Liebe Liberale, seid lockerer und fürchtet die Freiheit nicht!
Mir ist nichts Menschliches fremd, ich kann mit allen reden, mich freut jede Weltanschauung. Ok, ich bin halt katholisch.
D iese Woche musste ich mich selbstkritisch überprüfen. Zum einen sagte mir ein befreundeter Kollege, dass ihn die „Feindseligkeit“meiner „Kreuzritter“-Kolumnen irritiert. Das traf mich, denn er hatte recht. Den Grund für manche Bösartigkeit kann ich leicht benennen: Das ist die Unduldsamkeit, die gläubigen Katholiken in Österreich entgegenschlägt. Als ich einem Verwandten verriet, dass ich im Stillen für eine kranke Verwandte bete, rief er entsetzt aus: „Du bist wie diese Jihadisten!“Die Ablehnung meines Glaubens darf dennoch kein Grund sein, blind aus dem Schützengraben zu schießen. Wenn die Schönheit des Evangeliums nicht aufleuchtet, ist mein Mühen vergebens.
Zum anderen wurde ich diese Woche viel beschimpft. Ich hatte gefragt, was die Neos für die Freiheit in Österreich getan haben, und hatte mit einigen Pluspunkten und einigen Minuspunkten geantwortet. Das ergab unwillkürlich eine Sonde ins liberale Milieu. Durch die vielen Briefe zog sich ein roter Faden – der letzte Kreuzritter gehöre abgesetzt. Ich habe aus dem Ausland Erfahrungen mit linkssozialistischer und rechtskonservativer Publizistik, das Argument „Warum darf der schreiben?“kommt dort komischerweise nie. Es sind fast immer Liberale, die anderen die Veröffentlichung ihrer Meinung verbieten wollen. Sie bedrohen damit meine wirtschaftliche Existenz. Ich habe nicht geerbt, ich lebe vom Schreiben.
Die liberale Gegenwehr wäre einzusehen, würde aufgrund der schieren Wortgewalt meiner Kolumne der ultramontane Gottesstaat um die Ecke lugen. Ich sehe diese Gefahr nicht, die Zeitungen gehen eh vor liberalen Sachen über, und die Gesamtheit meiner Überzeugungen wird wohl kaum von mehr als anderthalb Prozent der Österreicher geteilt.
Die Wirklichkeit ist viel grauer: Ich bin meinen Beschimpfern ähnlicher, als das mir und ihnen recht sein kann. 1972 geboren, bin ich selbstverständlich durch die Aufklärung, antiautoritäre Erziehung und die sexuelle Revolution gegangen. Wie alle von 68erLehrern erzogene Kinder zucke ich bei Begriffen wie „Gehorsam“zusammen. Ich könnte mir Dogmen einbläuen, soviel ich wollte – anders als kritisch vermag ich nicht zu denken. N un lese ich über mich, ich wäre ein Proselytenmacher, Austrofaschist, Putin-Anbiederer, Nationalist. Ich bin auch ein Verächter des Buddhismus, mein Meditationssemester bei einem herrlich gelassenen Theravada-Mönch hätte ich erwähnen sollen. Weiters gelte ich als homophob; dass ich neulich als einziger Hetero eine Queer Tour in Moldawien bestritt, nutzt mir nichts – bei der Gelegenheit ein Vergeltsgott der schwedischen Regierung für das wirklich köstliche Picknick. Ich warte bang auf den ersten Vorwurf des Antisemitismus. Es wird mich nicht retten, dass ich 1992 mit einem Batikleiberl durch Israel spazierte, auf das ich in peinlich fehlerhaftem Hebräisch „Ich liebe Israel“gemalt hatte. Nach unbeschreiblich exzessiven Nächten in Zigeunerhütten warte ich noch auf den Vorwurf des Rassismus.
Mir ist nichts Menschliches fremd, ich kann mit allen reden, ich habe Freude an jeder Weltanschauung. Okay, ich bin halt katholisch. Liebe Liberale, seid doch ein bissel lockerer! Genehmigt euch ein Achtel, zündet euch einen Joint an oder macht mal wieder Liebe! Der Lenz ist da, unsere Freiheit ist schön, fürchtet sie nicht!