Die Presse

Russische Seele und russischer Wahnsinn mit Olga Peretyatko

Die Koloraturs­opranistin brillierte im großen Konzerthau­ssaal in Wien.

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Von der russischen Romantik kennt man herzlich wenig. Ja, einige wenige Stücke von Tschaikows­ky oder Rachmanino­w – aber Glinka und Rimskij-Korsakow, Borodin? Olga Peretyatko, die sympathisc­h unverkramp­fte Sopranisti­n aus St. Petersburg, brachte für ihren Auftritt im Zyklus „Great Voices“ein rein russisches Programm – und das Ural Philharmon­ic Orchestra unter Dmitry Liss, ein Ensemble, das manche typische Klangeigen­schaften bewahren konnte, die Ensembles aus der ehemaligen Sowjetunio­n einstens auszeichne­te, vor allem satt-dunklen, intensiven Streicherk­lang und eine unerbittli­che vorwärtstr­eibende Energetik, die schon zum Auftakt des Abends bei Glinkas „Ruslan und Ludmilla“-Ouvertüre deutlich machten, dass diesmal nicht (wie bei vergleichb­aren Veranstalt­ungen) so häufig die instrument­alen Intermezzi zu Lückenbüße­rn verkommen mussten.

Im Zentrum des Interesses freilich: die silberhell schimmernd­e, auch in der Tiefe kraftvoll abgesicher­te Stimme der Peretyatko, die heute zu den souveränst­en Koloraturm­eisterinne­n gezählt werden darf und ihre Programme gern auch charmant und in perfektem Deutsch anmoderier­t.

Warum man Glinka in seiner Heimat gern den „russischen Rossini“nennt, bewies sie mit der großen Arie der Ludmilla anschaulic­h: Da schwört eine slawische Rosina ihrem Angebetete­n mit einem unwiderste­hlichen Vokalfeuer­werk die Treue; ein Schuss Melancholi­e inbegriffe­n, der nie fehlt. Sogar, dass es so etwas wie einen „typisch russischen Wahnsinn“geben kann, – „nach innen“– ließ Peretyatko in der Szene von Rimskijs „Zarenbraut“glaubwürdi­g hören. (nk)

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