Fußball spielen, mit Eseln spazieren, Apero-Kultur testen
Urlaub mit Kindern soll allen gleich gut gefallen. Ein kleiner Ort im Südosten Sardiniens hat etwas von einer Modellregion.
Was ist ein ideales Familienhotel? Was ist eine ideale Familienurlaubsregion? Wenn einzig und allein die Kinder im Mittelpunkt stehen? Wenn sich das gesamte Programm ausschließlich an den Bedürfnissen des Nachwuchses ausrichtet und sich auch die dazugehörigen Eltern von Animation, Einrichtung und Angeboten auf infantiles Niveau begeben dürfen oder müssen? Falsch. Dann handelt es sich um ein reines Kinderhotel oder eine Kinderurlaubsregion. Das mag denen gefallen. Nur was wird dann aus der Erholung und Unterhaltung der Eltern? Eben.
Es geht aber eben auch alles. Eine mögliche Modellregion ist jene um den südostsardischen Ort Villasimius, der schon wie Groß und Klein klingt. Bekannt ist er zu Recht für seine feinsandigen, hellen Strände, seine einsamen felsigen Buchten, sein karibikblaues Wasser und sein hippes Nachtleben. Einziger Wermutstropfen: Es windet mitunter heftig, aber vielleicht will ja ein Familienmitglied surfen oder skiten lernen.
Kurzer historischer Abriss: Schon Nuragher, Phönizier, Römer, Spanier, Adel, Bürgertum, Künstler und Literaten gaben sich in hier ein Stelldichein, wie der Reiseführer verrät. Das augenblicklich knapp 3500 Einwohner zählende Dorf, das zuvor Carbonara hieß, wurde seit den 1960ern Trendziel von Cagliaritanern und Urlaubern.
Die Via del Mare und die Piazza Giovanni sind der Mittelpunkt von Villasimius. Hier trifft man sich ab acht Uhr abends, wenn die Tagestouristen weggefahren sind. Ganz in der Nähe liegt die einladende Trattoria Stella d’Oro, in der Ernst Jünger in den 1950er-Jahren gewohnt hat, als er „Am Sarazenenturm“schrieb. Die Mütter und Väter müssen schließlich die Bildung hochhalten. Weiters auf dieser Linie: Neben den Ruinen aus der Zeit um 1900 v. Chr. und einem phönizisch-römischen Heiligtum aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. hat man im Gemeindegebiet von Villasimius die Überreste einer Nekropole aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., einer römischen Therme aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. und einer mittelalterlichen Festung gefunden. Und so weiter und so fort.
Wirklich bezaubernd und eine schöne Idee für alle Hipster-Urlaube sind die winzigen Shuttle-Busse (A.R.S.T Bus), die sie von Strand zu Strand bringen und die bei der viel zitierten notwendigen Entschleunigung enorm helfen: Die kleine Navetta-Flotte bringt alle um ein paar Münzen zu fast jeder Station. Schön langsam und mit viel Palaver der garantiert lokalen Fahrer. Gut für die Elternnerven.
Und dann gibt es da noch ein passendes Hotel, die Falkensteiner-Gruppe hat vor wenigen Jahren das Capo-Boi-Hotel erworben und zu einem Vorzeigehotel umgebaut und organisiert. Neben schön schlichter Inneneinrichtung, hoher Apero-Kultur (wichtig!), guter Küche und einer schönen Pool- und Strandlandschaft bietet es zwei Kinder-Assets, einmal mehr für Mädchen, einmal mehr für Buben (keine Sorge, natürlich geht das gendergerecht übergreifend!). Einmal wären da die Esel Angelino, Giorgina and Luigi, die gefüttert, gestreichelt und spazieren geführt werden dürfen. Ursprünglich durften sie sogar frei herumlaufen, nach einem ausgiebigen Buffetbesuch zum freudigen Quietschen einiger junger Hotelgäste wurde ihnen aber eine großzügige Freilauf-Suite zugeteilt. Zudem hat man hier ein unglaubliches Fußballangebot: Der lokale Insel-Meister, dem die Begeisterung fast aller Sarden weltweit ge- hört und der schon einmal in der Landesliga Erfolge feiert, schickt ein, zwei Profispieler in der Hochsaison zum Training mit den Nachwuchs-Fußballer-Touristen vorbei. Manche Väter schauen dann sehr sehnsüchtig, aber, wie vorher versichert, möglicherweise auch Mütter. Ach ja: Pasta für alle vom Baby bis zum Opa gibt es immer, Chanel und Uhrenmarken stellen mitunter ihren Luxus aus, Meeresausflüge mit oder ohne Tauchflasche sind Pflicht, und wandern kann man auch noch. Einziger Dauerstress sehr frei nach Ernst Jünger: Keiner hat so viel Zeit. Leider.