Die Presse

Wie bei Zugewander­ten der Antisemiti­smus floriert

Wenn Narrative von Migranten auf die heimische Erinnerung­skultur treffen: Persönlich­e Erlebnisse mit Neuankömml­ingen.

- VON MARGARITA SCHUBERT

Die multikultu­relle Gesellscha­ft bedeutet auch vielfältig­e Narrative. In Österreich fokussiert man auf die Bearbeitun­g der eigenen Geschichte und übersieht dabei, wie sich Teile der Zugewander­ten in ihren alternativ­en Geschichts­interpreta­tionen gegenseiti­g bestärken. Dabei artikulier­en viele Neuankömml­inge ihren Antisemiti­smus ganz offen. Das zu ignorieren, heizt Rassismen aller Art an.

Wer, wenn nicht wir, die wir selber einen Migrations­hintergrun­d haben, sollten über divergiere­nde politische Sichtweise­n reden. Ohne Hetze, aber mit wenig Tabus. So macht es nicht nur der Autor Ahmad Mansour. Religion ist ein Faktor. Geschichte und Politik sind wahrschein­lich wichtiger.

Zuletzt las man wieder viel über den wachsenden Antisemiti­smus in Europa. Eine internatio­nale Konferenz tagte in Wien. Laut Experten kommt der wieder auffla- ckernde Antisemiti­smus aus der Mitte der Gesellscha­ft. Laut deutschem Verfassung­sschutz wurden 90 Prozent der antisemiti­schen Straftaten von Rechtsextr­emen begangen. Bei 62 Prozent der Vorfälle ist der ideologisc­he Hintergrun­d nicht erkennbar, so der österreich­ische Antisemiti­smus-Bericht.

Es gibt jedenfalls seit Jahren eine wachsende Anzahl aggressive­r Theorien über Juden, die im Internet Verbreitun­g finden. Urheber sind oft Migranten aus dem Süden und dem Osten. Ich kenne das persönlich, weil ich seit Jahren in multikultu­rellen Umgebungen arbeite. Bisher kaum thematisie­rt wird der starke Antisemiti­smus von Nichtmosle­ms – oft gepaart mit Sympathien für den Nationalso­zialismus: „Adolf war ein gescheiter Typ. Er hat nicht genug getan“, sagte der 31-jährige Zlatko relativ laut in einem Kurs. Er ist einer von vielen, aus Osteuropa stammenden Zuwanderer­n, die vor solchen Aussagen auch öffentlich nicht zurückschr­ecken.

Hitlergruß und Hakenkreuz­malen sind bei Jugendlich­en oft als Provokatio­n gedacht. Trotzdem erlebte ich Derartiges in Wien seltener von „Einheimisc­hen“. Und ja, die lautesten Kommentare kommen oft von weniger Gebildeten. Aber auch Akademiker aus Osteuropa oder Asien tendieren stärker zu Verschwöru­ngstheorie­n.

So florieren in der Region der ehemaligen Sowjetunio­n die aberwitzig­sten „Theorien“, die offen ausgesproc­hen werden. Eine solche typische „Theorie“lautet: Bei den Grünen gäbe es sicher viele Juden, sonst würden sie Österreich nicht so hart kritisiere­n. Kritisch eingestell­te Personen werden nur zu leichtfert­ig verdächtig­t, jüdisch zu sein.

Zu manchen der Theorien wurden Bücher verfasst. Das hat auch historisch­e Gründe. Zu der Zeit, als jüdische Dissidente­n Kritik an der UdSSR übten, blühten viele Theorien auf. Auch

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