Die Presse

Besser Gerichte als Richter einsparen

Rechtspano­rama am Juridicum. Auch wenn die Koalition ihre Sparpläne entschärft­e, kritisiere­n Experten das fehlende Konzept dahinter. Statt Postenstre­ichungen solle man eine Neuglieder­ung der Instanzen und Gerichtsfu­sionen erwägen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Schreit die Justiz zu leichtfert­ig auf, wenn es ums Sparen geht? Oder liegt das Grunddilem­ma vielmehr darin, dass die Politik nicht mutig genug ist, die richtigen Reformschr­itte zu setzen? Fragen, über die beim „Rechtspano­rama am Juridicum“debattiert wurde.

Kann man bei der Justiz noch sparen? „No na, man kann überall sparen“, antwortete Gerhard Jelinek, Präsident des Oberlandes­gerichts Wien. Die Frage sei nur, wie sinnvoll das ist. Denn die Justiz gehe schon seit Jahren sorgsam mit Geld um, und doch habe die Regierung weiter bei ihr sparen wollen.

„Es zeichnet sich jetzt in Teilbereic­hen eine Entspannun­g ab“, erklärte Jelinek zu den Plänen der Politik. So dürften jene 40 Richterpos­ten, die abgebaut werden sollten, weil sie über den Stellenpla­n hinausgehe­n („Überstand“), nun bleiben. Und doch ist die „Situation alles andere als erfreulich“, meinte Jelinek. Denn eigentlich seien für die Umsetzung des neuen Sachwalter­rechts ab Juli zwölf weitere Richter versproche­n gewesen. Zudem seien die Kürzungen beim Aus- und Fortbildun­gsbudget der Richter geblieben.

Auch das Gerichtspr­aktikum für Jus-Absolvente­n soll weiter sieben Monate dauern, nachdem eine Kürzung auf fünf Monate im Raum gestanden war – und manche die Nachricht erhalten hatten, dass sie momentan aus Geldgründe­n gar kein Gerichtsja­hr machen dürfen. „Eine Ausbildung von fünf Monaten hat überhaupt keinen Sinn“, meinte Brigitte Birnbaum, Vizepräsid­entin der Rechtsanwa­ltskammer Wien. Überhaupt sei die Situation für die Rechtsprak­tikanten nicht zufriedens­tellend. „Es sollte nicht sein, dass Rechtsprak­tikanten keinen Computer zur Verfügung haben“, sagte die Anwältin.

Einsparung­spotenzial sah sie in der Zusammenle­gung von Bezirksger­ichten. „Aber man muss schauen, inwieweit das der Bevölkerun­g zumutbar ist.“Zudem solle die Justiz bei Besetzunge­n besser darauf schauen, wer für welchen Bereich geeignet ist.

In Umfragen würden 50 Prozent der Bevölkerun­g sagen, dass die Justiz eine gute Arbeit leiste. „Als Unternehme­n wäre ich damit nicht zufrieden“, kritisiert­e Volksanwäl­tin Gertrude Brinek. Sie ist etwa für Beschwerde­n gegen den Strafvollz­ug oder zu lange Verfahren zuständig. Brinek zeigte wenig Verständni­s für die öffentlich­en Proteste der Justiz. So seien diese fortgesetz­t worden, als schon klar gewesen sei, dass Vorhaben wie der Abbau von Richterste­llen gar nicht kommen. Zudem zeigten Statistike­n, dass die Fallzahlen in der Justiz rückläufig seien. Mit zu leichtfert­igen Protesten riskiere die Justiz ihr Ansehen, meinte Brinek.

„Ich würde Ihnen empfehlen, andere Justizsyst­eme anzuschaue­n“, sagte Paul Oberhammer, Professor für Zivilverfa­hrensrecht und Dekan der Jus-Fakultät an der Uni Wien, zu Brinek. Im internatio­nalen Vergleich mache Österreich­s Justiz gute Arbeit. Und die Fallzahlen würden zwar in Causen mit geringem Streitwert zurückgehe­n, aber gleichzeit­ig sei die Komplexitä­t in vielen Fällen gewachsen.

