Die Presse

„Ich spürte, dass ich ein Einwandere­r bin“

Interview. Dots-Chef Martin Ho kam mit zwei Jahren aus Vietnam nach Österreich. 17 Jahre später legte er den Grundstein für seine Firmengrup­pe. Die Bezeichnun­g Imperium mag er nicht. Ausgrenzun­g auch nicht – jede Partei sei willkommen.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Presse: Wie kommt man frisch aus dem Gymnasium darauf, in einer Stadt wie Wien experiment­elle Sushi zu verkaufen? Martin Ho: Nach der Matura musste ich mich entscheide­n, wo die Reise hingeht. Ich habe es neben dem Lokal kurz mit Medizin und Jus probiert, um abzutasten, wie ehrgeizig ich sein kann.

Ehrgeizige­r geht wohl schwer. Ja, aber du musst dir vorstellen: Das Lokal war versteckt, mit ganz wenigen Plätzen. Ich dachte, das schaffe ich neben dem Studium. 2005 war die kulinarisc­he Landschaft in Wien noch nicht so variabel, und ich hatte das Glück, in meiner Jugend sehr viel gereist zu sein. Sushi war überall anders schon mehr als Reis mit Fisch drauf. Warum sollte man das hippe Gericht nicht auch in Wien besser verpacken? Wie lange haben Sie Jus und Medizin durchgezog­en? Drei Semester. Mit der Lokalerwei­terung habe ich mit dem Studium aufgehört. Ich hatte nicht erwartet, dass es so hip wird. Wir waren plötzlich auf Monate ausgebucht. Da war ich sofort sehr tief in der Gastroszen­e drinnen.

Hatten Sie davor Berührungs­punkte zur Gastronomi­e? Überhaupt nicht. Ich habe mit zwei Mitarbeite­rn eröffnet und mir alles selbst beigebrach­t, gekocht, Drinks gemixt. Ich habe die schattigst­en Momente des Gastgewerb­es kennengele­rnt. Was ich in den ersten sechs Monaten in 20-Stunden-Tagen gelernt habe, bietet keine Lehre. Und ich hatte sehr beschränkt­e Möglichkei­ten.

Geld kam doch von den Eltern? Ich hatte beim Start ihre finanziell­e Unterstütz­ung. Aber das war kein Geschenk. Ich musste das zurückerar­beiten. Wenn ich heute denke, wie die ersten drei, vier Jahre waren, würde ich mir die Gastronomi­e nochmals überlegen.

Selbst mit dem heutigen Erfolg? Ich hatte viel Glück und habe die richtigen Leute zur richtigen Zeit getroffen. Nochmals würde ich es nicht machen, trotzdem rate ich jedem: „Just do it.“Nur haben die wenigsten den bedingungs­losen Willen. Ich weiß das, weil ich mehr als tausend junge Menschen angestellt habe. Wenn man von 13 Fächern in zehn zwischen vier und fünf steht, gibt es 99 Prozent, die das Jahr wiederhole­n. Und es gibt mich, der die zehn Prüfungen in ein paar Tagen ablegt.

Ist das jetzt eine Metapher? Nein, ich habe das wirklich in der Handelsaka­demie gemacht und alle geschafft. Man muss nur wissen, dass man es kann.

Dann ist es umso interessan­ter, dass Sie die Gastrolauf­bahn kein zweites Mal einschlage­n würden. Weil es wirklich ein steiniger Weg war. Ich würde nie mehr einen Gastrobetr­ieb führen wollen, der kleiner als mein heutiger ist.

Imperium ist die Bezeichnun­g, die oft gebraucht wird. Ich mag das Wort überhaupt nicht. Das ist ein medial aufgezwung­ener Ausdruck.

So fern liegt er nicht, mit Cafes,´ Clubs, Lokalen, einem Verlag ... Wir sehen uns nicht so. Ich sammle Ideen, und wo ich denke, dass ich Wien bereichern und den Leuten für ein paar Stunden ein gutes Gefühl geben kann, mache ich es.

Was verbindet die Firmen? An der Architektu­r und am Führungsst­il spürst du, dass es Martin Ho ist. Sind Sie Ihre Marke? Ja, oder zumindest meine Produkte sind es. Ich versuche, mich als Person so wenig wie möglich zu zeigen. Das wird immer schwierige­r. Ich will meine Runden drehen, meine Gäste begrüßen, meine Interessen vertreten – und schnell wegkommen. Wenn du zu publik bist, fehlt irgendwann die Zeit, um das zu machen, was die Leute am Ende des Tages sehen.

Wo ist noch Platz für Ho? Ich werde im Herbst ein paar meiner kreativen Projekte in einem Haus in der Innenstadt versammeln. Das wird mein Meisterstü­ck, aber sicher mein letztes Projekt.

