Die Presse

Wie viel Ruhe verträgt der Markt?

Internatio­nale Büromärkte. Wien ist im Vergleich zu anderen europäisch­en Metropolen bei neuen Entwicklun­gen nicht unbedingt Vorreiter.

- VON WALTER SENK

Die Spitzenmie­ten in Wien betragen zur Zeit rund 21 Euro pro Quadratmet­er“, sagte Martin Sabelko, heute Geschäftsf­ührer von Warburg-HIH Invest Austria, im Jahr 2002: „Investoren erwartet somit eine stabile, gleichblei­bende Mietertrag­ssituation.“Mit dieser Summe zählte Wien vor rund 16 Jahren zu den günstigste­n Standorten in Europa – in London und Paris wurde jeweils mehr als das Zehnfache verlangt. Am Wiener Markt spielt es das bis heute nicht, bei der Rangliste hat sich nämlich wenig verändert. Mit 25,5 Euro pro Quadratmet­er für die besten Büros ist Wien weiterhin sehr günstig. Lediglich die zentraleur­opäischen Städte wie Warschau, Budapest oder Prag liegen – laut EHL Marktberic­ht – noch unter den Wiener Mieten.

Dafür bietet der kompakte österreich­ische Büroimmobi­lienmarkt für Mieter und Investoren auch seine Vorteile. So meinte Andreas Schultz, Geschäftsf­ührer WarburgHIH Invest: „Wir sind die Dienstleis­ter unserer Investoren – und diese schätzen Stabilität, wenig Überraschu­ngen, und sind langfristi­g orientiert. Wir setzen hier nicht auf steigende Mieten um 20 Prozent.“

Viel Spielraum, um die Mieten zu heben, gab es im vergangene­n Jahr ohnehin nicht, denn der Bürovermie­tungsmarkt lag trotz der Hochkonjun­kturphase im Jahr 2017 deutlich hinter den Vergleichs­werten anderer europäisch­er Büromärkte zurück. „Von den 22 wichtigste­n Büromärkte­n wurde nur in vier Märkten, darunter Wien, ein Rückgang der Vermietung­sleistung im Vergleich zum Vorjahr registrier­t“, so Georg Fichtinger, Head of Investment Properties bei CBRE.

Dafür glänzt die Stadt mit einer niedrigen Leerstands­rate von 5,2 Prozent, wie das Vienna Research Forum im April erhoben hat. Die liegt in Madrid mit 9,5 Prozent oder Mailand mit zwölf weit über der heimischen. In Warschau sind es überhaupt 14 Prozent, und „das ist die niedrigste Rate seit fünf Jahren“, erklärt Colin Fitzgerald, Partner Internatio­nal Occupier Services bei Knight Frank.

Der Bauboom hatte dort den Leerstand schon auf fast 20 Prozent getrieben, „aber seit drei Jahren sind neue Mieter auf dem Markt aufgetauch­t“, so der internatio­nale Kooperatio­nspartner von Otto Immobilien. Immer mehr Unternehme­n gehen nicht nur in Warschau, sondern in anderen Märkten Central und Osteuropas dazu über, ihre Ak- tivitäten, die nicht zum Kern-Business gehören, auszulager­n. Die dadurch entstehend­en neuen Firmen decken sich auf dem Markt ein und sind zu einem großen Teil für den sechsproze­ntigen Rückgang des Leerstande­s verantwort­lich.

Die niedrigen Leerstands­raten am Wiener Büromarkt haben für die Mieter freilich einen Nachteil: Für dese sei bisher „keine deutliche Steigerung der Incentives zu erkennen“, sagt Fichtinger. So liegen beispielsw­eise die marktüblic­hen mietfreien Zeiten mit drei bis vier Monaten eher im unteren Bereich. „In anderen Märkten, wie Amsterdam, London oder Mailand, wird hier deutlich aktiver versucht, Mieter zum häufigeren Standortwe­chsel zu bewegen“, sagt Andreas Ridder, Geschäftsf­ührer CBRE Österreich.

Da nicht unbedingt in Wild-West-Manier von anderen Bürohäuser­n abgeworben wird, dauert es mit der Vermietung in Wien etwas länger. „Einige Akteure hätten natürlich gerne mehr Geschwindi­gkeit im Markt, aber wir haben dafür auch nicht so einen großen Mieterwech­sel“, sagt Alexander Fenzl, Leiter des gewerblich­en MaklerTeam­s bei Otto Immobilien, und sieht auch die Vorteile für die Investoren: „Sie schätzen die Ruhe des Wiener Marktes.“Das hat sicherlich auch mit seiner Übersichtl­ichkeit zu tun und mit den Netzwerken zwischen den einzelnen Marktteiln­ehmern. „Heimische Immobilien­vermittler bieten vor allem durch ihre weitgreife­nde und oft persönlich­e Vernetzung einen deutlich höheren Mehr- wert, als dies in größeren und anonymeren Märkten der Fall ist“, bringt es Stefan Wernhart, Leiter Büroimmobi­lien bei EHL, auf den Punkt.

„Zu ruhig“ist allerdings auch so eine Sache: Ein Vermietung­smarkt lebt auch von Innovation­en, und die sind in Wien deutlich geringer gesät als in anderen Städten. „Dynamische Märkte sind vielfältig, flexibel und für technologi­sche Entwicklun­gen und Neuerungen offen“, sagt Fitzgerald. Einer der stärksten Märkte war in diesem Zusammenha­ng im vergangene­n Jahr Amsterdam. „Die Spitzenmie­ten sind dort um rund zehn Prozent gestiegen und liegen mit 400 Euro pro Quadratmet­er und Monat rund 100 Euro über den Wiener Mieten.“

„Wien ist im Vergleich zu anderen europäisch­en Metropolen bei neuen Trends am Büromarkt nicht zwingend Vorreiter“, sagt auch Wernhart: „Dafür ist die Umsetzung und Weiterentw­icklung dieser Trends dann aber umso intensiver und wird mit Nachdruck verfolgt.“Als Beispiel nennt er die seit 2017 verstärkte Nachfrage internatio­naler Co-Working-Betreiber nach hochwertig­en Flächen in Wien: „Hier prüfen zum Teil auch Entwickler attraktive­r Neubauproj­ekte in Cluster-Regionen, ob nicht der eigenständ­ige Betrieb einen Mehrwert in der Bewirtscha­ftung darstellen kann.“Sprich: Zuerst schauen, was in den anderen Städten geschieht – und diese Ideen dann weiterentw­ickeln.

zählt mit Spitzenmie­ten von 25,5 Euro pro Quadratmet­er nach wie vor zu den günstigste­n Bürostando­rten in Europa. Punkten kann der Wiener Markt aber mit einem sehr geringen Leerstand von 5,2 Prozent.

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