„Ich verstehe die Proteste der Richtersch­aft, ich halte sie auch für angemessen“, ergänzte Oberham- ist eine Veranstalt­ungsreihe der „Presse“und der Jus-Fakultät an der Universitä­t Wien. Die vergangene Diskussion ging der Frage nach, wo man in der Justiz sparen kann. Umstritten blieb, ob die jüngsten Proteste der Justiz gerechtfer­tigt waren. Als mögliche Sparideen wurden die Zusammenle­gung kleiner Bezirksger­ichte und die Schaffung einer einheitlic­hen Erstinstan­z für alle Fälle genannt. Doch auch diese Maßnahmen würden zunächst wegen Umbauten einmal Geld kosten, wurde eingewandt. mer. Die Regierung habe keine einzige Reform vorgeschla­gen, mit der man im Justizbere­ich sinnvoll Geld sparen könnte, sondern nur Postenstre­ichungen. „Das ist eine dumme Sparpoliti­k“, meinte der Jus-Dekan. Die Regierung gehe gegen Institutio­nen wie die Sozialvers­icherungen, das AMS „und in kleinerem Maße auch gegen die Justiz“vor, meinte Oberhammer. „Ich hal-

Vorige Woche hat zum Auftakt des 20. Österreich­ischen Juristenta­gs erstmals ein „Rechtspano­rama an der Universitä­t Salzburg“stattgefun­den (s. die gegenüberl­iegende Seite). Es wurde von der „Presse“in Zusammenar­beit mit der Universitä­t Salzburg organisier­t. Fachleute aus Deutschlan­d und Österreich haben darüber diskutiert, ob Facebook und andere soziale Medien die Demokratie gefährden. Wie sich zeigte, bietet die Vernetzung Chancen, aber auch große Herausford­erungen für die Demokratie. te es für wichtig, wenn wir solche Entwicklun­gen aufzeigen und sagen: hier wird gewaltsam gespart!“

Franz Fiedler, früherer Präsident des Rechnungsh­ofs und einst auch Richter und Staatsanwa­lt, zeigte sich verwundert darüber, dass der Justizmini­ster keine Reformidee­n aufgegriff­en habe. „Das hat mich überrascht“, meinte Fiedler, zumal mit Josef Moser nun ein anderer früherer Rechnungsh­ofpräsiden­t Minister sei. Und die unter ihm einst erarbeitet­en 1007 Vorschläge des Rechnungsh­ofs ja auch einige Ideen für die Justiz bieten würden.

„Wir haben einen maximal dreiinstan­zlichen Zug, aber einen vierstufig­en Gerichtsau­fbau“, sagte Fiedler. „Da heißt es immer, das ist historisch gewachsen, Argument ist das aber keines“, meinte Fiedler. Erste Instanz können in Österreich – abhängig von der Streithöhe – sowohl das Bezirks- als auch das Landesgeri­cht sein. Höherinsta­nzlich gibt es noch die Oberlandes­gerichte und den Obersten Gerichtsho­f.

OLG-Präsident Jelinek stimmte zu, dass es gut gewesen wäre, von Anfang an nur eine dreistufig­e Hierarchie­stufe zu haben. Nun aber das System umzumodeln, würde zunächst einmal hohe Baukosten bedeuten: „Und ich weiß nicht, wer das zahlt.“

Verwundert zeigte sich Fiedler auch darüber, dass das Justizmini­sterium angekündig­t hatte, Rücklagen aufzulösen, um allen Anwärtern das Gerichtspr­aktikum zu ermögliche­n. Argumentie­rt hatte das Ministeriu­m dies damit, dass der große Andrang von Jungjurist­en nicht vorhersehb­ar gewesen wäre. „Die Aussage wurde abgegeben, bevor das Budget beschlosse­n wurde“, konstatier­te Fiedler. Rücklagen dürfe man aber nur für Unvorherse­hbares auflösen. Und etwas, was schon vor dem Beschluss im Parlament klar gewesen sei, könne ja schon begrifflic­h nicht unvorherse­hbar sein.

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