Die diplomatischen Verwirrspiele des Donald Trump
Interview. Der frühere US-Diplomat David Shear plädiert für eine Verschiebung des Nordkorea-Treffens, die Differenzen seien zu groß.
Will er oder will er nicht? Donald Trump macht es bezüglich seines für den 12. Juni in Singapur geplanten Gipfeltreffens mit Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, spannend: Nach einer wütenden Absage folgte ein halbherziges Entgegenkommen und nun die überraschende Ankündigung: „Also schauen wir auf den 12. Juni in Singapur. Das hat sich nicht geändert. Wir werden sehen, was passiert.“
Was sagen Sie zu Donald Trumps Zickzackkurs rund um seinen Gipfel mit Kim Jong-un? David Shear: Die ursprüngliche Absage war die richtige Entscheidung. Beide Seiten haben zu schnell geplant, ihre Positionen sind zu unterschiedlich. Der Gipfel könnte schlecht ausgehen, falls er wirklich am 12. Juni stattfindet. Dieser Termin wäre gefährlicher als eine Verschiebung. Man muss jetzt erst Differenzen ausräumen, an einem neuen Termin arbeiten.
Sie plädieren also für ein späteres Treffen? Dann wären die Erfolgschancen am größten. Sowohl für Trump als auch für Kim wäre es eine Niederlage, wenn das Treffen nicht stattfinden würde. Es ist gut, dass Gespräche stattfinden. Beide Seiten wollen diesen Gipfel. Die Frage ist aber, wann er stattfinden soll.
Trump warnte zuletzt erneut Nordkorea, die USA wären zum Militärschlag bereit. Die Kriegsgefahr besteht, sollte der Gipfel nicht stattfinden. Momentan bin ich aber verhalten optimistisch, vorausgesetzt, die Verhandlungen werden fortgeführt.
Wann sollte es Ihrer Meinung nach zu einem Treffen kommen? Nordkorea hat klargemacht, dass es vorab nicht garantieren will, alle nuklearen Waffen aufzugeben. Die USA sind bisher nicht bereit, von dieser Forderung abzuweichen. Hier muss es zu einer Annäherung kommen, ehe sich Trump und Kim an einen Tisch setzen. Besser ein bisschen warten, als überhastet hineinzustürzen. Das macht mehr Sinn, als bloß Ort und Datum festzulegen, ohne über Details gesprochen zu haben.
Geht Trump da richtig vor? Genau das ist das Problem. Nordkorea wird seine Atomwaffen nicht aufgeben, ohne den USA vorab Zugeständnisse abzuringen. Deshalb ist die Gefahr groß, dass der Gipfel zu einem schlechten Deal für die USA führt. In jedem Fall werden aber beide Seiten daheim ein Treffen als großen Erfolg verkaufen.
Wie könnte ein schlechter Deal aussehen? Das typische Beispiel wäre eine halbherzige Abmachung, die nicht die komplette, unumkehrbare und nachweisbare Denuklearisierung umfasst. Trump sagt zwar, dass er sich darauf nicht einlassen würde. Aber so sicher bin ich nicht: Er hat ein scheinbar erfolgreiches Treffen bitter nötig.
Was wäre das ideale Ergebnis des Gipfels? Im Idealfall vereinbaren Trump und Kim einen detaillierten Prozess der schrittweisen Denuklearisierung. Dieser Prozess muss zeitlich genau festgelegt werden.
Was wäre ein realistischer Zeitrahmen für Nordkoreas Denuklearisierung? Schwer zu sagen. Typischerweise kennen die Nordkoreaner nur eine Taktik: jene der Verzögerung. Genau das haben sie auch im Oktober 2000 versucht, als ich mit Madeleine Albright (damalige Außenministerin, Anm.) in Pjöngjang war. Damals waren im Vorfeld die Hoffnungen groß, genauso wie heute.
Das Treffen damals sollte zu einem Gipfel zwischen Kim Jongil und Bill Clinton führen. Dazu kam es nie, einerseits wegen Nordkoreas Verzögerungstaktik, andererseits weil uns die Zeit davonlief. George W. Bush wurde kurz danach gewählt und der designierte Präsident machte klar, dass er einen Besuch Clintons in Pjöngjang nicht gutheiße.
Vielleicht ist kein Treffen besser als ein schlechtes Treffen. Und wenn der Gipfel zwischen Kim und Trump im Streit endet? Wir sollten diese Gefahr keinesfalls unterschätzen. Das Risiko ist enorm. Wenn das Treffen schiefgeht, sind wir dort, wo wir vergangenen Herbst waren. Krieg ist eine Möglichkeit: eine Katastrophe nicht nur für Südkorea, sondern für die gesamte Region, ja die ganze Welt.
In Ihrer Tätigkeit als Botschafter und Pentagon-Beamter haben Sie viele US-Präsidenten kommen und gehen sehen. Wie schätzen Sie Trumps Arbeit ein? Seine außenpolitische Strategie unterscheidet sich von seinen Vorgängern. Er lässt seine Wähler, die Basis, nie aus den Augen. Dazu passt seine „America First“-Politik in Handels- und Sicherheitsfragen. In Asien und Europa sorgt das für Verunsicherung.
Im Handelsstreit mit China forderte Trump eine Defizitreduzierung um 200 Mrd. Dollar, man ist davon nun weit entfernt. Ließ er sich über den Tisch ziehen? Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Allerdings ist die Fixierung auf diese Zahl nicht optimal. Hauptproblem ist aber Chinas Umgang mit geistigem Eigentum. Wir sollten nicht länger akzeptieren, dass US-Firmen geistiges Eigentum und Patente aufgeben, wenn sie in China tätig sein wollen. Internationaler Handel funktioniert so nicht.
Wie sehr hat sich das Verhältnis zu China seit Trumps Amtsantritt verschlechtert? Deutlich – und das wird sich in naher Zukunft nicht ändern. Das liegt nicht nur an Trump, sondern auch an China. Die Konkurrenz wächst: China stellt immer mehr eine Bedrohung für die USA dar, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch.
Trump beklagt, China wolle den Gipfel mit Kim sabotieren, denn Peking befürchte, Einfluss in der Region zu verlieren. Ich glaube nicht, dass China eine Absage des Gipfels wünscht. Auch China wünscht sich eine Denuklearisierung Nordkoreas, hat aber auch andere Interessen: Peking wünscht sich einen geringeren USEinfluss in Korea, eine Reduzierung der US-Militärpräsenz.