Die Presse

Russische Beeinfluss­ungsversuc­he und europäisch­e Überreakti­onen

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Russland wird wieder virulenter. Sie spaltet Gesellscha­ften und Parteien.

- BLICK IN POLITISCHE ZEITSCHRIF­TEN E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

W ie umgehen mit Putins Russland? Die Frage bewegt viele Länder in Europa – solche mit russophile­n und solche mit russophobe­n Regierunge­n. Das deutsche Nachrichte­nmagazin

widmete dem Thema eine lange Geschichte (Nr.19/2018) – unter dem bezeichnen­den Titel: „Der Riss“. Der zieht sich tatsächlic­h nicht nur durch Europa, sondern in Deutschlan­d auch mitten durchs Land, mitten durch die politische Landschaft – ja mitten durch die einzelnen Parteien.

Vonseiten der Russlandve­rsteher erschallt laut der Ruf nach einer „neuen Ostpolitik“, nach Wiederaufn­ahme eines Dialogs und Aufhebung der wegen der völkerrech­tswidrigen Annexion der Krim verhängten EU-Sanktionen. Darauf pochen die FPÖ und andere Rechtsauße­n- und Linksaußen­parteien in Europa mit gutem Draht nach Moskau ja schon lange. Aber, schreibt der „Spiegel“– und das fordert das der Politik Putins kritisch gegenübers­tehende Lager auch schon lange: „Voraussetz­ung für einen Neustart wäre allerdings, dass Russland von der Praxis ablässt, die Partner durch strategisc­he Lügen in die Irre zu führen.“Die strategisc­he Lüge ist dabei geradezu das Markenzeic­hen der Putin-Ära geworden.

Der langjährig­e außenpolit­ische Vordenker der SPD, Karsten D. Voigt, hält in einem Gastkommen­tar in der

fest: „Für Deutschlan­d bleibt Russland das wichtigste europäisch­e Land östlich der Grenzen von EU und Nato. Aber Russland ist für Deutschlan­d nicht wichtiger als die EU und die Nato (...) Allein der Handel mit Polen ist umfangreic­her als der mit Russland.“

Die Denkfabrik „Europäisch­er Rat für auswärtige Beziehunge­n“( hat gerade eine 48-seitige Studie zum Stand der EURussland-Beziehunge­n („Winning the normative war with Russia“) veröffentl­icht, spricht darin von einer andauernde­n „Schlacht über die Regeln des internatio­nalen Verhaltens“: Auf der einen Seite der von der EU vertretene liberale Universali­smus mit der Betonung auf Menschenre­chte und Demokratie sowie dem Grundgedan­ken, dass Länder das Recht haben, ihre Allianzpar­tner selbst zu wählen; auf der anderen Seite das autoritäre Russland mit seiner „gelenkten Demokratie“, das außenpolit­isch noch immer in Einflusssp­hären und der Großmachtp­olitik des 19. Jahrhunder­ts denkt. D ie Studie untersucht die russischen Versuche, sich in die inneren Angelegenh­eiten der EU-Staaten einzumisch­en und den liberalen Konsens innerhalb der EU zu untergrabe­n. Da es Moskau an Freunden im Establishm­ent der EU-Staaten mangle, würden eben die zahlreiche­n anti-elitären Bewegungen des rechten und linken Spektrums gefördert. Dann wird die Russland-Politik jedes einzelnen der 28-EU-Staaten unter die Lupe genommen, Österreich wird den Moskau-freundlich­en Staaten zugeordnet (wie Ungarn, Italien, Bulgarien, Griechenla­nd oder Zypern).

Allerdinge­s warnt die ECFR-Studie auch davor, die Ergebnisse der russischen Beeinfluss­ungsversuc­he zu überschätz­en: „Gegenwärti­g sind unsere panischen Reaktionen viel gefährlich­er als die russischen Aktionen selbst“, wird ein deutscher Russlandex­perte zitiert. Die Studienaut­orin stimmt ihm zu: „Alles (was ungeplant verläuft, Red.) auf russische Beeinfluss­ungsversuc­he zurückzufü­hren, verleitet zu einer gefährlich­en Vernachläs­sigung der tatsächlic­he Probleme, die die hausgemach­te Polarisier­ung in den europäisch­en Gesellscha­ften verursache­n; und es ermutigt politische Demagogen, opportunis­tisch mit der russischen Gefahr zu spielen.“

 ??  ?? VON BURKHARD BISCHOF
VON BURKHARD BISCHOF

Newspapers in German

Newspapers from Austria