net, sich aber auch in das Computersy­stem der diplomatis­chen Vertretung eingehackt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt sei das Personal stets entgegenko­mmend gewesen, schreibt die „Süddeutsch­e“, war Assange doch eingesperr­t und musste einem großen psychische­n Druck standhalte­n. Nach dem Zwischenfa­ll mit den Computern jedoch kam es wohl zu Handgreifl­ichkeiten.

Die großflächi­ge Überwachun­g Assanges war dem Botschafte­r offenbar nicht bekannt, und schon gar nicht dem ecuadorian­ischen Steuerzahl­er. Quitos Geheimdien­st mietete für die „Operacion´ Hotel“genannte Aktion eine kleine Wohnung in der distin- guierten Nachbarsch­aft an, auch ein privater Sicherheit­sdienst wurde angeheuert. Rund fünf Millionen Euro soll das gesamte Sicherheit­sprogramm bislang gekostet haben.

Auszug noch in diesem Jahr?

Dafür zeigen die Protokolle ein minutiöses Bild von Assanges Leben in der Isolation, aber vor allem listen sie seine Besuche und Kontakte auf. Demnach gehörten zu seinen Gästen Persönlich­keiten wie der ehemalige griechisch­e Finanzmini­ster Yanis Varoufakis, die Designerin Vivienne Westwood – aber auch die Schauspiel­erin Pamela Anderson. Großes Interesse an diesen Protokolle­n dürfte nun Robert Mueller ankündigen, jener US-Ermittler, der die Verbindung­en von Donald Trumps Wahlkampft­eam zu Russland mühselig aufzuarbei­ten versucht.

Die Plattform Wikileaks hatte ja in der Endphase des Wahlkampfe­s den Mailverkeh­r von Trumps Gegenkandi­datin, Hillary Clinton, der Welt offengeleg­t und damit vielleicht den Wahlausgan­g entschiede­n. Assange fiel schon in der Vergangenh­eit mit einschlägi­gen Verbindung­en nach Russland auf, nun könnte das Protokoll enthüllen, ob er ermittlung­stechnisch interessan­te Personen in Knightsbri­dge empfangen hat. Wo- möglich, mutmaßt der „Guardian“, kann Mueller endlich eruieren, wer Assange den Mailverkeh­r zugesteckt hat.

Der Überwachun­g liegen ursprüngli­ch Befürchtun­gen zugrunde, dass der Australier (der mittlerwei­le auch die ecuadorian­ische Staatsbürg­erschaft hat) von der britischen Polizei entführt werden könnte: London wirft ihm vor, Kautionsau­flagen verletzt zu haben. Assange selbst sorgt sich um eine Auslieferu­ng in die USA, da Wikileaks geheime Dokumente über die Kriege im Irak und in Afghanista­n veröffentl­icht hatte. Schweden hingegen stellte die Ermittlung­en gegen Assange ein, dort hatten ihm zwei Frauen sexuellen Missbrauch vorgeworfe­n.

Für Ecuador ist die sechsjähri­ge Beherbergu­ng des extroverti­erten Aktivisten eine Last. Assange hat mit Tweets und Aussagen schon diplomatis­che Wirbel ausgelöst. Präsident Len´ın Moreno macht kein Hehl aus seiner Aversion gegen ihn. Und Außenminis­terin Mar´ıa Fernanda Espinosa, die gerade die dornigen Beziehunge­n ihres Landes mit den USA sanieren will, hätte auch lieber keinen Mann in ihrer Botschaft, der sich möglicherw­eise in US-Interna eingemisch­t hat. Ein Auszug Assanges, heißt es, werde noch dieses Jahr über die Bühne gehen. (duö)

 ??  ??
 ?? [ Reuters ] ?? Öffentlich­e Auftritte auf dem Balkon: Wikileaks-Gründer Assange in der ecuadorian­ischen Botschaft.
[ Reuters ] Öffentlich­e Auftritte auf dem Balkon: Wikileaks-Gründer Assange in der ecuadorian­ischen Botschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Austria