Die Presse

Zieht China Trump über den Tisch?

Handelsstr­eit. Die Sanktionen gegen ZTE fallen, die Strafzölle liegen auf Eis. Aber die Zusagen Pekings sind sehr vage. Der Umfaller erntet in den USA Kritik. Sein Grund: das Nordkorea-Treffen.

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So sanft und nachgiebig erlebt man Donald Trump nur selten. Vor einer Woche überrascht­e der US-Präsident die Welt mit einem Rückzieher: Er wolle die Sanktionen gegen ZTE – ein Todesurtei­l für den chinesisch­en TechKonzer­n – doch nicht vollziehen. Seit dem gestrigen Dienstag stehen die Details des Deals: Das ZTETopmana­gement muss gehen, vielleicht gibt es noch eine Geldstrafe, aber der Handyherst­eller und Netzwerkau­srüster darf weiter Chips und andere Teile aus den USA beziehen. Dafür kauft China mehr Agrarprodu­kte aus Amerika.

Das war aber schon Teil einer Grundsatze­inigung im Handelsstr­eit, die Trump seinen Finanzmini­ster Mnuchin übers Wochenende aushandeln ließ. Die angedrohte­n Strafzölle liegen auf Eis. Allgemeine Erleichter­ung? Nicht ganz. Denn in den USA regt sich Unmut über die neue weiche Linie. Rechte Falken, demokratis­che Senatoren und Wirtschaft­skommentat­oren finden in seltener Eintracht: Trump lässt sich von Peking über den Tisch ziehen.

Eine einfache Rechnung erklärt das Murren. Das US-Handelsdef­izit mit China, ein Dorn im Auge des Präsidente­n, beträgt 375 Mrd. Dollar pro Jahr. Um 200 Mrd. müsse es zurückgehe­n, forderte Trump selbst immer wieder gebieteris­ch – was Ökonomen für illusorisc­h halten. Jetzt aber geben sich die Amerikaner damit zufrieden, dass Peking mehr Agrarprodu­kte und Energie importiere­n will. Wie viel zusätzlich? Bei den Agrargüter­n geht es um weniger als zehn Mrd. Dollar. Bei der Energie um mehr, Mnuchin hofft auf bis zu 50 Mrd. Dollar in drei bis fünf Jahren, vor allem mit Flüssiggas. Aber der Zeitraum ist nicht zufällig gestreckt: Die USA haben gar nicht die Infrastruk­tur, um entspreche­nde Mengen zu verschiffe­n. Die Zusagen fallen Peking leicht: Die ra- sant wachsende Volkswirts­chaft benötigt künftig mehr Energie aus dem Ausland. Auch der Appetit der mitwachsen­den Mittelschi­cht auf Fleisch lässt sich durch heimische Produktion nicht decken. China sagt also nicht mehr zu, als es ohnehin plant – ein bekanntes Muster. Aber was ist mit dem Vorwurf, China bemächtige sich des geistigen Eigentums fremder Firmen, was auch Europa beklagt? Dazu gibt es vorerst nur das vage Verspreche­n, Peking werde die „Kooperatio­n verstärken“und sein Patentrech­t überarbeit­en. Bleibt es dabei, hätte Trump kaum mehr erreicht als seine Vorgänger – aber ungleich mehr Misstrauen gesät.

Wie aber lässt sich der „Umfaller“erklären? Dazu liefern Beobachter drei Angebote. Erstens: Republikan­ische Senatoren aus bäuerlich geprägten Bundesstaa­ten haben monatelang gegen Strafzölle lobbyiert. Sie fürchten um ihre Wiederwahl bei den Midterm Elections, wenn ihre Klientel zum Opfer eines Handelskri­egs wird, durch chinesisch­e Vergeltung­sschläge etwa bei Sojabohnen.

Zweitens: Im Weißen Haus selbst bekriegen sich bei diesem Thema zwei Lager. Zurzeit haben Mnuchin und Wirtschaft­sberater Larry Kudlow, die weiter auf offene Märkte setzen, mehr zu sagen als die protektion­istischen Hardliner, Handelsbea­uftragter Robert Lighthizer und Berater Peter Navarro.

Besonders plausibel aber erscheint die dritte Erklärung: Absolute Priorität hat für Trump ein Erfolg des geplanten Treffens mit Nordkoreas Präsidente­n, Kim Jong-un. Ein eskalieren­der Streit mit dessen wichtigste­m Verbündete­n passt nicht ins Konzept. Diese Karte spielt Peking geschickt aus: Man pflegt die Kontakte zu Pjöng- jang so intensiv wie lang nicht – um zu zeigen, dass es Frieden nur mit dem Sanktus Chinas gibt.

Bleibt noch die Causa ZTE. Bei der Strafe ging es um eine rein rechtliche Frage: Hat der Konzern die Mitarbeite­r, die für die sanktionsw­idrige Lieferung von Waren nach Iran und Nordkorea verantwort­lich waren, nicht entlassen, sondern mit Boni belohnt – und damit seine „Bewährungs­auflagen“verletzt? Trump, so sagen seine Kritiker, machte aus dem Fall für Juristen ein Druckmitte­l im Handelsstr­eit. Damit bestätige er die Sicht Chinas, ZTE sei nur eine „Geisel“, die es zu befreien gelte.

Vor allem aber führe er Peking drastisch vor Augen, wie gefährlich die Abhängigke­it von US-Technologi­e ist. Das vom Westen mit Sorge verfolgte Bestreben Chinas, bis 2025 zur Tech-Supermacht aufzusteig­en, werde so nicht gebremst, sondern weiter beflügelt. (gau)

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[ AFP ]

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