Kampf gegen Plastikmüll im Meer
Umweltschutz. Die Kommission sagt dem Plastikmüll in den Meeren den Kampf an. Von ihrer Idee, den Unionshaushalt zumindest teilweise durch eine Steuer auf Kunststoffabfälle zu finanzieren, verabschiedet sie sich hingegen leise.
Mit dem Verbot von Einwegplastikartikeln sollen die Meere sauberer werden: Besteck, Teller, Strohhalme müssen vom Markt genommen werden, fordert die EU-Kommission.
Die Menschheit hat ein Plastikmüllproblem, jedem Strandspaziergänger ist das augenscheinlich. Fast die Hälfte des Kunststoffmülls, der in die Ozeane gerät, wurde gar nur einmal verwendet: vom Kaffeebecher über den Stiel des Luftballons bis – und das ist wohl kaum einem Raucher bewusst – dem Zigarettenfilter. Um diesem Problem beizukommen, hat die Europäische Kommission am Montag ihre lang erwartete Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt vorgestellt. Hinter diesem langen Titel verbergen sich grob dargestellt vier Arten von politischen Maßnahmen zur Abfallvermeidung, die im schlagzeilenträchtigen Verbot bestimmter Einweg- produkte gipfeln. Einwegbesteck und -geschirr sowie Strohhalme, die Stäbchen, auf denen Luftballons manchmal befestigt werden, sollen nach Inkrafttreten dieser Richtlinie in der Union verboten sein. Dasselbe soll für Baumwollstäbchen gelten, deren Stäbchen aus Kunststoff sind. In Vorahnung des öffentlichen Aufschreis, welcher durch eine verkürzte mediale Wiedergabe dieses Vorhabens aufzubranden droht, beeilte sich Kommissionsvizechef Frans Timmermans bei der Präsentation des Vorschlages um eine Präzisierung: „Lassen Sie mich ganz klar sagen: Diese Produkte werden nicht verschwinden, sondern aus anderen Materialien hergestellt werden“, sagte er und fügte hinzu: „Wir werden keine Luftballons verbieten.“ Vorbild Plastiksackerlverbot
Sehr wohl jedoch möchte die Kommission, dass die Käufer von Luftballons künftig auf deren Verpackung deutlich sichtbar darüber informiert werden, welche Umweltkosten sie mit diesem Kauf verursachen. Die Hersteller von Luftballons sollen zudem nach dem Wortlaut des Vorschlages für die Entsorgungskosten ihrer Produkte aufkommen müssen. Dasselbe soll für eine Reihe anderer Einwegprodukte aus Plastik gelten, nämlich Lebensmittelbehälter, Verpackungen von Süßigkeiten und Knusperzeug, Getränkebehältnisse, Zigarettenfilter, Feuchttücher und Einwegplastiksackerl. Letztere sind übrigens in den Augen von Timmermans ein Beispiel dafür, dass die Umweltvorschriften der EU unerwartet schnell und wirksam Folgen nach sich ziehen können: „Ich habe völlig den Erfolg der Richtlinie über Einwegplastiktaschen unterschätzt.“Deren kostenlose Abgabe an die Kunden von Geschäften ist dank dieser Richtlinie EU-weit verboten, wer seine Einkäufe den- noch im Plastiksackerl nach Hause tragen möchte, muss dafür bezahlen (was zur den Entsorgungskosten beiträgt). Eine EurobarometerUmfrage hat ergeben, dass 72 Prozent der Europäer wegen dieser ab dem Jahr 2015 schrittweise eingeführten Bestimmungen heute weniger Plastiksackerln verwenden als zuvor.
Die Kommission hat sich jene zehn Arten von Produkten vorgeknöpft, die gemeinsam 86 Prozent allen Einwegplastikmülls ausmachen – und fast die Hälfte der gesamten Kunststoffverschmutzung in den Weltmeeren. Ein Viertel aller Abfälle aus Kunststoff, die an den Stränden angespült werden, stammen aus der Fischereiindustrie. Es handelt sich um verloren gegangene oder einfach über Bord geworfene Fischfanggeräte wie Netze, Bojen oder Reusen. Um ihrer Herr zu werden, will die Kommission die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen und zur Tragung der Kosten des Einsammelns und des Abtransports verpflichten.
Die Kommission möchte allerdings auch mit Designvorgaben zur Verringerung des Plastikmülls beitragen. So sollen Einweggetränkebecher künftig nur mehr zugelassen werden, wenn ihre Verschlüsse fix montiert sind. Auch das Recycling soll gestärkt werden: Die Mitgliedstaaten sollen bis zum Jahr 2025 mindestens 90 Prozent aller Getränkeflaschen wiederverwerten, allen voran durch Pfandsysteme. Kein Rückhalt für Plastiksteuer
Die Kommission hofft, dass die nationalen Regierungen und das Europaparlament sich noch vor der Europawahl im nächstjährigen Mai auf diese Maßnahmen einigen können. Frühestens im Jahr 2022 würden dann alle der geschilderten Vorgaben in Kraft treten.
Vom Vorhaben, das EU-Budget ab dem Jahr 2021 durch eine Abgabe auf nicht wiederverwerteten Plastikmüll zu finanzieren, scheint sich die Kommission hingegen angesichts des Unwillens der Regierungen leise zu verabschieden: „Wir erwägen das noch immer, aber es liegt in den Händen der Mitgliedstaaten und des Parlaments“, sagte Jyrki Katainen, ebenfalls Vizepräsident der Kommission, am Montag.
Die EU-Kommission will mit einem Verbot von einigen Einwegplastikartikeln die Umwelt besser schützen. Besteck, Teller, Strohhalme oder Wattestäbchen aus Kunststoff sollen vom Markt genommen werden, teilte die Kommission am Montag mit. Voraussetzung sei, dass erschwingliche Alternativen zur Verfügung stünden. Zudem sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass weniger Lebensmittelverpackungen und Getränkebecher aus Kunststoff verwendet werden.
Kritik am Vorschlag kommt vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs. Die Richtlinie schieße „am Ziel vorbei“, sagte Helmut Schwarzl, Obmann der Berufsgruppe Kunststoffindustrie. Zielführender als Verbote sei vielmehr, das Bewusstsein der Menschen für einen schonenden Umgang mit Ressourcen aller Art zu schärfen.