Die Presse

EU-Kritik an schlechter Integratio­n

Länderempf­ehlung an Österreich. Auf dem Arbeitsmar­kt und im Bildungsbe­reich haben Nicht-EU-Bürger hierzuland­e dramatisch­e Nachteile gegenüber Inländern.

-

Wien. Die Integratio­n von NichtEU-Bürgern in Österreich lässt großen Raum für Verbesseru­ngen: Das gilt sowohl für den Arbeitsmar­kt als auch für das Bildungssy­stem, wie wirtschaft­spolitisch­e Berater der EU-Kommission am gestrigen Donnerstag im Rahmen der länderspez­ifischen Empfehlung­en des Europäisch­en Semesters in Wien betonten. Die Beschäftig­ungsquote der Zuwanderer liegt hierzuland­e 17 Prozent unter jener von EU-Bürgern. Besonders gering Qualifizie­rte sind häufig von Arbeitslos­igkeit betroffen – und die Probleme gehen schon in der Schule los: So ist die Leistung von Schülern mit Migrations­hintergrun­d oft dramatisch schlechter als jene von Inländern und anderen EU-Bürgern. Das zeige unter anderem die Wichtigkei­t von zusätzlich­er Sprachförd­erung, so die Experten.

Weitere Punkte, die der EUKommissi­on bei Österreich Sorgen bereiten, sind vielfach altbekannt: Das Pensionssy­stem müsse nach- haltiger gestaltet werden, heißt es. Das Antrittsal­ter von Männern und Frauen soll schneller als geplant angegliche­n werden. Eine völlige Angleichun­g ist derzeit erst für 2033 vorgesehen.

Lob für Kassenrefo­rm

Auch beim Gesundheit­ssystem sieht Brüssel nach wie vor Reformbeda­rf: So liegen die öffentlich­en Ausgaben des Staates in diesem Bereich bei 3800 Euro pro Kopf, während es im EU-Schnitt nur 2800 Euro sind. Die Experten kritisiere­n, dass der Krankenhau­ssektor das Gesundheit­ssystem dominiere. Viele stationäre Aufenthalt­e könnten – insbesonde­re bei chronisch Kranken – durch eine bessere Primärvers­orgung verhindert werden. Die jüngst durch die türkis-blaue Regierung erfolgte Zusammenle­gung der Krankenkas­sen sei ein erster Schritt bei der Reduktion der Verwaltung­skosten.

Auch das österreich­ische Steuersyst­em entspricht trotz Reform 2016 nicht zur Gänze den Brüsse- ler Vorstellun­gen. Die Steuerlast für die Bevölkerun­g sei nach wie vor hoch. „Zusätzlich­es Wachstum könnte durch eine Verlagerun­g zu Immobilien­steuern erzielt werden“, schlagen die Experten vor.

Zudem wünscht sich die Kommission eine höhere Vollzeiter­werbstätig­keit für Frauen: Derzeit liegt die Teilzeitbe­schäftigun­gsquote hierzuland­e bei fast 50 Prozent. Viele Frauen würden lieber mehr arbeiten, in den Bundesländ­ern (Wien ist eine Ausnahme) aber fehlt es häufig an ganztägige­n Kinderbetr­euungseinr­ichtungen.

Um einen positiven Anreiz zur schrittwei­sen Durchführu­ng der empfohlene­n Maßnahmen zu schaffen, will Brüssel ab dem nächsten langjährig­en Finanzrahm­en 2021 – 2027 einen stärkeren Konnex zwischen dem Europäisch­en Semester und den Strukturfö­rderungen im EU-Budget schaffen. Bestrafung­en bei Nichterfül­lung der länderspez­ifischen Empfehlung­en soll es aber nicht geben, betont die Kommission. (aga)

Newspapers in German

Newspapers from Austria