Wenn Landromantik mit Ökonomie kollidiert
Agrarförderungen. Die brexitbedingten Budgetkürzungen böten die Chance, das strukturversteinernde EU-Agrarsubventionssystem wirtschaftsnäher zu gestalten. Die Agrarier wissen, wie es geht. Warum tun sie es dann nicht?
Der Brexit wird zu deutlichen Kürzungen im größten EU-Ausgabenposten, den Landwirtschaftsförderungen, führen. Das gäbe die Chance zu einer umfassenden Reform dieses Fördersystems, in dem europaweit jährlich an die 58 Mrd. Euro verbrannt werden, ohne dass man die behaupteten Ziele auch nur annähernd erreichte. Ein System, das so versagt, gehört radikal umgebaut und zurechtgestutzt.
IIAnzunehmen, dass die Unternehmer unter den Bauern, die von den systembedingten Markteingriffen permanent gebremst statt gefördert werden, lieber von ihren Produkten als von öffentlichen Almosen leben würden. Sie sind derzeit aber leider nicht in der Mehrzahl.
Die Agrarlobbys bringen sich jedenfalls schon in Stellung. Und zwar mit altbekannten Killerargumenten, die man in den vergangenen Wochen vermehrt wieder gehört hat. Unter anderem diese:
Agrarsubventionen sind nicht Bauern-, sondern Konsumentenförderung, weil sie die Lebensmittelpreise niedrig halten. Agrarsubventionen in der derzeitigen Form sind notwendig, um
Idie kleinbäuerliche Struktur aufrechtzuerhalten. Diese ist wiederum wichtig, um hohe Lebensmittelqualität zu garantieren.
Natürlich wissen die Lobbyisten, dass diese Form der Landromantik nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Um das zu untermauern, nehmen wir am besten das vor eineinhalb Jahren von der Landwirtschaftskammer selbst erstellte Strategiepapier „Agrarischer Ausblick Österreich 2025“zur Hand.
Dort finden wir die bemerkenswerte Erkenntnis, dass seit eineinhalb Jahrzehnten die Preise, die die Bauern für ihre Produkte bekommen, langsamer steigen als die Inflation. Die Endkonsumentenpreise aber stärker. Die Differenz versickert zwischen Bauern und verarbeitender Industrie. Und kommt eben nicht den Konsumenten zugute.
Weiters findet man darin die Erkenntnis, dass die heimischen Bauern trotz enormer Produktivitätssteigerungen zu teuer produzieren. Was mit der kleinbetrieblichen Struktur zusammenhänge. Die Produktivität steigt nämlich deutlich mit der Betriebsgröße, „Size matters“gilt auch auf dem Lande. Der Bereinigungsprozess ist aber ohnehin seit Langem im Gange: Die Betriebsgrößen nehmen zu. Was auf der anderen Seite bedeutet, dass bis 2025 gut ein Viertel der Betriebe in größeren Einheiten aufgehen wird. Trotz der Milliardenförderungen.
Die Agrarsubventionen erfüllen damit den nach außen hin propagierten Anspruch der Erhaltung kleinbäuerlicher Strukturen nicht. Sie bremsen nur den notwendigen Strukturwandel ab. Das ist eine klassische Fehlallokation.
Als Lösung bietet sich, wir zitieren noch immer das Landwirtschaftskammerpapier, die Schaffung von „Mehrwert, durch den höhere Kosten vom Markt abgegolten werden“an. Also klassisch unternehmerisches Handeln.
Dazu müssen die Betriebe aber stärker unternehmerisch geführt werden. Das scheitert – wir sind noch immer im LK-Papier – unter anderem an vielfach „fehlender Buchhaltung und Aufzeichnungen“, an „fehlendem Entrepreneurship“und an (wohl durch üppige Subventionen begünstigter) „fehlender Eigenverantwortung“.
Anders gesagt: Die Bauernvertreter wissen, wo der Schuh drückt und wie man aus einer alimentierten eine wirtschaftlich geführte Branche machen könnte. Aber sie halten in ihren öffentlichen Aussagen an einer überholten Landromantik, die ständig mit der ökonomischen Realität kollidiert, fest. Zahlt ja eh der Steuerzahler.
Vielleicht sollten sie versuchen, ihren eigenen Erkenntnissen europaweit zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu bietet die laufende Diskussion um die (völlig wirtschaftsfernen) Flächenprämien eine gute Basis. Die gehören nicht gedeckelt, sondern abgeschafft. Das wäre der erste Schritt auf dem Weg, aus der Agrarbranche einen normalen Wirtschaftszweig zu machen. Und diese so aus der strukturversteinernden und innovationsfeindlichen Subventionswirtschaft herauszuholen. Nur so hat das Ganze Zukunft.