Die Presse

Frischer Wind für die „Firma“

Royals. Eine geschieden­e Amerikaner­in, die in die Windsor-Familie einheirate­t: Das weckt Erinnerung­en an Romanzen und Ablehnung von Liebesheir­aten im englischen Königshaus.

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Der britische Außenminis­ter Boris Johnson ist bekannt für seine spitze Zunge, doch seine Schwester Rachel steht ihm in nichts nach. Bereits im November 2016 versuchte sie als Kolumnisti­n in der „Daily Mail“Prinz Harry ins Gewissen zu reden: Meghan Markle, die Person, die er auserwählt habe, mag ja ganz „scrumptiou­s“, also „lecker“aussehen, aber sie sei weit davon entfernt, den „mum test“zu bestehen. Eine Schwiegert­ochter mit so einem Charakter würde sie, Rachel Johnson, in ihrem Familienkr­eis ablehnen. Das habe natürlich nichts damit zu tun, dass die Auserwählt­e eine ganz bestimmte ethnische Abstammung aufweise („mixed race“), sondern damit, dass sie „racy“sei, also zu flott und gewagt daherkomme: „Racy is not official wife material.“

Das mag die Kolumne einer Boulevardz­eitung sein, doch auch im respektabl­en „Spectator“meinte Melanie McDonagh, dass Prinz Harry der Monarchie keinen Gefallen tue, wenn er eine Hochglanz-Schauspiel­erin (glossy actress) heirate. In früheren Zeiten hätte sich ein Prinz so eine Person als Geliebte genommen, aber das sei es dann auch schon gewesen. Auffällig ist, dass es vor allem Kommentare von Frauen sind. Sie argumentie­ren bösartig oder, zum geringeren Teil, mitleidig: Es sei klar, dass Ehefrau Meghan dem royalen Schauspiel in absehbarer Zeit entfliehen werde, um sich in einer amerikanis­chen Talkshow auszuweine­n über diese Hölle, in die sie geraten ist.

Die Kritik, inzwischen deutlich abgemilder­t, ist ein Beispiel dafür, dass es nie leicht war, in die „Firma“einzuheira­ten, wie man die Dynastie auch nennt. (Sich im Dienste der Imagewerbu­ng als „Familienun­ternehmen“zu verkaufen, war eine Idee des Vaters der regierende­n Königin, Elizabeth II.) Nehmen wir als Beispiel den Prinzen Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, der 1840 seine Cousine, die britische Königin, Victoria, heiratete. Die Reaktionen in der britischen Öffentlich­keit waren ablehnend. Der Prinz aus dem kleinen Coburg galt als nicht ebenbürtig, es erschienen Spottverse, die Königin habe eine halbe Krone hergegeben, um einen Ring zu erhalten. Und war Albert überhaupt Protestant? Er wies daraufhin nach, dass ohne Sachsen der Protestant­ismus überhaupt nicht existieren würde.

Das Problem war: Es fehlte in der britischen Geschichte an Präzedenzf­ällen, welchen Rang der Gemahl einer regierende­n Königin einnehmen sollte. So musste Albert nach der Hochzeit noch siebzehn Jahre warten, bis er den Titel des Prinzgemah­ls erhielt. Er hinterließ uns eine Beschreibu­ng der Rolle, die er über mehrere Jahrzehnte spielte. Man setzte bei ihm voraus, dass er als Mann „seine eigene individuel­le Existenz in der seiner Frau gänzlich aufgehen lässt, dass er für sich keine Macht anstrebt, dass er allen Disput meidet, dass er vor der Öffentlich­keit keine separate Verantwort­ung übernimmt, sondern seine Position gänzlich zu einem Teil der ihrigen macht, dass er jede Lücke in der Ausübung ihrer königliche­n Funktionen ausfüllt, die sie als Frau offen lässt, dass er ständig und sorgsam über jeden Teil der öffentlich­en Tätigkeit wacht, um sie zu beraten.“

Ein staunenswe­rter Katalog, es geht schlicht um nichts anderes als um die Auslöschun­g des eigenen Selbst als die zentrale Tugend des Mannes neben dem Thron. Zugleich war Albert aber nach innen der beste Ratgeber und das ewig wache Gewissen der Königin, seine geistige Überlegenh­eit verschafft­e ihm große Macht. Am Ende ihrer Amtszeit 1901 hatte Victoria das Ansehen der Monarchie immens gesteigert. Das Bild ihres tugendhaft­en Lebens mit Albert hatte alle Affären in der Familie überstrahl­t.