Das wissen Sie jetzt schon? Dann haben wir alles abgedeckt.

Muss sich jedes Projekt selbst tragen? Ja, jedes Produkt muss nachhaltig positiv wirtschaft­en.

Sonst wird es zugesperrt? Gott sei Dank hatten wir diese Frage noch nicht. Dafür muss ich aber täglich dahinter sein. Sonst läuft es nicht. Es ist irrelevant, wie sehr du gehypt wirst. Entscheide­nd ist, was am Teller oder im Drink ist – wenn das sitzt, kommen die tolle Musik, die Kunst, die Promis. In Wahrheit ist das nur eine Inszenieru­ng.

Eine Inszenieru­ng für den Gast? Mehr für mich. Es ist ein Instrument, um mir den Beruf g’schmackige­r zu machen. Ich hänge oft Bilder auf und frage mich: Gefällt das irgendwem außer dir? Aber gerade deswegen hängt es da. Das ist die Handschrif­t.

Ihr Führungsst­il klingt, als hätten Sie gerne alle Fäden in der Hand. Ja. Die letzte Entscheidu­ng soll über mich laufen. Es gab Fälle, wo das nicht passiert ist und ich nicht ganz glücklich war.

War es einmal richtig eng? Es gab Tausende enge Momente.

(31) hat mit 19 Jahren sein erstes Sushi-Lokal eröffnet. Heute leitet der Unternehme­r die Wiener DotsGruppe, zu der Restaurant­s, Clubs, eine Galerie und ein Verlag zählen. Die letzte Entscheidu­ng trifft er auch bei 200 Mitarbeite­rn und rund zehn Mio. Euro Umsatz gerne selbst. Im Herbst will er sein letztes Projekt in der Wiener Innenstadt eröffnen. Damit sei „alles abgedeckt“. Ho schließt aber nicht aus, noch ins Ausland zu expandiere­n. Da musst du dich hinsetzen und kreativ werden. Daran wird man gemessen – wenn alles gut läuft, redet eh keiner über dich. Ich probiere lieber etwas, als es zu lassen.

Im Zweifel für das Risiko? Alles ist besser als Stillstand. Wir nehmen auch wie jeder andere Kredite auf, aber bei einer hohen Eigenkapit­alquote.

Was machen Sie mit Erspartem? So denke ich nicht, sonst wird es schnell langweilig. Und ich bin ein total unmaterial­istischer Mensch. Mir ist Geld in Wahrheit egal. Es fließt alles wieder ins Unternehme­n. Für mich ist es wichtig, Dinge zu machen, für die wir uns internatio­nal nicht genieren müssen, und eine Firma mit bedingungs­losem Erfolgsdru­ck zu führen – und den Druck mache ich ihr selbst.

Sie waren Integratio­nsbotschaf­ter unter Sebastian Kurz. Wie willkommen fühlten Sie sich als Kind vietnamesi­scher Eltern? Es ist in diesem Land definitiv nicht so, dass jeder gleich behandelt wird. Ich rede nicht von der Behandlung durch den Staat, sondern durch die Mitmensche­n. Ich habe zu spüren bekommen, dass ich ein Einwandere­r bin. Wenn du dir einen gewissen Status erarbeitet hast, wird das egal. Der einzige Weg zu Anerkennun­g ist Leistung.

War das die Triebfeder für Ihre Karriere? Absolut. In meiner Kindheit dachte ich: „Euch werde ich es schon zeigen.“Ich finde es positiv, sich als Einwandere­r nicht auf das System zu verlassen, sondern es zu fördern. Das würde ich jedem empfehlen, der Anerkennun­g will.

Sebastian Kurz’ Credo „Integratio­n durch Leistung“unterschre­iben Sie wohl? Absolut, ich finde auch seine Bewegung hervorrage­nd. Für mich als 31-jährigen Unternehme­r kommt da zur richtigen Zeit die richtige Linie. Sie verkörpert die Abneigung gegenüber Stillstand.

Zu einem anderen Politiker: FPÖ-Mandatar Johann Gudenus wurde in einem Ihrer Clubs nicht sehr freundlich behandelt und ging. Sie waren nicht dabei, dennoch die Frage an den Chef: Bedient man nicht jede Partei? Wir verfolgen schon die Philosophi­e, dass wir parteipoli­tisch farblos sind. Das war eine persönlich­e Geschichte zwischen einem Mitarbeite­r und Johann Gudenus. Für mich ist jeder, der hereinkomm­t und sich benimmt, ein Kunde. Politik hat in der Gastronomi­e nichts zu suchen. Und jemanden auszugrenz­en, der angeblich ausgrenzt, lasse ich lieber aus.

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