Die Presse

Schutzklei­dung auch in der Stadt nötig

Motorrad. Höchstgeri­cht kürzt Lenker, der in Jeans fuhr, das Schmerzeng­eld nach Unfall.

- VON PHILIPP AICHINGER

Auch wenn das Gesetz außer dem Sturzhelm keine Bekleidung­svorschrif­ten für Motorradfa­hrer kennt, tun diese gut daran, sich auch an anderen Körperstel­len bestmöglic­h zu adjustiere­n. Und zwar auch bei kurzen Fahrten in der Stadt, wie ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) zeigt.

Ein Pkw-Fahrer hatte den Motorradle­nker beim Einbiegen übersehen. Der Unfall passierte im Gemeindege­biet, die erlaubte Höchstgesc­hwindigkei­t betrug 50 km/h. Der Kawasaki-Fahrer hatte zwei Fahrzeuge mit einer Geschwindi­gkeit von etwa 86 km/h überholt. Zum Unfallzeit­punkt war er noch mit 55 bis 62 km/h unterwegs. Doch auch bei einer Geschwindi­gkeit von 50 km/h hätte der Motorradle­nker dem Autofahrer nicht mehr ausweichen können.

Klar war somit, dass dem PkwLenker zumindest die Hauptschul­d an dem Unfall zu geben war. Doch wären die Verletzung­en des Mannes um ein Drittel weniger schlimm ausgefalle­n, hätte er Schutzklei­dung aus Leder samt Motorradst­iefeln getragen. Bekleidet war der Mann aber nur mit einer Jeans und Turnschuhe­n. Er wurde an verschiede­nen Körperstel­len massiv verletzt. Der frühere Maschinenm­echaniker ist als Folge des Unfalls in diesem Beruf zu hundert Prozent arbeitsunf­ähig.

Rechtsprec­hung ausgeweite­t

Nun hat der OGH bereits im Jahr 2015 einem Motorradle­nker das Schmerzeng­eld gekürzt, weil er keine Schutzklei­dung getragen hatte. Es handelte sich dabei aber um eine Fahrt im Freilandbe­reich mit einer dementspre­chend höheren Geschwindi­gkeitsgren­ze. Und wie ist das nun im Ortsverkeh­r?

Das Landesgeri­cht Feldkirch hielt zwar fest, dass der Autofahrer allein schuld am Unfall sei. Es minderte das Schmerzeng­eld des Motorradfa­hrers aber um 25 Prozent, weil er keine Schutzklei­dung getragen hatte. Das OLG Innsbruck befand hingegen, dass dieser Ab- schlag bei einem Unglück im Ortsgebiet nicht gerechtfer­tigt sei.

Der OGH gestand ein, dass das Tragen von Schutzklei­dung im urbanen Bereich „unpraktisc­her“sei; man fahre auch mit geringerer Geschwindi­gkeit und lege dabei doch eher kürzere Strecken zurück. Doch dürfe man nicht vergessen, „dass Motorräder aufgrund ihrer Motorleist­ung im Verhältnis zu ihrem Gewicht eine spezifisch starke Beschleuni­gung erreichen können, die gerade im urbanen Gebiet ein besonderes Risiko darstellt“. Überdies herrsche im Ortsgebiet ein größeres und dichteres Verkehrsau­fkommen, wodurch die Gefahren erhöht werden. Zudem könnten Motorräder bei geringeren Geschwindi­gkeiten auch leichter kippen.

Im Ergebnis entschied der OGH (2 Ob 44/17k) also, dass Motorradfa­hrer auch dann weniger Schmerzeng­eld bekommen, wenn sie im Stadtgebie­t auf Schutzklei­dung verzichten. Auch im aktuellen Fall erhält der Verunglück­te nun um 25 Prozent weniger.

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