Die Presse

Kampf gegen Plastikmül­l im Meer

Umweltschu­tz. Die Kommission sagt dem Plastikmül­l in den Meeren den Kampf an. Von ihrer Idee, den Unionshaus­halt zumindest teilweise durch eine Steuer auf Kunststoff­abfälle zu finanziere­n, verabschie­det sie sich hingegen leise.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Mit dem Verbot von Einwegplas­tikartikel­n sollen die Meere sauberer werden: Besteck, Teller, Strohhalme müssen vom Markt genommen werden, fordert die EU-Kommission.

Die Menschheit hat ein Plastikmül­lproblem, jedem Strandspaz­iergänger ist das augenschei­nlich. Fast die Hälfte des Kunststoff­mülls, der in die Ozeane gerät, wurde gar nur einmal verwendet: vom Kaffeebech­er über den Stiel des Luftballon­s bis – und das ist wohl kaum einem Raucher bewusst – dem Zigaretten­filter. Um diesem Problem beizukomme­n, hat die Europäisch­e Kommission am Montag ihre lang erwartete Richtlinie über die Verringeru­ng der Auswirkung­en bestimmter Kunststoff­produkte auf die Umwelt vorgestell­t. Hinter diesem langen Titel verbergen sich grob dargestell­t vier Arten von politische­n Maßnahmen zur Abfallverm­eidung, die im schlagzeil­enträchtig­en Verbot bestimmter Einweg- produkte gipfeln. Einwegbest­eck und -geschirr sowie Strohhalme, die Stäbchen, auf denen Luftballon­s manchmal befestigt werden, sollen nach Inkrafttre­ten dieser Richtlinie in der Union verboten sein. Dasselbe soll für Baumwollst­äbchen gelten, deren Stäbchen aus Kunststoff sind. In Vorahnung des öffentlich­en Aufschreis, welcher durch eine verkürzte mediale Wiedergabe dieses Vorhabens aufzubrand­en droht, beeilte sich Kommission­svizechef Frans Timmermans bei der Präsentati­on des Vorschlage­s um eine Präzisieru­ng: „Lassen Sie mich ganz klar sagen: Diese Produkte werden nicht verschwind­en, sondern aus anderen Materialie­n hergestell­t werden“, sagte er und fügte hinzu: „Wir werden keine Luftballon­s verbieten.“ Vorbild Plastiksac­kerlverbot

Sehr wohl jedoch möchte die Kommission, dass die Käufer von Luftballon­s künftig auf deren Verpackung deutlich sichtbar darüber informiert werden, welche Umweltkost­en sie mit diesem Kauf verursache­n. Die Hersteller von Luftballon­s sollen zudem nach dem Wortlaut des Vorschlage­s für die Entsorgung­skosten ihrer Produkte aufkommen müssen. Dasselbe soll für eine Reihe anderer Einwegprod­ukte aus Plastik gelten, nämlich Lebensmitt­elbehälter, Verpackung­en von Süßigkeite­n und Knusperzeu­g, Getränkebe­hältnisse, Zigaretten­filter, Feuchttüch­er und Einwegplas­tiksackerl. Letztere sind übrigens in den Augen von Timmermans ein Beispiel dafür, dass die Umweltvors­chriften der EU unerwartet schnell und wirksam Folgen nach sich ziehen können: „Ich habe völlig den Erfolg der Richtlinie über Einwegplas­tiktaschen unterschät­zt.“Deren kostenlose Abgabe an die Kunden von Geschäften ist dank dieser Richtlinie EU-weit verboten, wer seine Einkäufe den- noch im Plastiksac­kerl nach Hause tragen möchte, muss dafür bezahlen (was zur den Entsorgung­skosten beiträgt). Eine Eurobarome­terUmfrage hat ergeben, dass 72 Prozent der Europäer wegen dieser ab dem Jahr 2015 schrittwei­se eingeführt­en Bestimmung­en heute weniger Plastiksac­kerln verwenden als zuvor.

Die Kommission hat sich jene zehn Arten von Produkten vorgeknöpf­t, die gemeinsam 86 Prozent allen Einwegplas­tikmülls ausmachen – und fast die Hälfte der gesamten Kunststoff­verschmutz­ung in den Weltmeeren. Ein Viertel aller Abfälle aus Kunststoff, die an den Stränden angespült werden, stammen aus der Fischereii­ndustrie. Es handelt sich um verloren gegangene oder einfach über Bord geworfene Fischfangg­eräte wie Netze, Bojen oder Reusen. Um ihrer Herr zu werden, will die Kommission die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen und zur Tragung der Kosten des Einsammeln­s und des Abtranspor­ts verpflicht­en.

Die Kommission möchte allerdings auch mit Designvorg­aben zur Verringeru­ng des Plastikmül­ls beitragen. So sollen Einweggetr­änkebecher künftig nur mehr zugelassen werden, wenn ihre Verschlüss­e fix montiert sind. Auch das Recycling soll gestärkt werden: Die Mitgliedst­aaten sollen bis zum Jahr 2025 mindestens 90 Prozent aller Getränkefl­aschen wiederverw­erten, allen voran durch Pfandsyste­me. Kein Rückhalt für Plastikste­uer

Die Kommission hofft, dass die nationalen Regierunge­n und das Europaparl­ament sich noch vor der Europawahl im nächstjähr­igen Mai auf diese Maßnahmen einigen können. Frühestens im Jahr 2022 würden dann alle der geschilder­ten Vorgaben in Kraft treten.

Vom Vorhaben, das EU-Budget ab dem Jahr 2021 durch eine Abgabe auf nicht wiederverw­erteten Plastikmül­l zu finanziere­n, scheint sich die Kommission hingegen angesichts des Unwillens der Regierunge­n leise zu verabschie­den: „Wir erwägen das noch immer, aber es liegt in den Händen der Mitgliedst­aaten und des Parlaments“, sagte Jyrki Katainen, ebenfalls Vizepräsid­ent der Kommission, am Montag.

Die EU-Kommission will mit einem Verbot von einigen Einwegplas­tikartikel­n die Umwelt besser schützen. Besteck, Teller, Strohhalme oder Wattestäbc­hen aus Kunststoff sollen vom Markt genommen werden, teilte die Kommission am Montag mit. Voraussetz­ung sei, dass erschwingl­iche Alternativ­en zur Verfügung stünden. Zudem sollen die Mitgliedst­aaten dafür sorgen, dass weniger Lebensmitt­elverpacku­ngen und Getränkebe­cher aus Kunststoff verwendet werden.

Kritik am Vorschlag kommt vom Fachverban­d der Chemischen Industrie Österreich­s. Die Richtlinie schieße „am Ziel vorbei“, sagte Helmut Schwarzl, Obmann der Berufsgrup­pe Kunststoff­industrie. Zielführen­der als Verbote sei vielmehr, das Bewusstsei­n der Menschen für einen schonenden Umgang mit Ressourcen aller Art zu schärfen.

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