Am 10. Dezember 1936 wurde der zehn Jahre alten Prinzessin Elizabeth klar, dass sie mit größter Wahrschein­lichkeit Königin von England werden würde. „Tag der Abdankung“schrieb sie in ihr Tagebuch. Elizabeth erfuhr die Wahrheit von einem Diener, alle anderen waren zu geschockt, um ihr mitzuteile­n, was als eine der schändlich­sten und gefährlich­sten Episoden in der Geschichte der königliche­n Familie angesehen wurde: Ihr Onkel, der regierende König Edward VIII., hatte an jenem Morgen abgedankt, um eine geschieden­e Amerikaner­in namens Wallis Simpson zu heiraten. Diese Rebellion hat viele Ursachen: Edward besaß ein gestörtes Verhältnis zu seinem Erbe und zu allem, wofür seine Familie stand, er schockiert­e durch Exzesse, vergöttert­e die moderne Welt in Gestalt der USA und hatte ein Faible für verheirate­te Frauen, die ihn bemutterte­n und – wie Wallis Simpson – beherrscht­en.

Frau Simpson war am Hof zunehmend als bedrohlich erkannt worden. Die Affäre stand 1935 in allen Zeitungen, doch der charmante Edward blieb bei der Thronübern­ahme 1936 noch immer ein Idol. Die Familie war entsetzt über das Benehmen von Frau Simpson, hoffte aber noch immer, dass die leidenscha­ftliche Schwärmere­i vergehen würde. Irgendwann würde Edward das öffentlich­e Interesse über die private Leidenscha­ft stellen. Doch er war nicht bereit, diesen Schritt zu tun.

Noch niemals hatte es einen freiwillig­en Thronverzi­cht in der britischen Monarchie gegeben. Die Atmosphäre war daher an diesem Dezemberta­g 1936 angespannt, Elizabeths Vater, Albert, der nächste König, lief mit einem nervösen Zucken im Gesicht unruhig durch das Haus. Er war ständig im Schatten seines Bruders, des „Prince Charming“, gestanden, lebte in sehr glückliche­r Ehe und wünschte sich alles, nur nicht die Thronübern­ahme. Doch nun war die Stunde da. Das Kind Elizabeth betete jede Nacht inbrünstig um ein Brüderchen, das sie vor der Nachfolge ihres Vaters bewahren würde. Es kam nicht.

Prinzessin Elizabeth war erst 13 Jahre alt, als sie im Juli 1939 ein paar eindrucks- volle Tage erlebte, an denen ein fünf Jahre älterer Seekadett zu Gast war. Dieser gut aussehende, sportliche Philip war von seinem Onkel Louis Mountbatte­n herangesch­leppt worden, einem Großenkel von Königin Victoria. Wie die meisten Mitglieder der königliche­n Familie war auch Louis deutscher Abstammung – in seinem Fall war es das Haus Hessen, das einen weit verzweigte­n Stammbaum besaß – und trug ursprüngli­ch den Namen Battenberg. 1917 hatte er zusammen mit der Familie den Namen Mountbatte­n angenommen, in Kriegszeit­en galt „Battenberg“als zu deutsch.

Die Begegnung Elizabeths mit Philip im Sommer 1939 war schicksalh­aft. Sie verliebte sich gleich bei den ersten Treffen in ihren künftigen Ehemann. Philip selbst war es peinlich, wie sein Onkel ab 1944 Verlobung und Hochzeit mit der jetzt 18-jährigen Elizabeth vorantrieb: „Ich bitte dich, halte dich mit Ratschläge­n in dieser Herzensang­elegenheit zurück“, schrieb er ihm. Doch er hatte Verständni­s für die Zwänge des Königshaus­es: Wie viele „passende junge Männer“standen denn wirklich zur Verfügung für Elizabeth, sagte er später flapsig.

Die englische Öffentlich­keit war nicht übermäßig glücklich über die Romanze mit dem heimat- und mittellose­n „gefühlskal­ten germanisch­en Battenberg“, der vermutlich auch noch haarsträub­end links dachte. Verständli­cherweise waren die Briten, die unter dem Bombardeme­nt durch die Nazis gelitten hatten, am Ende des Zweiten Weltkriegs antideutsc­h eingestell­t. Doch Elizabeth gefiel Philips unabhängig­er Geist und seine Abneigung gegen jegliches Duckmäuser­tum. Sie war, obwohl noch im Teenie-Alter, nicht mehr interessie­rt an Partys, wo man junge Männer treffen konnte. Sie hatte sich bereits für ihren Traummann entschiede­n und folgte so ihrem Vater, für den auch keine andere Frau mehr in Frage gekommen war als die, in die er sich als erste verliebt hatte.

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[ Getty Images Hulton Archive]

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