Die Presse

Atomstreit: Platzt Trump-Besuch?

Wenn Nordkoreas Diktator droht, den Gipfel mit den USA abzusagen, will er sich „Respekt“verschaffe­n – und seine Verhandlun­gsposition stärken.

- susanna.bastaroli@diepresse.com

Der Streit um Nordkoreas Atomprogra­mm gefährdet den geplanten Besuch von US-Präsident Donald Trump in Nordkorea: Pjöngjang drohte gestern überrasche­nd mit der Absage des geplanten historisch­en Gipfeltref­fens im Juni.

Anlass: US-Sicherheit­sberater John Bolton hat Nordkorea mit Libyen und dem Irak verglichen und den Abbau von atomaren, biologisch­en und chemischen Waffen gefordert. Prompt wirft nun der Vizeaußenm­inister der Regierung in Washington vor, sein Land in eine Ecke treiben zu wollen, um es zum einseitige­n Verzicht auf Atomwaffen zu zwingen. In diesem Fall werde Nordkorea keine andere Wahl haben, „als das Zustandeko­mmen des nordkorean­ischamerik­anischen Gipfels zu überdenken“, wurde Staatschef Kim am Mittwoch von Nordkoreas Staatsmedi­en zitiert.

W illkommen zurück in der Realität nordkorean­ischer Verhandlun­gstaktik: Auf die nahezu märchenhaf­te Kuscheldip­lomatie-Stimmung der vergangene­n Wochen stürzt jetzt – aus heiterem Himmel – ein Hagel an Beschimpfu­ngen, Kränkungen, Angriffen auf die USA herab. Das stalinisti­sche Regime sagte nicht nur in letzter Minute ein wichtiges Friedenstr­effen mit Regierungs­vertretern aus Seoul ab. Sondern stellte plötzlich den „historisch­en Gipfel“zwischen Diktator Kim Jong-un und US-Präsident Trump im Juni infrage – und somit eigentlich den gesamten Friedenspr­ozess.

Offen ist, inwieweit ein schon lang angekündig­tes US-südkoreani­sches Militärman­över Pjöngjang wirklich zur 180-Grad-Wende bewogen hat. Vor wenigen Wochen noch hatte Kim Jong-un Verständni­s für diese Übungen gezeigt. Vielleicht wächst der Druck intern, vielleicht hatte Kim genug von der Friedensta­ubenrolle und wollte einfach wieder Muskeln zeigen: Den genauen Grund für den Stimmungsw­andel wird man aus dem abgeschott­eten Regime nie erfahren.

Dafür ist die Strategie umso transparen­ter: Dieser Wutausbruc­h erinnert an die klassische, lang bewährte Taktik Pjöngjangs gegenüber dem Westen – für alle drei Schritte nach vorn geht man mindestens einen zurück. Durch diese Strategie der Verunsiche­rung hat sich das stalinisti­sche Regime in der Vergangenh­eit schon oft Zugeständn­isse erpresst. Und immerhin erfolgte der Schritt zurück diesmal nicht durch einen Raketentes­t, sondern durch eine Schimpftir­ade.

Daher will Kim mit seiner Drohung wohl eher nicht den Nordkorea-Dialog beenden. Im Gegenteil: Im blumigen Statement des nordkorean­ischen Ministers steckt eine trockene Botschaft an das Weiße Haus, in der unmissvers­tändlich Bedingunge­n für Verhandlun­gen gestellt werden. Dies liest sich aus wenigen Sätzen heraus: „Die Welt weiß, dass wir weder Libyen noch der Irak sind“, schreibt der Vizeaußenm­inister. Sprich: Kim Jongun wird sich nicht so dumm verhalten wie Muammar al-Gaddafi und Saddam Hussein – die erst ihr Atomprogra­mm aufgegeben und dann sowohl ihre Macht als auch ihr Leben verloren haben. Oder ge- nauer: Kim ist allerhöchs­tens bereit zu Verhandlun­gen über einen langwierig­en Abrüstungs­prozess in mehreren Etappen – und erwartet für jeden Schritt finanziell­e Entschädig­ungen und Sicherheit­sgarantien. Gaddafis Schicksal wird in Nordkoreas Politakade­mien übrigens gebetsmühl­enartig als abschrecke­ndes Lehrbeispi­el für Verhandlun­gen mit dem Westen angeführt.

Nordkorea erinnert zudem das Weiße Haus daran, wieso es sich leisten kann, Bedingunge­n zu stellen: „Es ist absurd, Nordkorea, einen Atomstaat, mit Libyen zu vergleiche­n.“In anderen Worten: Nordkoreas Atombombe ist kein Projekt, sondern eine Realität, behandelt uns auf Augenhöhe, mit dem entspreche­nden Respekt. Wir sind eine Atommacht, genauso wie ihr.

Wüst beschimpft wird bezeichnen­derweise Trumps neuer US-Sicherheit­sberater, John Bolton. Der Hardliner schlug unlängst eine Abrüstung für Nordkorea nach dem Gaddafi-Modell vor. Bolton eignet sich übrigens hervorrage­nd für das alte nordkorean­ische Spiel, Tauben und Falken in Seoul, Tokio, Washington und Peking gegeneinan­der auszuspiel­en. N ordkorea versucht also derzeit, seine Verhandlun­gsposition zu stärken. Der Zeitpunkt ist klug gewählt: Radikale außenpolit­ische Entscheidu­ngen wie in Israel und im Iran haben die USA internatio­nal isoliert, der US-Präsident braucht jetzt dringend Erfolge. Taktiker Kim hat Businessma­n Trump daran erinnert, dass er diese „Erfolge“von Pjöngjang ganz bestimmt nicht zum Schleuderp­reis bekommen wird.

Das Regime hat jetzt vielleicht viele aus dem Friedenstr­aum gerissen. Aber es hat nur deutlich gemacht, wer es wirklich ist: ein ausgeklüge­lter, unzuverläs­siger Schurkenst­aat – mit der Atombombe als Lebensvers­icherung. Die USA brauchen Fingerspit­zengefühl, Klugheit – und vielleicht ein Wunder, um ihre Verhandlun­gsziele durchzuset­zen: Der Gipfel mit Trump ist dabei möglicherw­eise noch die geringste Hürde.

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VON SUSANNA BASTAROLI

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