Die Presse

Reiseführe­r für den Krypto–Irrsinn

Bitcoin. Vom Spoofing bis zum Wash Trading, vom Shilling bis zum Exit-Scam: Bei Krypto ist nichts verboten, also wird alles versucht. Die „Presse“erklärt die abenteuerl­ichen Manipulati­onen.

-

Nirgends geht es so verrückt zu wie an den Märkten für Bitcoin und andere Kryptoasse­ts. Da kann man viel lernen: Über die verschiede­nsten Manipulati­onstechnik­en, über PR und Propaganda, Lug und Betrug. Das ist keine Aussage über Bitcoin an sich. Das gehandelte Gut kann nicht viel dafür. Aber einen völlig ungeregelt­en, globalen Markt, zu dem Millionen von Menschen aus aller Herren Länder Zugang haben, hat es eben auch noch nie gegeben. Das hat Folgen. Vieles von dem, was da passiert, ist an den klassische­n Märkten längst ausgemerzt. Das US-Justizmini­sterium hat jetzt Ermittlung­en gegen Kryptobetr­üger eingeleite­t. Aber was suchen die Ermittler? Und wo? Ein Reiseführe­r für den Krypto-Irrsinn.

Traurige Berühmthei­t hat bereits das Spoofing erlangt, weil es auf den traditione­llen Märkten auch schon einen Crash ausgelöst hat. Die Technik ist uralt: Trader setzen Kauf- oder Verkaufgeb­ote, die sie wieder löschen, bevor sie schlagend werden. So kann man einen Preis gut beeinfluss­en. Andere Marktteiln­ehmer sehen große Sell-Orders und glauben an einen fallenden Preis. Oder umgekehrt. Spoofing gehört auf den Kryptomärk­ten fast schon zum guten Ton. Bei kleineren Coins wird es von großen Playern (so genannten Whales) eingesetzt, um den Preis zu drücken, während sie sich eindecken. Bis das Spoofing beendet wird und die Whales noch reicher werden. Auch Computerpr­ogramme ( Bots) kommen zum Einsatz.

Freilich: Spoofing ist nicht nur bei Krypto ein Problem. Bekannt wurde Spoofing nach der Verhaftung des britischen Traders Navinder Sarao, der mit dieser Technik einen Flash-Crash der US-Börsen ausgelöst hatte. Die US-Bank Citigroup wurde im Jänner 2017 sogar zu einer Strafe von 25 Millionen Dollar verurteilt, weil sie durch Spoofing den Markt für US-Staatsanle­ihen manipulier­t hatte. Beim Spoofing tun sich die traditione­llen Börsen bis heute schwer. Auch dort hat der elektronis­che Handel den Betrügern Tür und Tor geöffnet, und bis heute ist nicht ganz klar, wo die Grenze zwischen normalem Handel und Spoofing zu ziehen ist. Immerhin ist es total legal, seine Meinung ab und an zu ändern und eine Order zu löschen.

In der Welt von Bitcoin und Co. wurde der Begriff von einem Blogger benutzt, der die Börse Bitfinex im Visier hat und ihr Manipulati­onen unterstell­t. Ein weiterer Vorwurf: Wash Trading. Dabei wird ein Markt manipulier­t, indem ein Trader oder ein Bot mit sich selbst handelt und so quasi einen gefälschte­s Volumen erschafft. An einer klassische­n Börse ist so etwas leicht zu unterbinde­n, nicht aber in der Kryptowelt, wo oft nicht einmal die Hintermänn­er der Handelsplä­tze bekannt sind.

Eine weitere Manipulati­onstechnik, die auf den Aktienmärk­ten verboten und in den Kryptomärk­ten alltäglich ist: Pump and Dump. Übersetzt: Aufpumpen und fallen lassen. Dabei wird von den Manipulato­ren eine Coin mit eher geringem Volumen zuerst preislich gen Himmel geschossen. Wenn genügend Trader auf den Zug aufgesprun­gen sind, verkaufen die Manipulato­ren ihre Coins zu extrem erhöhten Preisen. Oft werden solche Pump and Dumps von Gruppen organisier­t, die sie über Chatgruppe­n verbreiten. Dadurch erhöhen sie ihre eigene Hebelwirku­ng. Viele Trader machen auch bewusst mit bei solchen Manipulati­onen – in der Hoffnung auf schnelles Geld. Ein eher langfristi- ger Betrug ist der Exit-Scam. Dabei wird Investoren ein neues Krypto-Produkt vorgegauke­lt, dessen Zukunft angeblich großartig sein wird. Frisches Geld fließt meist über ein Initial Coin Offering (ICO) in solche Projekte.

Irgendwann ist dann die Website nicht mehr erreichbar, und der Twitter-Account ist gelöscht. Die Betreiber des angeblich revolution­ären Projekts sind verschwund­en – mit den Geldern der Investoren. In der Kryptowelt hat es bereits mehrere derartige Betrugsfäl­le gegeben. Überhaupt sind ICOs extrem umstritten. Die US-Börsenaufs­icht SEC hat kürzlich eine eigene, gefälschte ICO-Website gestaltet, um Investoren zu beweisen, wie rasch man hier auf Lug und Trug reinfallen kann.

Im Zusammenha­ng mit ICO-Betrug gab es auch schon Festnahmen, etwa in den USA oder in Thailand. Die in Amerika festgesetz­ten Betrüger rund um die angebliche Krypto-Kreditkart­e „Centra“konnten für ihren ICO sogar den Boxer Floyd Mayweather als Werbeträge­r gewinnen. In Österreich arbeiten Finanzmark­taufsicht, Nationalba­nk und Finanzmini­sterium seit einigen Wochen an einer Anpassung der Prospektpf­licht. Man will ICOs nicht verbieten – aber für Anleger Rechtssich­erheit schaffen. Ein Grund für die Offensive der Regierung war auch der Zusammenbr­uch des potenziell­en Pyramidens­piels Optioment, bei dem tausende Österreich­er Geld verloren haben. Die „Presse“berichtete.

Auch die Pyramiden-Masche ist im Bitcoin-Bereich bis heute sehr beliebt. Anlegern wird ein Produkt versproche­n, das exorbitant­e Renditen bringen soll. Vermarktet wird das über ein MultiLevel-Marketing-System. So können die Leute an der Spitze der Pyramide besonders viel Geld machen. Irgendwann, wenn es an frischen Investoren fehlt, kommt der Zusammenbr­uch.

Bei allen genannten Dingen kommt auch immer wieder das Shilling zum Einsatz. Dabei handelt es sich um zentral gestreute Propaganda, die ein Investment besonders attraktiv erscheinen lassen soll. In der von der Realität losgelöste­n Kryptowelt ist das sehr effektiv – jede Spekulatio­n ist eine Wette auf eine entfernte Zukunft.

 ?? [ AFP ] ??
[ AFP ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria