Mikl-Leitner wirbt um Briten
Reise. Landeshauptfrau Mikl-Leitner besucht Wissenschaftler in Oxford – denn Niederösterreich will das Brexit-Land stärker als Markt bearbeiten und Forscher nach Österreich holen.
Niederösterreichs Landeshauptfrau auf Besuch in Oxford.
Ein Mangel an Selbstbewusstsein war und ist nicht das größte Problem Johanna Mikl-Leitners. Aber in London vor dem britischen Parlament von einem Passanten erkannt und angesprochen zu werden, überraschte die niederösterreichische Landeshauptfrau doch ein wenig. Zugegeben, es war ein politisch interessierter Auslandsösterreicher, der im Tourismus-Bereich arbeitet und ihr eine kurze Analyse über Großbritannien vor dem Brexit gab: Das Land steuere im klischeebekannten Nebel dahin. Und das funktioniere keineswegs so gut wie in der City of London, außerhalb schaue es ganz anders aus. Aha. Wobei: Außerhalb ist natürlich sehr relativ.
Besucht man wie Mikl-Leitner und ihre kleine österreichische Delegation die Universitätsstadt Oxford, geht das Herz der Regionalpolitikerin auf – und das der mitreisenden Historiker. Nach einem Besuch in einer der ältesten universitären Bibliotheken der Welt geht es in eines der Oxfordeigenen Forschungslabors, die immer wieder mit neuen Patenten und Wirkstoffen dafür sorgen, dass der Uni-Betrieb auch außeruniversitär höchst wirtschaftlich arbeitet.
Brexit-Flucht nach Gugging?
Dort werkt – daher die Auswahl auf dieser Kurzreise – ein halber Niederösterreicher: Alexander Gretsch ist quasi die lebende Wissenschaftsachse zwischen Niederösterreich und Oxford; die Oxford Antibiotic Group forscht in Gestalt von Gretsch auch in Tulln und wird dafür auch vom Land gefördert. Aktuell arbeitet Gretsch mit seinen Teams etwa auch in der Alzheimer-Forschung.
Warum überhaupt diese Reise? Bei einer Regierungsklausur war in Niederösterreich beschlossen worden, Großbritannien als Markt für die Wirtschaft zu bearbeiten. Nach dem Brexit-Votum tun sich da nun neue Chancen, aber auch Risken auf: In Oxford formulieren die vor- wiegend jungen Forscher und Studenten ihre Sorgen bei einem Come Together der Austrian Society der Universität. Ob nun die besten Köpfe nach Österreich geholt werden könnten, fragt da einer. Nun, Niederösterreich könne sich durchaus anschauen lassen, erklärt Mikl-Leitner.
Die Wissenschaftslandschaft in Niederösterreich habe mit der Entwicklung gebraucht, weil davor alles auf Wien konzentriert war. Aber nun sei es mit der Donau-Uni, dem Krebsforschungszentrum Med-Austron und vor allem der Exzellenz-Universität ISTA in Gugging gelungen, auf einen internationalen Standard zu kommen.
Wo der bei einem klassischen politischen Sonntagsreden-Thema liegt, lässt sich nicht so leicht beantworten: bei der Digitalisierung. Mikl-Leitner hat eine Statistik dabei, nach der Österreich bei der Digitalisierung des Staatswesen (also vor allem der „Behördenwege“) fast an der Spitze liegt, die britischen Gastgeber haben eine, bei der das UK ganz vorne liegt und Österreich eher im Mittelfeld. Aber Liam Maxwell, Technologieberater der britischen Regierung, kennt Österreich aus privaten Gründen und ist ein höflicher Mann.
Was Brexit bringt, weiß keiner
Freundlich erklärt er den Gästen den wichtigsten Unterschied der Digitalisierungsstrategien in beiden Ländern: In Österreich vertraue der Staat auf sich und ordne eine solche an. Großbritannien vertraue auf den Markt und stoße dort eine solche an. Dass Maxwell dann über die in Großbritannien gebräuchlichen Kupfer-Kabel auf der letzten Meile sprach, darauf reagierte Mikl-Leitner fast amused. Wir haben doch Glasfaserkabel.
Weit weniger amüsant: So herzlich und geistreich Mikl-Leit- ner von ihren politischen Kontakten empfangen wurde wie dem stimmgewaltigen Sir Peter Bottomley, Vorsitzender der österreichisch-britischen Freundschaftsgruppe – ja, so etwa gibt es tatsächlich –, wann, wie und mit welchen Folgen der Brexit passieren wird, weiß keiner. Nur dass es eben nicht gut gelaufen sei. Und: Mitglieder des House of Lords versuchen offenbar hinter den Kulissen immer noch, den Brexit zu relativieren und aufzuhalten. Die Antwort der Tory-Regierung: Wozu braucht man das Oberhaus als zweite Kammer noch? Mikl-Leitner: „Das erinnert mich irgendwie an den Bundesrat.“