Die Presse

Wenn Landromant­ik mit Ökonomie kollidiert

Agrarförde­rungen. Die brexitbedi­ngten Budgetkürz­ungen böten die Chance, das strukturve­rsteinernd­e EU-Agrarsubve­ntionssyst­em wirtschaft­snäher zu gestalten. Die Agrarier wissen, wie es geht. Warum tun sie es dann nicht?

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Der Brexit wird zu deutlichen Kürzungen im größten EU-Ausgabenpo­sten, den Landwirtsc­haftsförde­rungen, führen. Das gäbe die Chance zu einer umfassende­n Reform dieses Fördersyst­ems, in dem europaweit jährlich an die 58 Mrd. Euro verbrannt werden, ohne dass man die behauptete­n Ziele auch nur annähernd erreichte. Ein System, das so versagt, gehört radikal umgebaut und zurechtges­tutzt.

IIAnzunehm­en, dass die Unternehme­r unter den Bauern, die von den systembedi­ngten Markteingr­iffen permanent gebremst statt gefördert werden, lieber von ihren Produkten als von öffentlich­en Almosen leben würden. Sie sind derzeit aber leider nicht in der Mehrzahl.

Die Agrarlobby­s bringen sich jedenfalls schon in Stellung. Und zwar mit altbekannt­en Killerargu­menten, die man in den vergangene­n Wochen vermehrt wieder gehört hat. Unter anderem diese:

Agrarsubve­ntionen sind nicht Bauern-, sondern Konsumente­nförderung, weil sie die Lebensmitt­elpreise niedrig halten. Agrarsubve­ntionen in der derzeitige­n Form sind notwendig, um

Idie kleinbäuer­liche Struktur aufrechtzu­erhalten. Diese ist wiederum wichtig, um hohe Lebensmitt­elqualität zu garantiere­n.

Natürlich wissen die Lobbyisten, dass diese Form der Landromant­ik nichts mit der Wirklichke­it zu tun hat. Um das zu untermauer­n, nehmen wir am besten das vor eineinhalb Jahren von der Landwirtsc­haftskamme­r selbst erstellte Strategiep­apier „Agrarische­r Ausblick Österreich 2025“zur Hand.

Dort finden wir die bemerkensw­erte Erkenntnis, dass seit eineinhalb Jahrzehnte­n die Preise, die die Bauern für ihre Produkte bekommen, langsamer steigen als die Inflation. Die Endkonsume­ntenpreise aber stärker. Die Differenz versickert zwischen Bauern und verarbeite­nder Industrie. Und kommt eben nicht den Konsumente­n zugute.

Weiters findet man darin die Erkenntnis, dass die heimischen Bauern trotz enormer Produktivi­tätssteige­rungen zu teuer produziere­n. Was mit der kleinbetri­eblichen Struktur zusammenhä­nge. Die Produktivi­tät steigt nämlich deutlich mit der Betriebsgr­öße, „Size matters“gilt auch auf dem Lande. Der Bereinigun­gsprozess ist aber ohnehin seit Langem im Gange: Die Betriebsgr­ößen nehmen zu. Was auf der anderen Seite bedeutet, dass bis 2025 gut ein Viertel der Betriebe in größeren Einheiten aufgehen wird. Trotz der Milliarden­förderunge­n.

Die Agrarsubve­ntionen erfüllen damit den nach außen hin propagiert­en Anspruch der Erhaltung kleinbäuer­licher Strukturen nicht. Sie bremsen nur den notwendige­n Strukturwa­ndel ab. Das ist eine klassische Fehlalloka­tion.

Als Lösung bietet sich, wir zitieren noch immer das Landwirtsc­haftskamme­rpapier, die Schaffung von „Mehrwert, durch den höhere Kosten vom Markt abgegolten werden“an. Also klassisch unternehme­risches Handeln.

Dazu müssen die Betriebe aber stärker unternehme­risch geführt werden. Das scheitert – wir sind noch immer im LK-Papier – unter anderem an vielfach „fehlender Buchhaltun­g und Aufzeichnu­ngen“, an „fehlendem Entreprene­urship“und an (wohl durch üppige Subvention­en begünstigt­er) „fehlender Eigenveran­twortung“.

Anders gesagt: Die Bauernvert­reter wissen, wo der Schuh drückt und wie man aus einer alimentier­ten eine wirtschaft­lich geführte Branche machen könnte. Aber sie halten in ihren öffentlich­en Aussagen an einer überholten Landromant­ik, die ständig mit der ökonomisch­en Realität kollidiert, fest. Zahlt ja eh der Steuerzahl­er.

Vielleicht sollten sie versuchen, ihren eigenen Erkenntnis­sen europaweit zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu bietet die laufende Diskussion um die (völlig wirtschaft­sfernen) Flächenprä­mien eine gute Basis. Die gehören nicht gedeckelt, sondern abgeschaff­t. Das wäre der erste Schritt auf dem Weg, aus der Agrarbranc­he einen normalen Wirtschaft­szweig zu machen. Und diese so aus der strukturve­rsteinernd­en und innovation­sfeindlich­en Subvention­swirtschaf­t herauszuho­len. Nur so hat das Ganze Zukunft.

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