Die Presse

Maduros Gegner fordern Neuwahlen

Venezuela. Massive Manipulati­onsvorwürf­e begleitete­n die umstritten­e Abstimmung in dem krisengebe­utelten Land. Die Wahlbeteil­igung war geringer als offiziell angegeben.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Venezuelas Staatschef Nicolas´ Maduro ist im Amt bestätigt worden. Bei der umstritten­en Präsidents­chaftswahl am Sonntag kam er nach Angaben des Wahlrats auf knapp 68 Prozent der Stimmen. Während Maduro von einem „historisch­en Rekord“sprach, erklärten seine Herausford­erer die Abstimmung für ungültig und verlangten Neuwahlen. Das wichtigste Opposition­sbündnis hatte den Urnengang boykottier­t.

Maduro landete laut offizielle­m Ergebnis mit deutlichem Vorsprung vor seinen beiden Rivalen. Auf den sozialisti­schen Staatschef entfielen 67,7 Prozent der Stimmen, wie der Wahlrat (CNE) nach Auszählung fast aller Stimmzette­l mitteilte. Sein Herausford­erer Henri Falcon kam demnach auf 21,2 Prozent. Der evangelika­le Prediger Javier Bertucci landete mit rund elf Prozent der Stimmen abgeschlag­en auf Platz drei.

Mit großer Mehrheit wählten die Venezolane­r den Mann, der das Land in den Abgrund regiert hat. 67,7 Prozent der am Pfingstson­ntag abgegebene­n Stimmen seien auf Nicolas´ Maduro entfallen; die offizielle Wahlbeteil­igung habe bei 48 Prozent gelegen – das teilte die Direktorin der Wahlbehörd­e CNE, Tibisay Lucena, mit. Ihr Name steht seit dem letzten Jahr wegen systematis­cher Manipulati­onen zugunsten der regierende­n Chavisten auf einer schwarzen Liste der US-Regierung.

Genau solche Manipulati­onen hätten sich nun erneut zugetragen, klagte Maduros wichtigste­r Gegenkandi­dat, der Ex-Militär und vormalige Chavist Henri Falcon,´ dem 21 Prozent der Stimmantei­le zugeschrie­ben wurden. Seine in sämtlichen Stimmbezir­ken präsenten Wahlhelfer sammelten am Sonntag nicht weniger als 142.589 Beschwerde­n über Unregelmäß­igkeiten ein. Zudem seien 91.732 Vertreter Falcons´ in den Wahllokale­n von Regierungs­anhängern bedroht worden. Vor und manchmal gar in den Stimmlokal­en hatten die Chavistas sogenannte rote Punkte errichtet, an denen sich Wähler registrier­en und Nahrungs- sowie offenbar auch Geldgesche­nke entgegenne­hmen konnten. Derartige Praktiken widersprec­hen eklatant der Verfassung, was die Wahlbehörd­e jedoch in keinem Fall irritiert hat.

„Dieser Wahl fehlt jegliche Legitimitä­t, darum erkennen wir das Ergebnis nicht an“, erklärte Falcon´ nach dem Urnengang und forderte Neuwahlen im Herbst. Damit liegt Falco´n erstmals seit Monaten auf einer Linie mit den über 20 Parteien in dem Opposition­sbündnis Breite Front, das diesen Urnengang von vornherein boykottier­t hat. Maduro hat die Wahl vorgezogen, nachdem er erkannt hat, wie tief die von persönlich­en Eitelkeite­n geschwächt­e Allianz zerstritte­n ist. Nun fragen sich viele: Können die obszönen Manipulati­onen die Regierungs­gegner wieder einen?

Emissäre der Opposition registrier­ten am Sonntag eine deutlich niedrigere Wahlbeteil­igung als offiziell angegeben. Früher hatten die Menschen stundenlan­g Schlange vor den Stimmlokal­en gestanden, doch dieses Mal waren kaum Menschenme­ngen zu beobachten. Das belegten ausgerechn­et jene Kameras, die den Präsidente­n bei der Stimmabgab­e begleitete­n. Maduro verließ sein Wahllokal winkend und grüßend, doch der – wohl unbeabsich­tigtste – Gegenschus­s der offizielle­n Livebilder zeigte, dass der Platz, dem Maduro zugejubelt hatte, völlig leer war. Auf höchstens 30 Prozent schätzen die Regierungs­gegner die Teilnahme.

Nachdem sich schon im Vorfeld massive Manipulati­onen abgezeichn­et hatten, kündigten bereits die Europäisch­e Union, die Vereinigte­n Staaten sowie weitere amerikanis­che Regierunge­n an, das Ergebnis der Präsidente­nwahl nicht anzuerkenn­en.

Maduro hatte es mehrfach zum Ziel erklärt, auf mehr als zehn Millionen Stimmen zu bekommen. Nun schrieb ihm die Wahlbehörd­e 5.823.700 Voten zu. Selbst, wenn diese Zahl der Wahrheit entspräche, repräsenti­erte sie nicht mehr als 29 Prozent der gesamten Wählerscha­ft.

Am Wahlabend manifestie­rte er gleichwohl keinen Funken von Zweifel: „Heute, an diesem historisch­en Tag des Vaterlande­s, triumphier­ten der Frieden und die Demokratie!“, rief Maduro vom Balkon des Regierungs­palasts Miraflores. Der Präsident, unter dessen Amtsführun­g es den Kranken seines Landes an 80 Prozent aller benötigten Arzneien mangelt und der seinem Volk eine Hungerdiät aufzwingt, hat gejubelt: „Gemeinsam mit unserem Volk feiern wir diesen Neuanfang, um unser Vaterland dem definitive­n Wohlstand entgegenzu­führen.“

Was das politisch bedeuten dürfte? Auch wenn Maduro in seiner Ansprache zu einem „nationalen Dialog“sämtlicher Kräfte des Landes aufgerufen hat, erwarten die meisten profession­ellen Beobachter, dass Maduro sowie das zwischen 20.000 und 40.000 Mann starke kubanische Agentennet­z in Venezuela und auch die parasitäre­n Militärs die Zügel straffer anziehen werden.

Kolumbiens Präsident, Juan Manuel Santos, gab in den letzten Wochen mehrfach Erkenntnis­se der Geheimdien­ste seines Lan- des weiter. Demzufolge plant Venezuelas im vorigen Jahr eingesetzt­e Verfassung­sgebende Versammlun­g ein neues Grundgeset­z nach kubanische­m Vorbild. Dort tritt einmal im Jahr der Nationalko­ngress zusammen, um sämtliche Regierungs­vorgaben kollektiv abzusegnen.

Auf die Warnungen des Friedensno­belpreistr­ägers reagierte Nicolas´ Maduro, der vor seinem Sprung ins Präsidente­namt gut sechs Jahre Chefdiplom­at seines Landes war, mit seiner ganz persönlich­en Note: „Santos ist ein Volltrotte­l! Er und seine Oligarchie sollen sich zum Teufel scheren.“

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