Laizismus ist kein Rezept gegen religiösen Fundamentalismus
Leben Menschen ohne Religion friedlicher zusammen? Geht es Gesellschaften ohne Religionen besser? Geschichte und Gegenwart sprechen nicht dafür.
Angesichts des wieder zunehmenden religiösen Fundamentalismus wurden zuletzt verstärkt die Vorzüge des säkularen Staates beschworen. Dabei geht man gern weit zurück in die Geschichte – etwa zu den Kreuzzügen der Christen oder zur Gegenreformation – um zu belegen, welch schreckliche Folgen eine Vermischung von Religion und Politik hat.
Der Bogen wird dann gespannt zum Islam heute und den Grausamkeiten des Islamischen Staates und der Jihadisten in aller Welt, vornehmlich im Nahen Osten. Ein anschauliches Beispiel, wenn auch nicht ganz so dramatisch, bietet derzeit die Türkei, die sich vom säkularen Prinzip Kemal Atatürks immer mehr in eine islamisch-fundamentalistische Null-Toleranz-Diktatur entwickelt.
Dies alles verstärkt die Rufe, wonach in Europa auf eine striktere Trennung von Religion und Staat geachtet werden sollte. Diese Argumentation ist auf den ersten Blick nachvollziehbar und durchaus verständlich. Als Konsequenz wird eine vollständige Verdrängung alles Religiösen ins Private gefordert. Damit verbunden ist in Österreich etwa die Verbannung religiöser Symbole aus dem öffentlichen Raum, etwa den Kreuzen aus Schulen und Amtsstuben, und die Abschaffung des Religionsunterrichts. Suggeriert wird dabei, dass Religion und deren Einflussnahme auf Staat und Gesellschaft zwingend Intoleranz und Repression Andersdenkender und Andersgläubiger befördert.
Wir haben in Österreich bereits das Prinzip des Säkularismus, also der Loslösung der weltlichen Macht von religiösen Institutionen. Noch weiter geht der Laizismus, den die Religionskritiker eigentlich im Auge haben. Dieser bestimmt, dass sich die Religionen und Kirchen nicht in die Angelegenheiten des Staates einmischen dürfen und schließt die Religionen aus allen Dingen aus, die sie nicht unmittelbar betreffen. Der Staat wiederum verhält sich weltanschaulich neutral, garantiert aber die Religionsfreiheit.
Doch wird mit der Verbannung der Religionen und der religiösen Symbole ins Private automatisch alles besser und das Zusammenleben friedlicher? Der Staat in Europa, der das Prinzip des Laizismus am striktesten umgesetzt hat – und das seit mehr als 100 Jahren – ist Frankreich. Dennoch ist es das Land in Europa, in dem die Kämpfe am heftigsten toben: Straßenschlachten, brennende Autos, Anschläge auf jüdische Geschäfte, Morde an Journalisten. Es sind muslimische Jugendliche, die den Aufstand gegen den laizistischen Staat proben.
Natürlich spielen auch soziale und ethnische Fragen eine Rolle, doch im Kern sind sie religiös motiviert. Der Laizismus, so meinen Beobachter, wirke wie eine Decke, unter der die Probleme umso heftiger brodeln. Die Segregation werde befördert, weil religiöse Eltern ihre Kinder in konfessionelle Privatschulen geben. Ein Religionsunterricht hingegen würde zum gegenseitigen Verständnis beitragen, weil man mehr über andere Religionen erfahre.
In den kommunistischen Ländern wiederum wurde und wird Religion unterdrückt, werden Gläubige mitunter sogar verfolgt. Religion wird durch Ideologie ersetzt. Doch sind diese Länder friedlicher, toleranter und freier? Ganz sicher nicht.
Religionen und deren Glaubenspraxis müssen immer wieder überprüft und auch von außen kritisch hinterfragt werden (dürfen). Religionen und Gläubige mit solider Basis halten das nicht nur aus, sondern tun dies ohnehin.
Das bedeutet nicht, dass man Glaubenssätze oder Grundwerte einfach über Bord wirft, wenn sie unbequem oder unzeitgemäß erscheinen. Wenn man jedoch diese kritische Überprüfung nicht zulässt, führt das rasch zu Fundamentalismus, und dieser zu Radikalität, Intoleranz und Gewalt. Gewalt und Religion sind ein gefährliches Paar, das eigentlich nicht zusammengehört oder zusammengehören sollte. Mit rigidem Säkularismus oder Laizismus allein lässt sich diese Gefahr jedoch nicht abwenden.