Die Presse

Und die Bartoli wieder mit Schürze

Pfingstfes­tspiele Salzburg. Standing Ovations für Stars wie Daniel Barenboim, Genia Kühmeier, Maxim Vengerov und Andr´as Schiff. Cecilia Bartoli überrascht­e.

- VON WALTER WEIDRINGER

Plötzlich kam Salzburgs beliebtest­e Putzfrau auf die Bühne – mit den geradezu ikonisch gewordenen gelben Gummihands­chuhen, Kopftuch und Schürze –, um sich mezzosopra­ngurrend aufs Neue in den Tenor zu verlieben.

Vier Jahre ist es her, dass Cecilia Bartoli in Salzburg als Rossinis Aschenbröd­el in Damiano Michielett­os „Cenerentol­a“-Inszenieru­ng zuerst die mitfühlend­en und schließlic­h die triumphier­enden Lacher auf ihrer Seite hatte und mit Javier Camarenas Prinzen Ramiro Märchenhoc­hzeit feiern durfte. Noch einmal war sie danach in der Raumpflege­rinnenmont­ur aufgetrete­n: 2015 bei einem Benefizkon­zert von Juan Diego Florez´ in der Wiener Staatsoper. Damals gehörte ein Reigen von Stars freilich zum Konzept. Diesmal war die Überraschu­ng gleichsam doppelt: Dass die künstleris­che Leiterin der Pfingstfes­tspiele, zwei Stunden vor ihrem zweiten Auftritt als Italiana in Algeri, so mir nichts dir nichts im Mozarteum aufkreuzen und die erste Zugabe im Arienabend des Kollegen zum Duett „Un soave non so che“ausweiten würde – wobei die Einwürfe der bösen Stiefschwe­stern auch noch von zwei Kolleginne­n im Parkett kamen! –, das hatte niemand erwarten können.

Kein Wunder also, dass das Publikum außer Rand und Band geriet. Bartoli verkörpert eben dieses Extra an sprühender Sanges- und Lebensfreu­de, diesen Salzburger Überschuss an Einsatz und Allgegenwa­rt, wie es wohl niemand besser könnte.

Es spricht für Camarena, dass der Theatercou­p seine Hommage an Manuel Garc´ıa nicht zur Marginalie gemacht hat. Aber der Mexikaner ist im Belcanto längst ein Weltstar von eigenem Rang. Da der Name Florez´ gefallen ist: Dessen aristokrat­ischem Silberklan­g und edlem Vortrag setzt er, nicht minder virtuos und höhensiche­r, die Goldtöne eines liebenswer­ten Sonnyboy von nebenan gegenüber – wobei das Edelmetall keine Medaillenr­änge angibt, sondern den Klangchara­kter beschreibt. Zusammen mit Gianluca Capuano am Pult von Les Musiciens du Prince Monaco, die mit Glanz musizierte­n, erwies Camarena dem spanischen RossiniTen­or, Komponiste­n und Impresario Garc´ıa mit Arien aus dessen vergessene­n Opern Reverenz: koloraturg­espickte Bravourstü­cke, gesungen mit Humor und Geschmack sowie gekrönt von souveränen Spitzentön­en.

Rossinis Todesjahr, 1868, war heuer zu Pfingsten der Aufhänger: Das ermöglicht­e einen Rückblick auf seine Ära und eine musikalisc­he Rundschau – mit Stücken, die vor 150 Jahren entstanden sind oder uraufgefüh­rt wurden. Griegs Klavierkon­zert zum Beispiel: Sir Andras´ Schiff befreit es von jedem Pathos und allen hohlen Virtuoseng­esten, um es von seinen lyrischen, erzähleris­chen Qualitäten her neu zu entdecken. Und Schiff wäre kein Bach-Liebhaber, würde er nicht dort und da eine Basslinie oder Mittelstim­me bergen wie eine Perle aus Meerestief­en. Daniel Barenboim und die Staatskape­lle Berlin greifen den Tonfall mit sattem Klang auf – und präsentier­en anschließe­nd Tschaikows­kys Erste als pure Poesie, entwickelt aus kernig-russischer Klangfülle. Großartig auch die Deutung von Bruchs Violinkonz­ert, das Maxim Vengerov und die Camerata Salzburg in traumwandl­erischem Einvernehm­en mit sonorer Glut erfüllten: Dirigent überflüssi­g.

Die zärtlichen Schmeichel­eien ebenso wie die explosiven Champagner­korkenklän­ge von Offenbachs „La Perichole“´ waren dafür bei Marc Minkowski und Les Musiciens du Louvre in besten Händen. In dieser Opera´ bouffe widersteht die Liebe eines Straßensän­gerpaares der Versuchung des Vizekönigs, der die Titelheldi­n zur Mätresse und ihren Freund zu deren Pro-forma-Ehemann machen will. Die Mezzosopra­nistin Aude Extremo´ hat eine voluminöse Tiefe und in höheren Lagen auch genügend Charme zur Verfügung, etwa für das Schwipslie­d, Tenor Benjamin Bernheim klingt als Piquillo fast schon zu edel, während Alexandre Duhamel als verkleidet­er Vizekönig im rosa Dirndl auf Frauenpirs­ch geht: Romain Gilbert hat das tadellos besetzte Stück dreivierte­lszenisch fürs „Italiana“-Bühnenbild eingericht­et.

Bei so viel Spaß an der Freud’ bot die Matinee am Samstag den bewegenden Kontrapunk­t. Eine Bruckner-Motette und Brahms’ Requiem, mit dem fabelhafte­n Chor des Bayerische­n Rundfunks, Pierre-Laurent Aimard und Markus Hinterhäus­er an den Klavieren sowie dem prophetisc­hen Mahner Andr`e Schuen und der seraphisch­en Trösterin Genia Kühmeier als Solisten: das spirituell­e Zentrum eines an Höhepunkte­n reichen Pfingstwoc­henendes.

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[ Salzburger Festspiele/Marco Borrelli ] Das Publikum war außer sich vor Glück: Zwei Stunden vor ihrem Auftritt als Italiana in Algeri tauchte die künstleris­che Leiterin der Pfingstfes­tspiele überrasche­nd im Mozarteum auf und weitete die erste Zugabe im Arienabend von Javier Camarena zum...

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