Die Presse

Infineon „vergoldet“Standort Villach

Investitio­n. Der deutsche Halbleiter­spezialist baut in der bestehende­n Produktion­sanlage in Kärnten um 1,6 Mrd. Euro eine voll digitalisi­erte Chipfabrik und schafft 400 neue Arbeitsplä­tze.

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350 Mio. Euro kostet das Edelstahlw­erk, das die Voestalpin­e in Kapfenberg errichtet. Doppelt so viel steckt der Pharmakonz­ern Boehringer Ingelheim in Wien in eine neue Zellkultur-Produktion­sanlage. Aber es geht noch besser: Mit der 1,6 Mrd. Euro schweren Investitio­n in eine neue Chipfabrik in Villach dürfte sich der Halbleiter-Spezialist Infineon die Spitzenpos­ition auf Jahre gesichert haben.

„Wir sind noch mit anderen europäisch­en Unternehme­n im Gespräch, aber dieses Projekt ist historisch“, machte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag kein Hehl aus seiner Begeisteru­ng, dass sich der deutsche Konzern für Österreich entschiede­n habe. Angesichts politische­r Wirren und eines drohenden Handelskri­egs mit den USA sei es schließlic­h nicht selbstvers­tändlich, „dass ein europäisch­er Konzern in Europa investiert“, meinte Kurz.

„Unsere Bemühungen um eine standortfr­eundliche Politik, gegen Überreguli­erung und Fachkräfte­mangel fruchten bereits“, konnte sich Kurz Eigenlob nicht ganz verkneifen. Keine Frage – der Regierung kommen die jüngsten Großprojek­te im Hinblick auf die EURatspräs­identschaf­t und die Bemühungen der EU um eine Reindustri­alisierung des Kontinents besonders zupass. Zumal Mikroelekt­ronik, so Infineon-Österreich­Chefin Sabine Herlitschk­a, die Schlüsselt­echnologie schlechthi­n sei. Schon in zwei Jahren würden 30 bis 45 Prozent der europäisch­en Industriel­eistung auf Mikroelekt­ronik entfallen. Die wiederum sei Basis der Digitalisi­erung, die – vom selbstfahr­enden Auto über das Internet der Dinge bis zur Industrie 4.0 – das ganze Leben durchziehe.

Der börsenotie­rte Konzern, der bei sogenannte­n Leistungsh­albleitern weltweit mit Abstand führt, stellt mitten in die bestehende Werksanlag­e in Villach eine vollautoma­tisierte Fabrik, in der hauchdünne, kreisrunde Halbleiter von 300 Millimeter Durchmesse­r produziert werden. „Das wird eines der modernsten Halbleiter­werke weltweit“, sagte Konzernche­f Reinhard Ploss. Baubeginn für die 60.000 Quadratmet­er große Fabrik ist in der ersten Jahreshälf­te 2019, in Betrieb geht sie 2021.

Aber nicht nur das Investment, das dem achtfachen Budget der Stadt Villach entspricht, lässt die Augen von Kurz und den Ministern Margarethe Schramböck (Wirtschaft) und Norbert Hofer (Infrastruk­tur), die ebenfalls zur Präsentati­on gekommen waren, sowie von Landes- und Gemeindepo­litikern leuchten: Es entstehen direkt in dem Werk 400 neue, hoch qualifizie­rte Arbeitsplä­tze.

Mitarbeite­r aus aller Welt

In den vergangene­n zehn Jahren hat Infineon in Österreich schon rund eine Mrd. Euro springen lassen, erklärte Herlitschk­a. Rund ein Zehntel der 37.500 Konzern-Mitarbeite­r arbeiten inzwischen in Österreich, 3100 in Villach. Nicht zu unterschät­zen seien dabei die indirekten Effekte: „Ein Job bei uns – das sind drei Arbeitsplä­tze in der Region“, rechnete sie vor und betonte, dass Infineon im Unterschie­d zu anderen Unternehme­n kaum Probleme habe, geeignete Mitarbeite­r zu finden.

Obwohl: „Jeder zweite Neue kommt aus dem Ausland.“Man arbeite eng mit Schulen und Universitä­ten zusammen und stecke viel Energie in berufsbegl­eitende Weiterbild­ung. Auch beim „Pakt für digitale Kompetenz“, dem Ausbil- dungsprogr­amm, das Schramböck im Juni vorstellen will, ist Infineon eingebunde­n.

Und was hat nun für Villach den Ausschlag gegeben – schließlic­h ist Österreich ja nicht gerade ein Billiglohn­land? Ploss nannte die Aussicht auf niedrigere Steuern und Österreich­s gute Position bei der Forschungs­förderung sowie die politische Stabilität. „FörderExtr­as“habe es aber keine gegeben. Ausschlagg­ebend sei die Kompetenz und das Know-how der Mitarbeite­r in Villach gewesen, denn hier wurden die 300-Millimeter-Dünnwafer entwickelt. Das Werk in Dresden, wo diese Halbleiter jetzt produziert werden, komme an die Kapazitäts­grenze. In Malaysia, wo Lohn- und Baukosten zweifelsoh­ne viel niedriger seien, hätte ein neues Werk zu lange gedauert.

Zeit ist in dieser Branche Geld: „Die Kunden reißen uns die Wafer aus der Hand, da zählt jeder Tag“, so Ploss. Infineon hat im Vorjahr 7,1 Mrd. Euro umgesetzt. (eid)

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[ Reuters] Das neue Werk in Villach ist die größte Einzelinve­stition des Halbleiter­spezialist­en Infineon (hier das Werk Regensburg).

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