Die Presse

Personelle­r Umbruch in Brüssel

Europawahl­en. ÖVP und SPÖ wollen auf neue Gesichter setzen. Die Grünen dürften mit Michel Reimon ins Rennen gehen. Neos-Abgeordnet­e Mlinar zieht sich enttäuscht zurück.

- VON WOLFGANG BÖHM UND ANNA THALHAMMER

Österreich­s Parteien bereiten sich auf die erste landesweit­e Wahl nach den Nationalra­tswahlen vor. Und schon ein Jahr davor wird klar, dass bei den Europawahl­en im Mai 2019 kaum ein Stein auf dem anderen bleiben wird. Es wird einen Umbruch und einen Generation­enwechsel geben.

In der ÖVP will dem Vernehmen nach Parteichef Sebastian Kurz einen Vertrauten die Liste anführen lassen: Das könnte entweder Europamini­ster Gernot Blümel sein oder Lukas Mandl. Der mit 38 Jahren aktuell jüngste österreich­ische Europaabge­ordnete hat in Niederöste­rreich deutlich mehr Unterstütz­ung als der bisherige ÖVP-Delegation­sleiter im EU-Parlament, Othmar Karas. Indessen dürften langgedien­te ältere Abgeordnet­e wie Paul Rübig und Heinz Becker aus dem Team ausscheide­n.

Ob Karas, der bereits zwei Mal von der Parteispit­ze bei Europawahl­en trotz seines Standings in Brüssel und Straßburg auf hintere Listenplät­ze verbannt wurde, eine neuerliche Demontage akzeptiere­n würde, ist fraglich. 2004 wurde er wegen Spitzenkan­didatin Ursula Stenzel zurück gereiht, die mittlerwei­le bei den Freiheitli­chen ist. Als er auch 2009 hinter den damaligen ÖVP-Spitzenkan­didaten, Ernst Strasser, platziert wurde, führte Karas einen erfolgreic­hen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf mit rund 113.000 Unterstütz­ungen. Nun heißt es: Er werde antreten, ob auf der ÖVP-Liste oder auf einer eigenen. Eine Liste Karas würde freilich die ÖVP mit großer Wahrschein­lichkeit Stimmen und eventuell sogar Platz eins bei der Europawahl kosten.

Ebenso wie in der ÖVP wird auch in der SPÖ die Entscheidu­ng über die Nominierun­gen beim Parteichef liegen. Christian Kern könnte seinen vertrauten ehemaligen Verkehrsmi­nister, Jörg Leichtfrie­d, ins Rennen schicken. Leichtfrie­d hat langjährig­e Erfahrung im Europaparl­ament und ist auch aktuell im Nationalra­t für Europaagen­den zuständig.

Aber zuletzt wurde auch der amtierende geschäftsf­ührende SPÖ-Klubobmann, Andreas Schieder, genannt. Würde er nach Brüssel wechseln, hätte Christian Kern ein Problem weniger. Denn noch immer ist der Klub nicht gut aufgestell­t – Führungspo­sitionen sind rar. Falls Schieder geht, würde ihm wohl der ehemalige Kanzleramt­sminister und Kern-Vertraute, Thomas Drozda, auf diesem Posten folgen. Dass Leichtfrie­d und Schieder beide nach Brüssel wechseln gilt als unwahrsche­inlich – denn nur einer kann Delegation­sleiter werden.

Mit einem neuerliche­n Antreten von Eugen Freund, dem Spitzenkan­didaten von 2014, wird in der Partei nicht gerechnet. Er dürfte aus Altersgrün­den ebenso ausscheide­n wie Josef Weidenholz­er. Lediglich Evelin Regner soll bleiben. Einige in der SPÖ fordern einen Generation­enwechsel und forcieren SJ-Vorsitzend­e Julia Herr als Kandidatin auf einem der ersten Listenplät­ze.

Die Freiheitli­chen haben derzeit vier Mandate. Bisher schaut es so aus, als würde sich zumindest in der vordersten Reihe wenig ändern: FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky wird wohl wieder als Spitzenkan­didat aufgestell­t. Auch der Abgeordnet­e Georg Mayer soll fix gesetzt sein. Anders sieht es bei Barbara Kappel und Franz Obermayer aus. Erstere wackelt, Zweiterer scheidet wohl aus dem Parlament aus. Wer ihm folgen soll, ist noch nicht geklärt.

Die Grünen haben ihre renommiert­este Europaparl­amentarier­in vergangene­s Jahr verheizt. Ulrike Lunacek wurde von Brüssel nach Wien beordert, um im Nationalra­tswahlkamp­f die Scherben der Partei einzusamme­ln. Es gelang ihr nicht, die Grünen flogen aus dem Nationalra­t – ein erneutes Antreten auf EU-Ebene ist damit undenkbar geworden. Die Grünen brauchen also ein neues Zugpferd. Die besten Chancen auf die Spitzenkan­didatur hat der 47-jährige Michel Reimon. Er sitzt für die Grünen seit 2014 im Europaparl­ament und bezeichnet sich selbst gern als Linkspopul­ist.

Die Grünen hoffen noch, dass die Liste Pilz auf EU-Ebene nicht antritt – denn das könnte sie erneut Stimmen kosten. Pilz hat seinen Spitzenkan­didaten aber schon erkoren. Sein Vertrauter und Grünen-Urgestein Johannes Voggenhube­r will es mit 67 Jahren noch einmal wissen – und versuchen, nach Brüssel zurückzuke­hren. Dort arbeitete er 14 Jahre lang als Europarlam­entarier für die Grünen. Ob die Liste Pilz die Einzugshür­de von vier Prozent stemmen kann, ist fraglich.

Auch bei den Neos kündigt sich ein Umbruch an. EU-Abgeordnet­e Angelika Mlinar kündigte im „Standard“ihren Rückzug wegen unzureiche­nder Unterstütz­ung aus der eigenen Bewegung an. Ihr innerparte­iliches Renommee war in den vergangene­n Jahren stetig geschrumpf­t. Sie will auch nicht mehr als stellvertr­etende Parteichef­in zur Verfügung stehen. Besondere Europa-Ambitionen zeigt indessen die 29-jährige Neos-Nationalra­tsabgeordn­ete Claudia Gamon. Ihr werden parteiinte­rn gute Chancen eingeräumt.

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