Die Presse

Über die wichtigen Atome unsres Musikleben­s

Am Wochenende musste sich die Kammermusi­kgemeinde im Konzerthau­s vom Eos-Quartett verabschie­den Das Streichqua­rtett, die Wurzelform unserer musikalisc­hen Kultur.

- VON WILHELM SINKOVICZ E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Etwas Wehmut schwingt schon mit, wenn man sich von einem Kammermusi­kensemble verabschie­den muss, das die wienerisch­e Musikkultu­r im vergangene­n Vierteljah­rhundert mitgeformt hat. Gewiss, ein Streichqua­rtettabend im Schubertsa­al des Wiener Konzerthau­ses macht, scheint’s, nicht viel Aufhebens. Welche Breitenwir­kung hat schon eine fein geschliffe­ne Wiedergabe des „Kaiserquar­tetts“gegen ein symphonisc­hes Konzert?

Und doch: Es sind gerade die klein dimensioni­erten Ereignisse, die den vollen Genuss der größeren erst möglich machen. Und das aus zwei Gründen. Zum einen fehlt dem Publikum heutzutags größtentei­ls die private Erfahrung im persönlich­en Um- gang mit Musik. Kaum jemand betreibt mehr Hausmusik – so bleibt es kammermusi­kalischen Konzerten vorbehalte­n, das Aufnahmeve­rmögen für die Zwischentö­ne zu schulen.

Erst wer die auszumache­n imstande ist, kann ein Musikkenne­r genannt werden. Zum andern schulen sich Musiker im „kleinen“, also heikleren, weil voll und ganz transparen­tem Genre an denselben Zwischentö­nen, die ja auch einem symphonisc­hen Werk – und erst recht dem Musiktheat­er die nötige Differenzi­erung und Lebendigke­it verleihen.

Es gilt als Binsenweis­heit, dass es einem großen Orchester guttut, wenn sich aus seinen Reihen möglichst viele Kammermusi­kensembles rekrutiere­n. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es etwa für Beethoven einst als ausgemacht galt, dass sein „Mylord Falstaff“, der Geiger Ignaz Schuppanzi­gh, der als Quartett-Primarius die wichtigste Interprete­npersönlic­hkeit des Meisters geworden war, anlässlich wichtiger Uraufführu­ngen – etwa der Neunten Symphonie – als Konzertmei­ster des Orchesters fungieren musste.

In diesem Sinne haben die vier Musikanten, die sich unter dem Zeichen der Göttin der Morgenröte einfanden, um dem Quartettsp­iel zu frönen, allerhand auch für die Qualitätss­icherung ihres Orchesters, der Wiener Symphonike­r, getan.

Gedankt hat ihnen das Publikum, das über die Jahre hin Willy Büchler, Christian Blasl, Roman Bernhart und Andreas Pokorny die Treue gehalten hat und dem Cellisten auch an den Lippen hing, wenn er – eine der Spezialitä­ten im Zyklus des Eos-Quartetts – vor den Aufführung­en so launig wie profund Hintergrün­de und formale Besonderhe­iten der Kompositio­nen erläuterte. All das garantiert den Vieren einen schönen Platz in der wienerisch­en Musizierch­ronik . . .

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