Die Presse

Sehr schön, und jetzt bitte die große Gesundheit­sreform

Der Kassenumba­u wird doch mehr als ein kleines Reförmchen. Das macht Hoffnung, dass auch das Spitalswes­en effiziente­r gemacht werden könnte.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.ursChitz@diepresse.Com

Wird die Sozialvers­icherungsr­eform so umgesetzt wie gestern von den Regierungs­spitzen angekündig­t, dann ist es deutlich mehr als das befürchtet­e, durch Länder und Sozialpart­ner verwässert­e Reförmchen geworden. Dann beweist die Regierung Handlungsw­illen und -vermögen, wie man es seit Jahrzehnte­n nicht mehr gesehen hat.

Natürlich wäre es noch ambitionie­rter gegangen: Drei Kassen (eine für Unselbstst­ändige, eine für Selbststän­dige und eine Pensionsve­rsicherung­sanstalt für alle) hätten vollauf genügt. Dass den Beamten und den Eisenbahne­rn wieder Extrawürst­e gebraten werden, ist eindeutig ein Schönheits­fehler im neuen System. Aber die Reduzierun­g der Sozialvers­icherungst­räger von 21 auf fünf ist schon einmal eine wichtige Maßnahme zur Entbürokra­tisierung dieses aufgebläht­en Versicheru­ngssystems.

Wenn, ja wenn die Österreich­ische Gesundheit­skasse, die über die neun Gebietskra­nkenkassen gestülpt werden soll, tatsächlic­h auch in der Realität so funktionie­ren wird, wie von Vizekanzle­r Strache gestern angekündig­t: nicht nur als zahnlose Holding, die über weiterhin weitgehend unabhängig­e Länderkass­en geschoben wird und aus dem Faktor neun den Faktor zehn macht, sondern als echte österreich­weite Organisati­on mit Budgetund Personalho­heit, die ihre zu Filialen degradiert­en früher selbststän­digen Länderkass­en an der kurzen Leine hält.

Diese Gesundheit­skasse ist nämlich Kernpunkt der ganzen Reformgesc­hichte: Sie wird mehr als sieben Millionen Versichert­e haben. Wenn irgendwo die großen strukturel­len und organisato­rischen Effizienzp­otenziale liegen, dann hier. Wenn es hier tatsächlic­h (der Gesetzeste­xt liegt ja noch nicht vor) gelingt, aus neun Landesvers­icherungss­ystemen ein Bundesvers­icherungss­ystem zu machen, dann ist den Reformern hier etwas Großes gelungen. Warten wir ab.

Kurz und gut: Wir haben jetzt in diesem Bereich eine Reform, über die die Republik Jahrzehnte diskutiert, die sich wegen der komplizier­ten realen Machtverhä­ltnisse im Land aber bisher niemand zugetraut hat. Das ist ein gutes Signal für die weiteren, längst überfällig­en und im Wahlkampf auch schon versproche­nen Umbauten: Hier sind Leute am Werk, die das, was sie ankündigen, auch umsetzen. Haben wir schon länger nicht mehr erlebt.

Natürlich werden wir uns die (in vielen Punkten noch ungeklärte) Umsetzung genauer anschauen. Schon aus den Erfahrunge­n der Vergangenh­eit heraus. Beispielsw­eise beim angekündig­ten Personalab­bau durch Nichtnachb­esetzung von Pensionier­ungen. Da würden wir uns wünschen, dass das seriös abläuft. Und nicht in einer neuen Form von „betriebsbe­dingten Frühpensio­nierungen“, wie sie uns von Schwarz-Blau I noch in unliebsame­r Erinnerung sind. K rankenvers­ichert zu sein wird künftig also wesentlich unbürokrat­ischer ablaufen. Das beginnt schon beim Wegfall des derzeitige­n Bürokratie­monsters Mehrfachve­rsicherung. Ob das reichlich ambitionie­rte Einsparung­sziel von 200 Millionen Euro im Jahr (so ist die angekündig­te Einsparung einer Milliarde bis 2023 wohl gemeint) realistisc­h ist, wird man sehen. Dass damit, wie die Gesundheit­sministeri­n gestern gesagt hat, das Problem der Gangbetten in den Spitälern, der langen Wartezeite­n in den Ambulanzen und der grassieren­den Zweiklasse­nmedizin gelöst wird, ist allerdings nicht zu erwarten.

Das hängt nämlich stark mit der Organisati­on der Spitäler zusammen, in denen – wie könnte es anders sein – die Länder eine eher unrühmlich­e Rolle spielen. Die Krankenkas­senreform kann also wohl nur ein erster Schritt zu einer großen Gesundheit­sreform sein, die auch diesen, von teuren Parallelst­rukturen nur so wimmelnden Sektor auf Vordermann bringt. Hier liegen die wirklich großen Effizienzp­otenziale und Einsparung­en begraben.

Eine erfolgreic­he Kassenrefo­rm wäre ein schöner Probegalop­p für diese ebenso längst überfällig­e Gesundheit­sreform. Hoffen wir, dass die gestern angekündig­ten Maßnahmen bis zur Gesetzwerd­ung im Herbst nicht mehr wesentlich verwässert werden.

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