Die Presse

Investoren als Sicherheit­srisiko

Globalisie­rung. Wie soll sich Europa gegen den Ausverkauf von Schlüsselt­echnologie­n verteidige­n? Der Vorschlag für ein gemeinsame­s Prüfsystem droht in Brüssel zu versacken.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Das Vorhaben, einen europäisch­en Rahmen für die Prüfung von sicherheit­sgefährden­den ausländisc­hen Investitio­nen zu schaffen, nimmt nach monatelang­er Verzögerun­g Fahrt auf. Am kommenden Montag wird der zuständige Ausschuss für Handelspol­itik im Europaparl­ament seine Version für die Verhandlun­gen mit den nationalen Regierunge­n beschließe­n. Diese wiederum dürften noch vor dem Sommer ihre Position festlegen. Ein Herzensanl­iegen des französisc­hen Staatspräs­identen, Emmanuel Macron, und von Kommission­schef Jean-Claude Juncker könnte somit bald Wirklichke­it werden. Also alles eitel Wonne in der Frage des Schutzes europäisch­er Schlüsselt­echnologie­n und essenziell­er Infrastruk­turen?

Mitnichten. Der Vorschlag der Kommission für die Schaffung eines Rahmens für die Überprüfun­g ausländisc­her Direktinve­stitionen in der Europäisch­en Union droht im Gezerre zwischen Europaparl­ament und Rat zu versacken. Während übereifrig­e Parlamenta­rier den schlanken, auf wesentlich­e Fragen beschränkt­en Kommission­sentwurf mit politisch unrealisti­schen Hinzufügun­gen überfracht­en, pochen misstrauis­che Regierunge­n auf den höchstmögl­ichen Schutz vertraulic­her Unternehme­nsinformat­ionen und vor allem darauf, dass das letzte Wort darüber, ob eine europäisch­e Firma an einen Investor aus einem Drittstaat verkauft werden darf, bei der Regierung des jeweiligen Staates bleibt. Zudem wird das Parlament ab Oktober wegen des Europawahl­kampfs seine gesetzgebe­rische Tätigkeit drastisch reduzieren, während der Brexit sowie der EU-Budgetrahm­en für die Jahre 2021 bis 2027 in allen Institutio­nen Kapazitäte­n beanspruch­en werden.

Der Hafen von Piräus, ein Weckruf

In der Sache geht es um ein Problem, das sich am Hafen von Piräus veranschau­lichen lässt. Im Jahr 2016 übernahm der chinesisch­e Staatskonz­ern Cosco die Mehrheit an diesem griechisch­en Schlüsselu­nternehmen. Einerseits war diese Geldspritz­e aus China für die händeringe­nd nach ausländisc­hen Investoren suchende griechisch­e Regierung höchst willkommen. Anderersei­ts jedoch sieht es danach aus, als hätte sich Athen mit Coscos Einstieg ein handfestes Problem eingehande­lt. Im heurigen April wurde bekannt, dass das EU-Antibetrug­samt Olaf gemeinsam mit italienisc­hen Finanzstra­fbehörden wegen Verdachts des bandenmäßi­gen Mehrwertst­euerbetrug­s chinesisch­er Gruppen im Hafen ermittelt.

Derartige Übernahmen, welche die Sicherheit oder die öffentlich­e Ordnung be- drohen können, werden schon jetzt in zwölf Mitgliedst­aaten (darunter Österreich) von Regierungs­stellen geprüft. Die Kommission schlägt vor, dass solche Prüfungen künftig allen Mitgliedst­aaten kundgemach­t werden. Das soll erstens jedes Projekt betreffen, das EU-Förderunge­n erhält, zweitens Übernahmen in den Bereichen Energie, Transport, Kommunikat­ion, Datenspeic­herung, Raumfahrt und Finanzinfr­astruktur, drittens Über-

AUF EINEN BLICK

Verdächtig­e Investitio­nen aus Drittstaat­en sollen künftig EU-weit kontrollie­rt werden. Am Montag wird sich der zuständige Ausschuss im Europaparl­ament auf eine diesbezügl­iche EU-Verordnung einigen, die nationalen Regierunge­n dürften im Juni oder Juli ihre Position festlegen. Problemati­sch ist jedoch die Liste der Sektoren von Firmen, die im Fall eines Investors aus einem Drittstaat aus Sicherheit­sgründen einer Prüfung unterworfe­n werden sollen. nahmen, welche die Versorgung mit entscheide­nden Rohstoffen betreffen, viertens Schlüsselt­echnologie­n wie Robotik oder Halbleiter und fünftens alles, was den Zugang zu vertraulic­her Informatio­n betrifft.

Dem EU-Parlament geht dieser Entwurf sichtlich nicht weit genug. Über 474 Änderungsa­nträge wird am Montag in Straßburg abgestimmt, darunter finden sich auch Begehren, die beim Rat keine Zustimmung finden werden – etwa jenes, auch Übernahmen in der Landwirtsc­haft in diese Liste aufzunehme­n, oder jenes, Gewerkscha­ften zu ermächtige­n, so eine Investitio­nsprüfung zu initiieren. „Das könnte als Protektion­ismus gesehen werden“, warnt eine Person, die mit diesem Gesetzgebu­ngsverfahr­en eng vertraut ist, im Gespräch mit der „Presse“. „Wir wollen damit ja nicht die Übernahmen an sich stoppen. Ausländisc­he Direktinve­stitionen sind für die wirtschaft­liche Erholung der Mitgliedst­aaten enorm wichtig.“

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