Investoren als Sicherheitsrisiko
Globalisierung. Wie soll sich Europa gegen den Ausverkauf von Schlüsseltechnologien verteidigen? Der Vorschlag für ein gemeinsames Prüfsystem droht in Brüssel zu versacken.
Brüssel. Das Vorhaben, einen europäischen Rahmen für die Prüfung von sicherheitsgefährdenden ausländischen Investitionen zu schaffen, nimmt nach monatelanger Verzögerung Fahrt auf. Am kommenden Montag wird der zuständige Ausschuss für Handelspolitik im Europaparlament seine Version für die Verhandlungen mit den nationalen Regierungen beschließen. Diese wiederum dürften noch vor dem Sommer ihre Position festlegen. Ein Herzensanliegen des französischen Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, und von Kommissionschef Jean-Claude Juncker könnte somit bald Wirklichkeit werden. Also alles eitel Wonne in der Frage des Schutzes europäischer Schlüsseltechnologien und essenzieller Infrastrukturen?
Mitnichten. Der Vorschlag der Kommission für die Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union droht im Gezerre zwischen Europaparlament und Rat zu versacken. Während übereifrige Parlamentarier den schlanken, auf wesentliche Fragen beschränkten Kommissionsentwurf mit politisch unrealistischen Hinzufügungen überfrachten, pochen misstrauische Regierungen auf den höchstmöglichen Schutz vertraulicher Unternehmensinformationen und vor allem darauf, dass das letzte Wort darüber, ob eine europäische Firma an einen Investor aus einem Drittstaat verkauft werden darf, bei der Regierung des jeweiligen Staates bleibt. Zudem wird das Parlament ab Oktober wegen des Europawahlkampfs seine gesetzgeberische Tätigkeit drastisch reduzieren, während der Brexit sowie der EU-Budgetrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 in allen Institutionen Kapazitäten beanspruchen werden.
Der Hafen von Piräus, ein Weckruf
In der Sache geht es um ein Problem, das sich am Hafen von Piräus veranschaulichen lässt. Im Jahr 2016 übernahm der chinesische Staatskonzern Cosco die Mehrheit an diesem griechischen Schlüsselunternehmen. Einerseits war diese Geldspritze aus China für die händeringend nach ausländischen Investoren suchende griechische Regierung höchst willkommen. Andererseits jedoch sieht es danach aus, als hätte sich Athen mit Coscos Einstieg ein handfestes Problem eingehandelt. Im heurigen April wurde bekannt, dass das EU-Antibetrugsamt Olaf gemeinsam mit italienischen Finanzstrafbehörden wegen Verdachts des bandenmäßigen Mehrwertsteuerbetrugs chinesischer Gruppen im Hafen ermittelt.
Derartige Übernahmen, welche die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung be- drohen können, werden schon jetzt in zwölf Mitgliedstaaten (darunter Österreich) von Regierungsstellen geprüft. Die Kommission schlägt vor, dass solche Prüfungen künftig allen Mitgliedstaaten kundgemacht werden. Das soll erstens jedes Projekt betreffen, das EU-Förderungen erhält, zweitens Übernahmen in den Bereichen Energie, Transport, Kommunikation, Datenspeicherung, Raumfahrt und Finanzinfrastruktur, drittens Über-
AUF EINEN BLICK
Verdächtige Investitionen aus Drittstaaten sollen künftig EU-weit kontrolliert werden. Am Montag wird sich der zuständige Ausschuss im Europaparlament auf eine diesbezügliche EU-Verordnung einigen, die nationalen Regierungen dürften im Juni oder Juli ihre Position festlegen. Problematisch ist jedoch die Liste der Sektoren von Firmen, die im Fall eines Investors aus einem Drittstaat aus Sicherheitsgründen einer Prüfung unterworfen werden sollen. nahmen, welche die Versorgung mit entscheidenden Rohstoffen betreffen, viertens Schlüsseltechnologien wie Robotik oder Halbleiter und fünftens alles, was den Zugang zu vertraulicher Information betrifft.
Dem EU-Parlament geht dieser Entwurf sichtlich nicht weit genug. Über 474 Änderungsanträge wird am Montag in Straßburg abgestimmt, darunter finden sich auch Begehren, die beim Rat keine Zustimmung finden werden – etwa jenes, auch Übernahmen in der Landwirtschaft in diese Liste aufzunehmen, oder jenes, Gewerkschaften zu ermächtigen, so eine Investitionsprüfung zu initiieren. „Das könnte als Protektionismus gesehen werden“, warnt eine Person, die mit diesem Gesetzgebungsverfahren eng vertraut ist, im Gespräch mit der „Presse“. „Wir wollen damit ja nicht die Übernahmen an sich stoppen. Ausländische Direktinvestitionen sind für die wirtschaftliche Erholung der Mitgliedstaaten enorm wichtig.“