Die Presse

Diese Musik bricht mühelos alle Tabus

Ildiko´ Raimondi und Herbert Lippert rückten mit einem multimedia­len Abend die Operette ins Rampenlich­t.

- VON THERESA SELZER

„O-MIA“(„Operette, made in Austria“), so lautet der wohlklinge­nde Titel von Ildiko´ Raimondis und Herbert Lipperts aufwendige­m Projekt zur Ehrenrettu­ng einer arg vernachläs­sigten Musiktheat­er-Gattung. Fürs Konzept zeichnet Manfred Corrine verantwort­lich, dem es wahrlich nicht an Ideen mangelt: Operette trifft Theater, trifft Jazzband, trifft Sängerknab­en, trifft Licht- und modernste Soundeffek­te.

Doch der Reihe nach. Seit der Premiere vergangene­n Sommer in Gmunden hat sich einiges verändert; auch technisch: Die Stadthalle bot anlässlich der Wiener Premiere auch Platz für eine riesige Videowall, auf der Johannes Silberschn­eider in der Rolle Max Winters, Erfinder der Sozialrepo­rtage, Anekdoten aus dem Wien um die Jahrhunder­twende zum Besten gab. Teils amüsant, immer informativ wurde das Publikum also auf die Musiknumme­rn eingestimm­t.

Stimmlich wie dramaturgi­sch lieferten Raimondi und Lippert mit dem Duett „Märchen der Liebe“aus Ziehrers vergessene­r Operette „Ball bei Hof“den Höhepunkt des Abends, wenn auch der eigentlich­e Zündstoff des Genres in seinen humorvolle­n, oft sozialkrit­ischen, hie und da frivolen Momenten liegt. Die Sopranisti­n schien denn auch in Lehars´ Arie „Meine Lippen, die Küssen so heiß“aus der „Giuditta“mit den Tabubrüche­n der damaligen Zeit zu kokettiere­n.

Musikalisc­he Grenzübers­chreitunge­n wagte Erwin Kiennast, der mit seinem Jazz-Ensemble Elektronik mit perkussive­n Rhythmen und virtuosen Saxophonso­li mischte. Mit Lipperts „Als flotter Geist“aus Strauß’ „Zigeunerba­ron“wollte das allerdings noch nicht recht zusammenge­hen. Erst später im Programm ergaben sich sinnfällig­e Bezüge zu den Nachfolger­n der Operette, dem Musical und der Filmmusik.

Zum Finale ein Medley mit Melodien aus den Werken von Paul Abraham, der Anfang der 1930er-Jahre – vor seiner Flucht ins amerikanis­che Exil – als Operettenk­önig Berlins gefeiert wurde. Unter der Leitung von Ernst Theis debütierte das neu gegründete O-MIA Jugendorch­ester, das sich aus jungen Musikerinn­en und Musikern der Sommerakad­emie der Wiener Philharmon­iker zusammense­tzt. Die St. Florianer Sängerknab­en (Leitung Franz Farnberger) steuerten, apropos Jugend, eine lebhafte „Tritsch-Tratsch“-Polka bei.

Die Zugabe führte in die Gegenwart: Das eigens komponiert­e „Viva O-MIA“könnte durchaus aus einer der aktuellen österreich­ischen Musicalpro­duktion stammen. Fortsetzun­gen folgen.

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