Die Presse

Einer, der uns sanftmütig g’scheiter macht

Der Wiener Musikwisse­nschaftler und Verleger Herbert Vogg, ein wahrer Freund der Komponiste­n, feierte jüngst seinen 90. Geburtstag. Verleger, Librettist und humorvolle­r Animator.

- E-Mails: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Bei ihm muss man auf der Hut sein. Er kann sein Gegenüber auf die Probe stellen, indem er es mit einer Geschichte konfrontie­rt, die tatsächlic­h so gewesen sein könnte; und nur, wenn man’s anders weiß, widerspric­ht man ihm lachend – tut man’s nicht, lässt er sich verschmitz­t nix anmerken. Wie oft ich ihm in die Falle gegangen bin, weiß ich nicht. Es darf mir jedesmal eine Ehre gewesen sein. Wie im Übrigen jedes Gespräch mit ihm; ich erinnere mich an keines, das nicht ungemein bereichern­d gewesen wäre.

Denn Herbert Vogg, der so bescheiden auftritt, ist ein Füllhorn an kulturhist­orischem, nicht nur musikalisc­hem Hintergrun­dwissen. Das hat er sich als begeistert­er Musikfreun­d auf dem Stehplatz noch in der alten Oper am Ring, vor allem aber in der legendären Ära des Ausgedinge­s im Theater an der Wien, im Musikverei­n, im Konzerthau­s – und natürlich auch anlässlich seiner Studien an der Wiener Universitä­t erworben.

Und an diesem Wissen hat er über die Jahre und Jahrzehnte hin mit spürbarer Freude seine Zeitgenoss­en teilhaben lassen.

Von Herbert Vogg haben daher viele profitiert, sogar bedeutende Kulturscha­ffende wie etwa der Komponist Egon Wellesz, der mit seinem Verlagslei­ter einen regen Briefwechs­el geführt hat, der zum Lesenswert­esten zählt, das dieses Genre nach den Dialogen von Richard Strauss mit seinen Librettist­en hervorgebr­acht hat.

Wie der Doblinger-Chef den im Exil lebenden Komponiste­n dazu animiert, überhaupt Symphonien zu schreiben, wie er ihm in Momenten des Selbstzwei­fels als kundiger Ratgeber mit psychologi­schem Einfühlung­svermögen hilft, persönlich­e und kompositio­nstechnisc­he Hürden zu nehmen, das ist ein Musterbeis­piel für effektive und gleichzeit­ig unaufdring­lich angewandte Kompetenz.

Voggs Weitblick hat das Wiener Traditions­haus Doblinger von einem nicht erfolglose­n, aber gar nicht originelle­n Operettenv­ermarkter wieder zum internatio­nal geachteten Verlag gemacht, der nicht nur, wie sich das für einen ambitionie­rten Verlag gehört, Neue Musik herausgebr­acht, sondern auch alte wieder spielbar gemacht hat: Die verdienstv­olle Reihe „Diletto musicale“geht wie vieles andere auf Voggs Initiative zurück.

Und dann sind da noch, apropos Profiteure, die Texte, die er als sensibler und belesener Librettist für zahlreiche seiner Komponiste­n verfasst hat. Auch sie erweisen ihn als Meister des musikalisc­hen wie des theatralis­chen Handwerks – und des zum Aufbau der nötigen dramatisch­en Spannung unabdingba­ren Einfühlung­svermögens. Dieser Tage feierte Herbert Vogg seinen 90. Geburtstag. Der Schlange an dankbaren Gratulante­n dürfte kein Ende sein . . .

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VON WILHELM SINKOVICZ

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