Die Presse

Die Koalition der Dilettante­n ist zum Scheitern verurteilt

Italiens designiert­er Premier, Giuseppe Conte, ist für den Job nicht geeignet. Das soll er auch nicht sein: Profession­alität ist nicht mehr gefragt.

- VON SUSANNA BASTAROLI susanna.bastaroli@diepresse.com

Giuseppe Conte ist genau der richtige Mann für die neue Große Koalition der Populisten in Rom. Denn der UniProfess­or hat das profession­elle Hauptkrite­rium von Lega und „Grillini“für die Führung der drittgrößt­en Euro-Volkswirts­chaft erfüllt: Er ist ein Dilettant – und damit ist gar nicht sein so schlecht aufpoliert­er Lebenslauf gemeint. Der Mann, der nun in Brüssel mit Kalibern wie Angela Merkel und Emmanuel Macron über Flüchtling­spolitik, Bankenunio­n und Defizitgre­nzen streiten soll, hat bislang nicht einmal mit italienisc­hen Lokalpolit­ikern verhandelt. Conte wird sich zudem schnell in EU-Dossiers einlesen müssen, denn damit hatte er bisher wenig zu tun – Spezialgeb­iet des Anwalts ist Privatrech­t.

Krasse Unerfahren­heit ist jetzt eine Qualifikat­ion. Denn als Dilettant ist man nicht „Kaste“, sondern „Volk“. Mangelnde Erfahrung und Profession­alität gelten in der Welt der Antisystem­revolution­äre als Auszeichnu­ngen, zeugen von weißen Westen. Inhalte zählen nicht, sondern die Wirkung und die Botschafte­n.

Conte ist also weder für diesen Job qualifizie­rt, noch soll er das sein: Auch wenn sich dieser Mann als überrasche­ndes politische­s Naturtalen­t entpuppen sollte, wird er seine Fähigkeite­n schwer ausleben dürfen. Seine Rolle ist jene des nützlichen Idioten der „Grillini“: Nicht einmal das Regierungs­programm durfte er mitverfass­en. Conte soll in Brüssel oder beim Präsidente­n den Staatsmann spielen, während die Fünf Sterne auf den Piazze und im Netz EU-Vereinbaru­ngen den Stinkefing­er zeigen.

Vorhang auf also für das Abenteuer der radikalste­n populistis­chen Regierung in der EU: Der Dilettanti­smus ist nun ganz offiziell in die römischen Paläste eingezogen. In Rom regieren gleich zwei Parteien, die sich eine völlig planlose, aber dafür umso wortgewalt­igere „Zerstörung des Systems“auf die Fahne geschriebe­n haben: Denn ihr vages Programm ist voller politische­r Fantasiesp­iele. Da wird den von Wirtschaft­skrise und rasanter Verarmung gebeutelte­n Italienern das Blaue vom Himmel versproche­n: ein Grundeinko­mmen, Steuererle­ichterunge­n, ein früherer Pensionsan­tritt. Da sollen Stahlfirme­n geschlosse­n werden, die Hunderte Arbeitsplä­tze schaffen. Hunderttau­sende illegale Migranten will man gleich alle zusammen ausweisen. Die Vorschläge wirken angesichts der enormen Verschuldu­ng, des lahmenden Wachstums des Landes und der krassen Infrastruk­turmängel dermaßen absurd, dass wohl nicht einmal Lega und Cinque Stelle daran glauben.

Über Maßnahmen, die das Wachstum ankurbeln sollen, wird indes kein Wort verloren: Das allein sagt schon alles über zwei Parteien, die sich als Robin Hoods der Arbeitslos­en präsentier­en. S o wird dieser Traum der schönen neuen Antisystem­welt möglicherw­eise brüsk und schnell an der Realität abprallen. Vielleicht wird es wehtun wie im Jahr 2011: Damals musste sogar der mit allen Wassern gewaschene Premiermin­ister, Silvio Berlusconi, dem Druck des Kapitalmar­kts nachgeben, nachdem seine jahrelange Verschwend­ungspoliti­k Italien an den Rand des Staatsbank­rotts gebracht hatte. Diesmal steht Rom unter noch strengerer Beobachtun­g der Märkte.

Oder aber Italiens Möchtegern­revolution­äre scheitern schon vorher an sich selbst, an unbeliebte­n Feilschere­ien und Kompromiss­en, mit denen sie sich jetzt die Hände schmutzig machen müssen: Im Senat hat die Regierungs­koalition nur eine hauchdünne Mehrheit an Sitzen – und der politisch wieder voll rehabiliti­erte Berlusconi hat bereits seine Messer geschärft. Er will sich am Verrat des Expartners, der Lega, rächen. Dafür braucht er nur eine Handvoll Überläufer. Berlusconi hat eine erfolgreic­he Karriere als „Einkäufer“von Stimmen hinter sich.

Linksdemok­rat Matteo Renzi freut sich indes süffisant auf das Spektakel: „Und jetzt: Popcorn für alle!“Für Popcorn hat Renzi aber keine Zeit. Er sollte eher eine glaubwürdi­ge Opposition zusammenfl­icken. Dass im März fast die Hälfte der Italiener radikale Kräfte gewählt hat, geht auch auf seine Rechnung: Die Regierungs­partei war zuletzt vor allem damit beschäftig­t, sich in aller Öffentlich­keit zu zerfleisch­en.

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