Familienbande in Pflanzengemeinschaft
Filmreifes Setting: In Cornwall und Devon wandelt der Besucher durch verlorene Gärten, imposante Herrenhäuser und diverse botanische Welten.
An hellgrauen Granitwänden rankt sich Efeu empor, oben begrenzen viereckige Zinnen die Außenmauer, das bescheiden als Prideaux Place bezeichnete Herrenhaus wirkt wie eine Burg. Das Anwesen in der Nähe des Fischerdorfs Padstow im Norden Cornwalls ist lebendige Geschichte, Filmkulisse und imposantes Wohnhaus zugleich. Sir Nicholas Prideaux ließ es 1592 erbauen, von oben betrachtet hat es die Form eines E, eine Hommage an die damalige Königin Elisabeth I. Filmkulisse ist es, weil dort der ZDF zahlreiche Rosamunde-PilcherFilme gedreht hat. Deshalb führt Elke Tanner, eine Freiburgerin, die seit 1999 in Cornwall lebt, deutschsprachige Touristen durch das urige Gemäuer: „Von jährlich 400 Touren finden rund 360 auf Deutsch statt.“Sie alle wollen sehen, wo Schmonzetten wie „Der gestohlene Sommer“oder „Das Geheimnis der weißen Taube“gedreht wurden.
Pragmatische Heiratspolitik
Prideaux Place ist aber auch eindrucksvoll für Besucher, die sich nicht für bemüht englisch agierende deutsche Schauspieler interessieren. In dem Haus wird nämlich noch gewohnt. Der derzeitige Hausherr heißt Peter PrideauxBrune, ist ein direkter Nachfahre von Wilhelm dem Eroberer und lässt die Besucher sogar in seine Wohngemächer. Dazu gehört eine prächtige Bibliothek mit über 6000 Büchern und Fenstern, die die Wappen der „eingeheirateten Frauen“zeigen.
Im Frühstückszimmer zeugt ein hundeförmiges Telefon samt dickem Knochen als Hörer von einer gewissen Exzentrik. Die selbst gezüchteten noch lebenden Rehkeulen auf der hauseigenen Wiese zeugen von Exklusivität: Den Prideaux-Brunes gehört einer der ältesten Dammwildherden Englands. Doch weder Geld noch Stammbaum schützen vor Zeugungsverlusten: Erst im vergangenen Herbst verausgabte sich einer von drei weißen Hirschen wäh- rend der Brunftzeit so sehr, dass er an den Folgen seines Fortpflanzungstriebs starb. Keine gute Nachricht, wenn man bedenkt, dass das Familienglück der Prideaux unmittelbar an den Bestand der Herde gekoppelt ist: Stirbt sie aus, besagt eine Legende, geht’s auch mit der Familie bergab. Umso gezügelter verläuft daher die Familienplanung des Clans. Die Tatsache, dass das 81 Zimmer große Haus samt üppigem Grundstück immer noch der Familie gehört, sei allein der „pragmatischen Heiratspolitik“zu verdanken: Die Söhne, insbesondere die Erstgeborenen, haben immer Frauen mit Geld geheiratet.
Garten und Märchenwald
Stoff für ein Melodram gäbe die Geschichte der Gärtner der Lost Gardens of Heligan, eines riesigen, leicht verwilderten Gartens in der Nähe von St. Austell. Von den 22, die in den Ersten Weltkrieg zogen, kehrten nur acht Gärtner zurück. Darüber soll der Eigentümer Jack Tremaine so unglücklich gewesen sein, dass er 1923 aus dem Anwesen auszog. „Er hatte das Gefühl, dass die Geister der Verstorbenen immer präsent waren. Das hat er nicht ertragen”, erklärt Guide Peter Lavis.
Noch immer beträgt die Zahl der Gärtner 25 und ist damit fast gleich geblieben. Heligan (Weidenbaum) gehört nach wie vor der Familie Tremaine. „Einige sind enttäuscht, wenn sie keine Schilder bei den Pflanzen finden, aber wir sind ein privater, kein botanischer Garten“, erklärt Lavis, der durch den Garten führt. In seinem braunen Landstil-Outfit nehmen ihm Besucher den Gärtner sofort ab, doch der Eindruck täuscht: Im früheren Leben war der 64-jährige Banker bei Barclays in Nordeng- land; erst als Pensionist zog er in den Süden Englands und tauschte seinen Bürojob gegen eine Arbeit an der frischen Luft. Damit sich auch Tiere in Heligan wohlfühlen, lassen die Gärtner das Laub liegen.
Die „verlorenen Gärten“halten damit das, was der Name verspricht: Sie sind eine Mischung aus gepflegter englischer Gartenkultur und wildem Märchenwald. So wirken die gewundenen, zum Teil parallel zum Boden verlaufenen Äste und Stämme der 150 Jah- re alten Rhododendren mystisch. Andererseits gibt es in Heligan auch Nutzpflanzen. Neben alten kornischen Apfelsorten mit Namen wie American Mother, Lord Derby und Ellison Orange sowie 13 verschiedenen Pfefferminzsorten züchten Gärtner in speziellen Gewächshäusern Ananas. Die Ernte beträgt pro Jahr 40 bis 50 Stück.
Eden Project
Wer am Horizont plötzlich riesige, bienenwabenartige Gebilde erblickt, der begegnet nicht etwa Außerirdischen, die das südwestenglische Idyll erkunden wollen, sondern sieht die „Biome“des Eden Project, eines seit 2001 existierenden exotischen Gartens, der das große Ganze erklären will.
Nichts geht ohne Pflanzen, lernen Besucher in einem unterhaltsamen Zwei-Minuten-Theaterstück am Eingang: Keine Klamotten, kein Gras für die Kuh, die Milch gibt, nicht einmal Gardinen. Besagte Biome beherbergen Pflanzen aus einer bestimmten Klimazone. In einem Biom wachsen Pflanzen aus dem eher trockenen Mittelmeerraum. Eindrucksvoll demonstriert Monroe Sheppard den Besuchern, wie unterschiedlich ein und derselbe Rosmarinstrauch duftet: Die Stelle, die alle Besucher angreifen, riecht kaum, die Pflanze ist dort stark beschädigt, weiter oben duftet der Strauch sehr intensiv.
Das andere Biom führt uns in den Regenwald. Dort hängen reife Früchte an Kakaobäumen, es gibt Papaya, und es wächst auch eine gewisse Schweizer-Käse-Pflanze: Sie heißt so wegen der Löcher in ihren Blättern. Nichts für schwache Nerven ist die 50 Meter hohe und nur an dünnen Drahtseilen befestigte, schwingende Aussichtsplattform. Sie eignet sich nur für Schwindelfreie, Menschen ohne Bluthochdruck und Leute, die ohne fremde Hilfe die gefühlten 300 Treppenstufen bei 25 Grad Celsius und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit hinaufkommen. Die Belohnung: nicht nur eine Panoramaaussicht auf den Regenwald, sondern auch ein naher Blick auf die Dachkonstruktion.