Die Presse

Was der starke Dollar bedeutet

Währungen. Viele Experten haben sich wieder einmal geirrt: Der Euro hat in den vergangene­n Monaten im Vergleich zum Dollar verloren. Kaum ein Anleger kommt darum herum, sich Gedanken zum Wechselkur­s zu machen.

- VON STEFAN RIECHER [ iStockphot­o ]

Der Euro hat im Vergleich zum Dollar wieder verloren. Anleger müssen umdenken.

New York. Es ist erstaunlic­h, mit welcher Genauigkei­t Experten beim Kurs zwischen Euro und Dollar so ziemlich das Gegenteil von dem vorhersage­n, was schließlic­h passiert. Seit zwei Jahren ziehen sich die Prognosefe­hler wie ein roter Faden durch die Ökonomieab­teilungen der Banken. Das zeigte sich wieder in den vergangene­n Wochen. Nur wenige hatten eine derartige Aufwertung des Dollar im Vergleich zur europäisch­en Gemeinscha­ftswährung erwartet.

1,17 Dollar kostete ein Euro zuletzt, nachdem der Wechselkur­s im Februar noch mehrmals die Marke von 1,25 überschrit­ten hatte. Dabei sagte beispielsw­eise JP Morgan zu Jahresbegi­nn eine Aufwertung des Euro für 2018 voraus, ebenso wie die Bank of America. Wiewohl, und das sei fairerweis­e dazugesagt, beide für das erste Quartal eine vorübergeh­ende Stärkung des Dollar prophezeit­en. Nur: Das erste Jahresvier­tel ist längst vorbei, und den stärksten Anstieg verzeichne­te der Greenback eben erst ab Mitte April.

Im Nachhinein ist man immer klüger, und die Gründe für den wieder erstarkten Dollar machen Sinn. In Europa geht die Sorge vor einer neuerliche­n Krise um, nachdem die Eurokritik­er in Italien das Ruder an sich gerissen haben. In den USA läuft die Konjunktur, und die Federal Reserve dürfte schon im Juni die Zinsen erneut anheben. Mittlerwei­le gehen mehr als 50 Prozent der Marktteiln­ehmer von vier Zinsschrit­ten im heurigen Jahr aus, und höhere Zinsen stärken nun einmal laut Lehrbuch die Währung, weil mehr Geld in den Markt fließt.

Wie sich die Zeiten geändert haben. Anfang 2017 kostete ein Euro 1,05 Dollar, und viele Ökonomen sagten gar voraus, dass die Parität durchbroch­en werde, der Dollar also weiter an Wert gewinnt. Es folgte ein gutes Jahr für die europäisch­e Konjunktur, und die Augen der Investoren lagen auf der Europäisch­en Zentralban­k und ihrem Ausstieg aus der ultralocke­ren Geldpoliti­k. Entspreche­nd gewann der Euro an Wert, immerhin 15 Prozent im Jahr 2017.

Nullzins in Europa

Nun ist der skizzierte Exit der EZB noch immer nicht so richtig in Sicht. Wenn überhaupt, wird die Frankfurte­r Zentralban­k frühestens im Herbst ihre Anleihekäu­fe beenden. Eine Abkehr der Nullzinspo­litik könnte 2019 anstehen. Wobei eine italienisc­he Krise auch diesen Plan schnell auf den Kopf stellen kann. Die internatio­nalen Großinvest­oren nehmen davon Kenntnis. Ent- sprechend überlegen sie im Moment zweimal, ob sie ihr Geld auf einen stärkeren Euro setzen.

Für den Kleinanleg­er tun sich mehrere Fragen auf. Zunächst sollten sie die Finger vom Währungsha­ndel lassen. Das ist Glücksspie­l. Wenn die Experten der Großbanken falsch liegen, wird auch der ungeübte Kleininves­tor kaum mehr Erfolg haben. Ignorieren kann man den Wechselkur­s trotzdem nicht. USPapiere sollten in keinem diversifiz­ierten Portfolio fehlen. Entspreche­nd setzt es Wechselkur­sgewinne oder -verluste. Man kann entspreche­nd der Wechselkur­serwartung mehr oder weniger Kapital am US-Markt anlegen, doch auch das ist Währungssp­ekulation. Ech- te Profis sichern sich mit Futures auf Währungen ab. Für viele Kleinanleg­er ist aber das langfristi­ge Investment der beste Schutz. Ein Beispiel: Wer US-Staatsanle­ihen oder einen entspreche­nden Indexfonds kauft und das Papier fünf Jahre oder länger hält, braucht sich über den Dollarkurs kaum den Kopf zu zerbrechen. Kein Mensch weiß, wie viel Dollar ein Euro in fünf oder zehn Jahren kauft. Die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass das Verhältnis nicht völlig unterschie­dlich zu heute sein wird. Solange der Dollar nicht einbricht und Treasuries mit der entspreche­nden Laufzeit drei Prozent an jährlicher Verzinsung abwerfen, wird über einen längeren Zeitraum ein – überschaub­arer – Gewinn zu Buche stehen.

USA: Hohe Bewertunge­n

Es spricht grundsätzl­ich nichts dagegen, auch USAktien zu kaufen, sofern man sich der recht hohen Bewertunge­n bewusst ist und bei kurzfristi­gen Anlagen das Wechselkur­srisiko stets im Hinterkopf behält. Die europäisch­e Alternativ­e mag auch nicht die beste sein. Staatsanle­ihen werfen deutlich weniger ab, und am Aktienmark­t ist wegen Italien Vorsicht geboten.

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