Ist die HAK zeitgemäß?
Praktika. Ein Viertel der Handelsschüler und fünf Prozent der Handelsakademiker finden nur ein unbezahltes Pflichtpraktikum. Liegt es an den Unternehmern oder an einem überholten Schultyp?
Jugendliche aus kaufmännischen Schulen finden nur schwer Praktikumsplätze.
Ohne Praktika keine Matura – so sieht es der Lehrplan für Berufsbildende höhere und mittlere Schulen (BMHS) vor. In der HTL ist das seit vielen Jahren Standard. Seit dem Schuljahr 2014/15 sind Pflichtpraktika auch in den Handelsschulen und Handelsakademien vorgeschrieben. Doch im Gegensatz zu HTL-Schülern haben es die Jugendlichen aus den kaufmännischen Schulen sehr schwer, einen geeigneten – und bezahlten – Praktikumsplatz zu finden. Das ergab eine Umfrage unter 3000 Schülern im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) Wien.
Besonders im Argen liegt es mit der Bezahlung. Ein Viertel der befragten Handelsschüler und immerhin fünf Prozent der Handelsakademiker wurden für das Pflichtpraktikum nicht entlohnt. Denn manche Betriebe würden, so die Studie, die Anstellung wie ein Volontariat behandeln. Ein Volontariat entspricht rechtlich gesehen keinem Arbeitsverhältnis und muss deshalb auch nicht bezahlt werden. Das Praktikum schon. „Gibt es aber eine Bindung an die Arbeitszeiten, vorgeschriebene Tätigkeiten und kontrollierende Vorgesetzte, wie bei einem Praktikum, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis“, so Christoph Klein, Direktor der AK Wien.
Anders sieht das die Wirtschaftskammer. Denn Pflichtpraktikum sei nicht gleich Pflichtpraktikum. „Bei einem Verhältnis, in dem die Arbeitsleistung überwiegt, muss der Praktikant auch dement- sprechend entlohnt werden“, erklärt Ingomar Stupar von der Wirtschaftskammer Österreich. Bei vielen Schülern stehe während des Pflichtpraktikums aber die Ausbildung im Vordergrund. In manchen Fällen werde der Praktikant rund um die Uhr geschult und benötige intensive Betreuung. Da der Schüler kaum Arbeitsleistung erbringe, müsse das Pflichtpraktikum auch nicht bezahlt werden.
Ein Drittel ohne Vertrag
Die Arbeiterkammer beklagt, dass die Hälfte der Praktikanten berufsfremd eingesetzt wurde – statt in einem Büro beispielsweise in einem Lager. Das dürfte aber damit zusammenhängen, dass die Schüler kaum eine andere Wahl haben. Denn ohne Praktikum darf man nicht zur Reifeprüfung antreten. An den Arbeitsalltag gewöhnen sich Schüler ohnehin auch beim Kellnern oder Kopieren.
Insgesamt sei die Berufserfahrung aber sehr wertvoll, sagt Betti- na Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Das Pflichtpraktikum in Handelsakademien und -schulen sei aber noch sehr neu und müsse sich etablieren. Viele Unternehmen wüssten noch gar nicht, dass es dieses Praktikum gibt.
Das Bild vom „ausbeuterischen Unternehmen“, das bei der AK-Umfrage gezeichnet werde, lässt die Universitätsprofessorin aber nicht gelten. Ein Praktikum müsse zwar von der Schule vorbereitet werden, hänge aber vor allem von der „Eigeninitiative der Schüler“ab.
Tatsächlich wird auch diese oft mangelnde Initiative der Schüler in der Studie angesprochen. Wie die Zahlen der AK zeigen, kümmern sich die wenigsten selbstständig um das Praktikum: 57 Prozent der Befragten fanden ihre Stelle durch Eltern oder andere Angehörige. 25,5 Prozent wurden durch Freunde oder Bekannte in das Unternehmen vermittelt. Nur ein verschwindender Anteil von elf Prozent kam über eine Initiativbewerbung oder ein Jobinserat zu ihrer Stelle. Vielerorts würden Schüler meinen, das Praktikum „stehe im Lehrplan“. „Möglicherweise haben sich manche Schüler zu sehr auf die Schule verlassen“, sagt auch WU-Professorin Fuhrmann. Die AK fordert die Einrichtung einer Börse für Praktika, um Schüler besser an Firmen zu vermitteln. Die österreichische Hochschülerschaft bietet das schon an.
Auslaufmodell HAK?
In Österreich besuchen 47.000 Schüler eine Handelsschule oder Handelsakademie. Das Image des Schultyps leidet seit Jahren. Die Zahl der Schüler ging in den vergangenen zehn Jahren um knapp 20 Prozent zurück. Im Vorjahr waren beim AMS 623 offene Stellen für HAK-Maturanten gemeldet. Auf diese kamen 6321 arbeitslose Absolventen.