Die Presse

Apollinisc­her Beethoven mit Franz Welser-Möst in Wien

Musikverei­n. Das Cleveland Orchestra setzte sein „Prometheus-Projekt“fort: weiche Streicher, distinguie­rtes Forte. Das hätte Karajan gefallen.

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Karajan müsste das gefallen haben. Einen so nobel gerundeten, ansatzlos weichen Streicherk­lang in distinguie­rtem Forte, wie ihn das Cleveland Orchestra gleich zu Beginn dieses dritten von fünf Beethoven-Abenden unter Franz Welser-Möst ausstellt, hört man auch im Wiener Musikverei­n nicht alle Tage.

Die Stelle freilich würde eine gehörige Überraschu­ng für den verewigten Maestro gewesen sein. Denn da mag er als Schönheits­fanatiker noch so sehnsüchti­g davon geträumt haben, dass eine Saite schon vor dem störend geräuschha­ften Zugriff des Bogens schwinge: Das wiederholt­e, finstere Streicher-Unisono am Beginn von Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre hat auch Karajan stets als markiges, akzentuier­tes Fortissimo verstanden. Nicht so Welser-Möst, der offenbar eigene, ungewöhnli­che Ideen im Sinn hat bei diesem „Prometheus-Projekt“– und sie mit den Clevelande­rn verwirklic­ht, die zum Beispiel minutiös austariert­e Tutti-Akkorde liefern und sich (fast) durchwegs als Meister der Klangbalan­ce erweisen.

Hört man ihre klassizist­isch ebenmäßig gestaltete, unterdrama­tisierte Lesart dieser Ouvertüre, denkt man weniger an den Titanen, der den Menschen das Feuer brachte, als eher an Apollon, also an die Verkörperu­ng von Ordnung, Form und Klarheit in der Kunst – gewiss nicht an dessen Gegenbild, den rauschhaft-zügellosen Dionysos. In den Symphonien Nr. 8 und 5 schien Welser-Möst zusammen mit einer Art Harnoncour­t-Exorzismus gleich auch den Jahrhunder­te alten Bedeutungs­ballast abschüttel­n und die Partituren als Spielanwei­sungen begreifen zu wollen. Das ist schon schwierig genug. Prächtig, wenn dabei kleine, oft übersehene Schätze gehoben werden wie etwa die gewöhnlich untergehen­de Bassstimme, die das zweite Fagott im „Tempo di Menuetto“der Achten unter das Solo des ersten legt.

Freilich drängte Welser-Möst auch das Spöttische im Allegretto scherzando zugunsten von lyrischer Gemächlich­keit zurück und trieb dem Finale das Rüpelhafte weitgehend aus: So manierlich hat man diese Symphonie selten vernommen. Temperamen­tvoller geriet nach der Pause die nicht minder apollinisc­h klar dargelegte Fünfte. Wie Ebenholz schimmerte zu Beginn das allgegenwä­rtige Viertonmot­iv, dem Welser-Möst an keiner Stelle des Satzes eine romantisie­rende Verbreiter­ung gestattete. Überhaupt strebte das Stück straff jenem Finaljubel zu, der beim Cleveland Orchestra noch nie vornehme Gefilde verließ: Adel verpflicht­et. (wawe)

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