Ökonomen raten der EU, Importzölle einseitig zu senken
Handelsstreit. Während die deutsche Industrie die EU aufruft, sich nicht von den USA erpressen zu lassen, empfehlen Experten Marktöffnung.
Die deutsche Industrie hat der EU im Handelskonflikt mit den USA den Rücken gestärkt. „Europa darf sich von den USA nicht erpressen lassen“, forderte Industrie-Präsident Dieter Kempf am Sonntag in Berlin. „Es bleibt absolut richtig, dass die EU auf einer dauerhaften Ausnahme von Importbeschränkungen für Stahl und Aluminium besteht.“Erst dann sollte über die Aufnahme grundsätzlicher Handelsgespräche mit den USA diskutiert werden.
US-Präsident Donald Trump hat den EU-Staaten mit zusätzlichen Zöllen auf Aluminium und Stahl gedroht. Die Frist läuft am 1. Juni aus. Die EU ist zu Handelsgesprächen bereit, wenn die USA auf die Zölle verzichten. Nach den angedrohten US-Schutzzöllen auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren lässt die US-Regierung auch erhöhte Einfuhrzölle auf Autos prüfen. Dies würde unter anderem deutsche Autohersteller treffen.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) bewertete die vom US-Präsidenten veranlasste Prüfung von höheren Zöllen auf Autoimporte kritisch. Äußerst besorgniserregend sei, dass die USA Einfuhren mit dem irreführenden Argument nationaler Sicherheit beschränken wollen: „Autoimporte gefährden gewiss nicht die nationale Sicherheit der USA.“Langfristig nutze es US-Herstellern nichts, wenn sie durch Schutzzölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden.
„Durch Abschottung gewinnt die US-Industrie kein Quäntchen an Wettbewerbs- fähigkeit“, sagte Kempf. US-Präsident Trump bedrohe vielmehr Arbeitsplätze im eigenen Land.
Der US-Ökonom Jagdish Bhagwati sagte indes der „Welt am Sonntag“, was Trump tue, sei schändlich. „Die Reaktion der EU aber auch. Dass sie angekrochen kommt und Ausnahmen nur für sich fordert, ist genauso jämmerlich. Sie sollte für den Rest der Welt mit gutem Beispiel vorangehen“, sagte der Handelsexperte von der Columbia University. „Selbst wenn die USA ihren Markt abschotten, die EU sollte ihren öffnen.“
Führende deutsche Ökonomen sehen das ähnlich. „Die US-Regierung wirft der EU vor, sie würde teilweise ungerechtfertigt hohe Zölle auf einzelne Produkte erheben. Darauf gibt es eine einfache beste Antwort“, sagte Christoph Schmidt, Chef der Wirtschaftsweisen, dem Blatt. „Die EU sollte dies als Gelegenheit verstehen, diese Zölle rigoros abzubauen. Ein neu verhandeltes transatlantisches Abkommen wäre dazu ein geeignetes Vehikel.“
Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), forderte die EU auf, einseitig Zölle abzubauen. „Zölle helfen nur ineffizienten Produzenten, aber zahlen für diesen Schutz müssen die Menschen im In- und Ausland gleichermaßen. Wenn Menschen diese Zusammenhänge verstünden, wären Zölle auch bei den Wählern plötzlich sehr unpopulär.“(ag/red.)