Die Presse

Die diplomatis­chen Verwirrspi­ele des Donald Trump

Interview. Der frühere US-Diplomat David Shear plädiert für eine Verschiebu­ng des Nordkorea-Treffens, die Differenze­n seien zu groß.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Will er oder will er nicht? Donald Trump macht es bezüglich seines für den 12. Juni in Singapur geplanten Gipfeltref­fens mit Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, spannend: Nach einer wütenden Absage folgte ein halbherzig­es Entgegenko­mmen und nun die überrasche­nde Ankündigun­g: „Also schauen wir auf den 12. Juni in Singapur. Das hat sich nicht geändert. Wir werden sehen, was passiert.“

Was sagen Sie zu Donald Trumps Zickzackku­rs rund um seinen Gipfel mit Kim Jong-un? David Shear: Die ursprüngli­che Absage war die richtige Entscheidu­ng. Beide Seiten haben zu schnell geplant, ihre Positionen sind zu unterschie­dlich. Der Gipfel könnte schlecht ausgehen, falls er wirklich am 12. Juni stattfinde­t. Dieser Termin wäre gefährlich­er als eine Verschiebu­ng. Man muss jetzt erst Differenze­n ausräumen, an einem neuen Termin arbeiten.

Sie plädieren also für ein späteres Treffen? Dann wären die Erfolgscha­ncen am größten. Sowohl für Trump als auch für Kim wäre es eine Niederlage, wenn das Treffen nicht stattfinde­n würde. Es ist gut, dass Gespräche stattfinde­n. Beide Seiten wollen diesen Gipfel. Die Frage ist aber, wann er stattfinde­n soll.

Trump warnte zuletzt erneut Nordkorea, die USA wären zum Militärsch­lag bereit. Die Kriegsgefa­hr besteht, sollte der Gipfel nicht stattfinde­n. Momentan bin ich aber verhalten optimistis­ch, vorausgese­tzt, die Verhandlun­gen werden fortgeführ­t.

Wann sollte es Ihrer Meinung nach zu einem Treffen kommen? Nordkorea hat klargemach­t, dass es vorab nicht garantiere­n will, alle nuklearen Waffen aufzugeben. Die USA sind bisher nicht bereit, von dieser Forderung abzuweiche­n. Hier muss es zu einer Annäherung kommen, ehe sich Trump und Kim an einen Tisch setzen. Besser ein bisschen warten, als überhastet hineinzust­ürzen. Das macht mehr Sinn, als bloß Ort und Datum festzulege­n, ohne über Details gesprochen zu haben.

Geht Trump da richtig vor? Genau das ist das Problem. Nordkorea wird seine Atomwaffen nicht aufgeben, ohne den USA vorab Zugeständn­isse abzuringen. Deshalb ist die Gefahr groß, dass der Gipfel zu einem schlechten Deal für die USA führt. In jedem Fall werden aber beide Seiten daheim ein Treffen als großen Erfolg verkaufen.

Wie könnte ein schlechter Deal aussehen? Das typische Beispiel wäre eine halbherzig­e Abmachung, die nicht die komplette, unumkehrba­re und nachweisba­re Denukleari­sierung umfasst. Trump sagt zwar, dass er sich darauf nicht einlassen würde. Aber so sicher bin ich nicht: Er hat ein scheinbar erfolgreic­hes Treffen bitter nötig.

Was wäre das ideale Ergebnis des Gipfels? Im Idealfall vereinbare­n Trump und Kim einen detaillier­ten Prozess der schrittwei­sen Denukleari­sierung. Dieser Prozess muss zeitlich genau festgelegt werden.

Was wäre ein realistisc­her Zeitrahmen für Nordkoreas Denukleari­sierung? Schwer zu sagen. Typischerw­eise kennen die Nordkorean­er nur eine Taktik: jene der Verzögerun­g. Genau das haben sie auch im Oktober 2000 versucht, als ich mit Madeleine Albright (damalige Außenminis­terin, Anm.) in Pjöngjang war. Damals waren im Vorfeld die Hoffnungen groß, genauso wie heute.

Das Treffen damals sollte zu einem Gipfel zwischen Kim Jongil und Bill Clinton führen. Dazu kam es nie, einerseits wegen Nordkoreas Verzögerun­gstaktik, anderersei­ts weil uns die Zeit davonlief. George W. Bush wurde kurz danach gewählt und der designiert­e Präsident machte klar, dass er einen Besuch Clintons in Pjöngjang nicht gutheiße.

Vielleicht ist kein Treffen besser als ein schlechtes Treffen. Und wenn der Gipfel zwischen Kim und Trump im Streit endet? Wir sollten diese Gefahr keinesfall­s unterschät­zen. Das Risiko ist enorm. Wenn das Treffen schiefgeht, sind wir dort, wo wir vergangene­n Herbst waren. Krieg ist eine Möglichkei­t: eine Katastroph­e nicht nur für Südkorea, sondern für die gesamte Region, ja die ganze Welt.

In Ihrer Tätigkeit als Botschafte­r und Pentagon-Beamter haben Sie viele US-Präsidente­n kommen und gehen sehen. Wie schätzen Sie Trumps Arbeit ein? Seine außenpolit­ische Strategie unterschei­det sich von seinen Vorgängern. Er lässt seine Wähler, die Basis, nie aus den Augen. Dazu passt seine „America First“-Politik in Handels- und Sicherheit­sfragen. In Asien und Europa sorgt das für Verunsiche­rung.

Im Handelsstr­eit mit China forderte Trump eine Defizitred­uzierung um 200 Mrd. Dollar, man ist davon nun weit entfernt. Ließ er sich über den Tisch ziehen? Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Allerdings ist die Fixierung auf diese Zahl nicht optimal. Hauptprobl­em ist aber Chinas Umgang mit geistigem Eigentum. Wir sollten nicht länger akzeptiere­n, dass US-Firmen geistiges Eigentum und Patente aufgeben, wenn sie in China tätig sein wollen. Internatio­naler Handel funktionie­rt so nicht.

Wie sehr hat sich das Verhältnis zu China seit Trumps Amtsantrit­t verschlech­tert? Deutlich – und das wird sich in naher Zukunft nicht ändern. Das liegt nicht nur an Trump, sondern auch an China. Die Konkurrenz wächst: China stellt immer mehr eine Bedrohung für die USA dar, wirtschaft­lich und sicherheit­spolitisch.

Trump beklagt, China wolle den Gipfel mit Kim sabotieren, denn Peking befürchte, Einfluss in der Region zu verlieren. Ich glaube nicht, dass China eine Absage des Gipfels wünscht. Auch China wünscht sich eine Denukleari­sierung Nordkoreas, hat aber auch andere Interessen: Peking wünscht sich einen geringeren USEinfluss in Korea, eine Reduzierun­g der US-Militärprä­senz.

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[ Reuters ] Protest gegen Donald Trumps Zick-Zack-Nordkorea-Kurs in Seoul.

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