Besser Gerichte als Richter einsparen
Rechtspanorama am Juridicum. Auch wenn die Koalition ihre Sparpläne entschärfte, kritisieren Experten das fehlende Konzept dahinter. Statt Postenstreichungen solle man eine Neugliederung der Instanzen und Gerichtsfusionen erwägen.
Schreit die Justiz zu leichtfertig auf, wenn es ums Sparen geht? Oder liegt das Grunddilemma vielmehr darin, dass die Politik nicht mutig genug ist, die richtigen Reformschritte zu setzen? Fragen, über die beim „Rechtspanorama am Juridicum“debattiert wurde.
Kann man bei der Justiz noch sparen? „No na, man kann überall sparen“, antwortete Gerhard Jelinek, Präsident des Oberlandesgerichts Wien. Die Frage sei nur, wie sinnvoll das ist. Denn die Justiz gehe schon seit Jahren sorgsam mit Geld um, und doch habe die Regierung weiter bei ihr sparen wollen.
„Es zeichnet sich jetzt in Teilbereichen eine Entspannung ab“, erklärte Jelinek zu den Plänen der Politik. So dürften jene 40 Richterposten, die abgebaut werden sollten, weil sie über den Stellenplan hinausgehen („Überstand“), nun bleiben. Und doch ist die „Situation alles andere als erfreulich“, meinte Jelinek. Denn eigentlich seien für die Umsetzung des neuen Sachwalterrechts ab Juli zwölf weitere Richter versprochen gewesen. Zudem seien die Kürzungen beim Aus- und Fortbildungsbudget der Richter geblieben.
Auch das Gerichtspraktikum für Jus-Absolventen soll weiter sieben Monate dauern, nachdem eine Kürzung auf fünf Monate im Raum gestanden war – und manche die Nachricht erhalten hatten, dass sie momentan aus Geldgründen gar kein Gerichtsjahr machen dürfen. „Eine Ausbildung von fünf Monaten hat überhaupt keinen Sinn“, meinte Brigitte Birnbaum, Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien. Überhaupt sei die Situation für die Rechtspraktikanten nicht zufriedenstellend. „Es sollte nicht sein, dass Rechtspraktikanten keinen Computer zur Verfügung haben“, sagte die Anwältin.
Einsparungspotenzial sah sie in der Zusammenlegung von Bezirksgerichten. „Aber man muss schauen, inwieweit das der Bevölkerung zumutbar ist.“Zudem solle die Justiz bei Besetzungen besser darauf schauen, wer für welchen Bereich geeignet ist.
In Umfragen würden 50 Prozent der Bevölkerung sagen, dass die Justiz eine gute Arbeit leiste. „Als Unternehmen wäre ich damit nicht zufrieden“, kritisierte Volksanwältin Gertrude Brinek. Sie ist etwa für Beschwerden gegen den Strafvollzug oder zu lange Verfahren zuständig. Brinek zeigte wenig Verständnis für die öffentlichen Proteste der Justiz. So seien diese fortgesetzt worden, als schon klar gewesen sei, dass Vorhaben wie der Abbau von Richterstellen gar nicht kommen. Zudem zeigten Statistiken, dass die Fallzahlen in der Justiz rückläufig seien. Mit zu leichtfertigen Protesten riskiere die Justiz ihr Ansehen, meinte Brinek.
„Ich würde Ihnen empfehlen, andere Justizsysteme anzuschauen“, sagte Paul Oberhammer, Professor für Zivilverfahrensrecht und Dekan der Jus-Fakultät an der Uni Wien, zu Brinek. Im internationalen Vergleich mache Österreichs Justiz gute Arbeit. Und die Fallzahlen würden zwar in Causen mit geringem Streitwert zurückgehen, aber gleichzeitig sei die Komplexität in vielen Fällen gewachsen.
„Ich verstehe die Proteste der Richterschaft, ich halte sie auch für angemessen“, ergänzte Oberham- ist eine Veranstaltungsreihe der „Presse“und der Jus-Fakultät an der Universität Wien. Die vergangene Diskussion ging der Frage nach, wo man in der Justiz sparen kann. Umstritten blieb, ob die jüngsten Proteste der Justiz gerechtfertigt waren. Als mögliche Sparideen wurden die Zusammenlegung kleiner Bezirksgerichte und die Schaffung einer einheitlichen Erstinstanz für alle Fälle genannt. Doch auch diese Maßnahmen würden zunächst wegen Umbauten einmal Geld kosten, wurde eingewandt. mer. Die Regierung habe keine einzige Reform vorgeschlagen, mit der man im Justizbereich sinnvoll Geld sparen könnte, sondern nur Postenstreichungen. „Das ist eine dumme Sparpolitik“, meinte der Jus-Dekan. Die Regierung gehe gegen Institutionen wie die Sozialversicherungen, das AMS „und in kleinerem Maße auch gegen die Justiz“vor, meinte Oberhammer. „Ich hal-
Vorige Woche hat zum Auftakt des 20. Österreichischen Juristentags erstmals ein „Rechtspanorama an der Universität Salzburg“stattgefunden (s. die gegenüberliegende Seite). Es wurde von der „Presse“in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg organisiert. Fachleute aus Deutschland und Österreich haben darüber diskutiert, ob Facebook und andere soziale Medien die Demokratie gefährden. Wie sich zeigte, bietet die Vernetzung Chancen, aber auch große Herausforderungen für die Demokratie. te es für wichtig, wenn wir solche Entwicklungen aufzeigen und sagen: hier wird gewaltsam gespart!“
Franz Fiedler, früherer Präsident des Rechnungshofs und einst auch Richter und Staatsanwalt, zeigte sich verwundert darüber, dass der Justizminister keine Reformideen aufgegriffen habe. „Das hat mich überrascht“, meinte Fiedler, zumal mit Josef Moser nun ein anderer früherer Rechnungshofpräsident Minister sei. Und die unter ihm einst erarbeiteten 1007 Vorschläge des Rechnungshofs ja auch einige Ideen für die Justiz bieten würden.
„Wir haben einen maximal dreiinstanzlichen Zug, aber einen vierstufigen Gerichtsaufbau“, sagte Fiedler. „Da heißt es immer, das ist historisch gewachsen, Argument ist das aber keines“, meinte Fiedler. Erste Instanz können in Österreich – abhängig von der Streithöhe – sowohl das Bezirks- als auch das Landesgericht sein. Höherinstanzlich gibt es noch die Oberlandesgerichte und den Obersten Gerichtshof.
OLG-Präsident Jelinek stimmte zu, dass es gut gewesen wäre, von Anfang an nur eine dreistufige Hierarchiestufe zu haben. Nun aber das System umzumodeln, würde zunächst einmal hohe Baukosten bedeuten: „Und ich weiß nicht, wer das zahlt.“
Verwundert zeigte sich Fiedler auch darüber, dass das Justizministerium angekündigt hatte, Rücklagen aufzulösen, um allen Anwärtern das Gerichtspraktikum zu ermöglichen. Argumentiert hatte das Ministerium dies damit, dass der große Andrang von Jungjuristen nicht vorhersehbar gewesen wäre. „Die Aussage wurde abgegeben, bevor das Budget beschlossen wurde“, konstatierte Fiedler. Rücklagen dürfe man aber nur für Unvorhersehbares auflösen. Und etwas, was schon vor dem Beschluss im Parlament klar gewesen sei, könne ja schon begrifflich nicht unvorhersehbar sein.