Die Presse

„Dieses System des Geldvertei­lens ist falsch“

Interview. Das derzeitige Fördersyst­em mache den Bauern zum Bittstelle­r, findet Josef Moosbrugge­r, der neue Präsident der österreich­ischen Landwirtsc­haftskamme­r. Seinen Mitglieder­n empfiehlt er mehr marktwirts­chaftliche­s Denken.

- VON JEANNINE BINDER

Die Presse: Sie sind Milchbauer in Vorarlberg. Wie geht es Ihrem Berufsstan­d drei Jahre nach Ende der Milchquote? Jeder darf jetzt so viel produziere­n, wie er will. Josef Moosbrugge­r: Wir spüren, dass es auf dem Markt Verwerfung­en gibt. Aber die österreich­ischen Bauern setzen auf Qualität statt Quantität. Wir veredeln den Rohstoff und können so bessere Preise erzielen. Da und dort braucht es noch mehr marktwirts­chaftlich orientiert­es Denken. Man muss wissen, wie Märkte funktionie­ren und seine Produktion danach richten.

Fehlt das marktwirts­chaftliche Denken bei den Bauern? Nicht bei allen. Aber Fakt ist, dass man dieses Denken über Jahre nicht zugelassen hat. Vor dem EU-Beitritt waren Produktion, Verarbeitu­ng und Preise streng geregelt. Jetzt müssen wir dieses Bewusstsei­n schaffen. Man muss Märkte beobachten, das gehört für einen Unternehme­r dazu. Und das gilt auch in der Landwirtsc­haft.

Kann man in der Landwirtsc­haft von einem echten Markt sprechen? Der Sektor ist ja stark subvention­iert. Das Bedauerlic­he ist, dass das notwendig ist. Dass der Lebensmitt­elpreis nicht den Erlös bringt, um die Leistungen der heimischen Landwirte abzugelten. Die Umweltleis­tungen, die Arbeit der Bergbauern, die biologisch­e Wirtschaft­sweise, das alles zahlt der Markt nicht. In der EU muss man sich überlegen, ob das jetzige System des Geldvertei­lens das richtige für die Zukunft ist.

Wie würde das richtige System aussehen? Ich würde die Direktzahl­ungen abschaffen (Flächenprä­mien, die pro Hektar gezahlt werden, Anm.). Der Bauer soll etwas bekommen, wenn er mehr macht als der Durchschni­tt. Wie die erwähnten Umweltleis­tungen. Für das, was in der EU Standard ist, muss ich kein Geld verteilen. Dieses System des Geldvertei­lens nach der Fläche ist falsch. Man verbilligt den Konsumente­n mit dem öffentlich­en Agrargeld die Lebensmitt­el. Der Bauer wird dadurch zum Bittstelle­r. Wir müssen wieder mehr Marktorien­tierung bekommen.

Sie sagen, die Agrarförde­rungen sind eine Förderung für die Konsumente­n, nicht für die Landwirte? Ja. Das ist eine Stützung der billigen Preise für Lebensmitt­el. In Österreich gibt man nur noch elf Prozent seines Einkommens für Lebensmitt­el aus. Manche glauben, Le- bensmittel können immer noch billiger werden. Das schmerzt die Bauernseel­e.

Österreich übernimmt im Juli die EURatspräs­identschaf­t. War der EU-Beitritt aus Sicht der Landwirte ein Fehler? Die Landwirte haben immer auf die Gefahren hingewiese­n, die die Öffnung der Märkte mit sich bringt. Der liberalisi­erte Markt ist durchaus kritisch zu betrachten.

Die Preise sanken nach dem Beitritt um bis zu 50 Prozent. Dafür wurden Ausgleichs­zahlungen eingeführt. Die sind heute nicht mehr wegzudenke­n. Viele würden lieber ohne das Geld auskommen. Mit dem, was sie mit der Produktion erwirtscha­ften, könnten viele Landwirte nicht überleben. Aber der Strukturwa­ndel hat sich seit dem EU-Beitritt verlangsam­t. Es geben weniger Betriebe auf als davor.

Kritiker sprechen von einer verpassten Chance. Als die EU-Förderunge­n eingeführt wurden hätten viele Bauern entschiede­n weiterzuma­chen, obwohl sie wirtschaft­lich nicht lebensfähi­g waren. Eine gesunde Strukturbe­reinigung sei verhindert worden. Das würde ich nicht so interpreti­eren. Wem nützt es, wenn Bauern aufgeben? Wir wollen eine flächendec­kende Bewirtscha­ftung. Bei der Größe der Betriebe können wir internatio­nal sowieso nie mithalten. Wenn, dann bei der Qualität. Österreich wird immer einen eigenen Weg gehen müssen.

Aber produziere­n kleine Betriebe automatisc­h eine höhere Qualität? Nein, nicht automatisc­h. Aber sie tun sich eben leichter. Sie sind flexibler und anpas- sungsfähig­er als große Betriebe, die vor allem auf die Menge angewiesen sind.

Felix Montecucco­li, einer der größten Landwirte in Österreich, sagt, auch er könnte nicht ohne öffentlich­es Geld auskommen. Wie kann das sein? Er braucht Fremdarbei­tskräfte, deren Löhne indexiert sind. Die Größe allein ist noch kein Indiz für das wirtschaft­liche Überleben. Der Kostenvort­eil gegenüber kleinen Betrieben ist nicht groß genug.

Die Direktzahl­ungen bei 60.000 Euro im Jahr zu deckeln, wie es die EU-Kommission will, ist also keine gute Idee? Die österreich­ischen Betriebe sind im EUVergleic­h sehr klein, daher ist das nicht unser Hauptdisku­ssionspunk­t. Ich glaube aber das wäre in Europa schwer durchsetzb­ar.

Es gibt Anzeichen, dass Türkis-Blau die Sozialpart­ner zurückdrän­gen will. Wie sehen Sie Ihren Stand in der Regierung? Wir finden gutes Gehör. Die Regierung ist auch gut beraten, wenn sie die Sozialpart­ner mit einbindet. Wir können Ideengeber sein, wir sind nah an der Basis. Ich bin überzeugt, dass die Sozialpart­nerschaft und insbesonde­re die bäuerliche Interessen­vertretung für die Zukunft wichtig sind.

(51) ist seit vergangene­m Dienstag Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r. Er folgte in dieser Funktion Hermann Schultes nach. Der langjährig­e Kammerfunk­tionär stammt aus Dornbirn, wo er mit seiner Familie einen Ackerbau- und Milchbetri­eb bewirtscha­ftet.

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