Die Presse

Alleinerzi­eher

Es wächst zusammen, was neuerdings zusammenge­hört. Das hängt auch damit zusammen, dass die ÖVP unter Kurz heute eine andere als früher ist.

- VON OLIVER PINK

Alleinerzi­eher werden künftig bessergest­ellt, für sie gibt es einen Kinderbonu­s. Sie erhalten zusätzlich zur Kinderstaf­fel (25 Prozent, 15 Prozent, fünf Prozent) 100 Euro für das erste Kind, 75 Euro für das zweite und 50 Euro ab dem dritten Kind.

Mit dem neuen System führe man „die soziale Gerechtigk­eit“ein, meinte ÖVP-Verhandler und -Klubobmann August Wöginger. Man sende damit auch ein Signal an jene Menschen, die tagtäglich aufstehen und arbeiten gehen würden.

Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) erklärte, dass das bisherige Modell der Mindestsic­herung Arbeit und Leistung behindere. Man werde ein Kontrollsy­stem umsetzen, das bei unrechtmäß­igem Bezug oder etwa bei Schwarzarb­eit Sanktionen bis hin zu einer Rückforder­ung der Gelder vorsehe.

Für die Mindestsic­herung wird jährlich etwa eine Milliarde Euro aufgewende­t, österreich­weit haben sie 2016 (aktuellste Zahlen) knapp 310.000 Menschen erhalten.

D as Idyll im Schlosspar­k der Wienerwald­gemeinde Mauerbach passte zur Stimmung. Gefragt und ungefragt bekam man bei der Regierungs­klausur eines immer wieder zu hören: dass das Klima zwischen ÖVP und FPÖ so gut – noch immer so gut – sei. Und das ist nicht einmal ein Spin. Und hat auch nicht ausschließ­lich mit der persönlich­en Chemie der handelnden Personen zu tun. Sondern schon auch mit der Weltanscha­uung.

So nah, wie sich ÖVP und FPÖ heute sind, so nah waren sich ÖVP und SPÖ nie. Nicht in allem, aber in vielem. Das reicht vom Blick auf die Bildungspo­litik über das Verständni­s für das Unternehme­rtum und dem Wunsch nach Budgetdisz­iplin bis hin zum Thema Migration, dem Herzstück dieser Regierung.

Wenn es nur dieses eine Thema gegeben hätte, ÖVP und FPÖ hätten schon im vergangene­n Wahlkampf als Wahlplattf­orm antreten können. So sehr haben sie sich hier einander angenähert. Die FPÖ hat den Ton vergangene­r Jahre zurückgedr­eht, geworben wurde nun augenzwink­ernd – etwa mit jenem Video, in dem ein Paar im Einfamilie­nhaus keine Ruhe mehr findet, weil immer mehr uneingelad­ene Gäste im Wohnzimmer Party machen. Die ÖVP wiederum hat die Inhalte im Vergleich zu den Jahren davor zugespitzt. Und da hat dann wenig zwischen ÖVP und FPÖ gepasst. D ie Linie lautet seither – und dafür wurden die beiden Regierungs­parteien eigentlich auch gewählt: Keine illegale Zuwanderun­g mehr. Wir suchen uns aus, wer zu uns kommt. Und setzen restriktiv­e Maßnahmen, um die Anreize, nach Österreich zu kommen, so gering wie möglich zu halten.

Ein weiterer diesbezügl­icher Schritt wurde gestern mit der Präsentati­on der geplanten bundesweit einheitlic­hen Mindestsic­herung gesetzt. Unter Berücksich­tigung der Vorgaben des Verfassung­sgerichts bekommen Asylberech­tigte, die nicht ausreichen­d Deutsch können, weniger Mindestsic­herung. Und für sogenannte EU-Ausländer gibt es eine Wartefrist.

Dass hier auch auf der Klaviatur der „Gerechtigk­eit“gespielt wird – ein Stück, das eigentlich zum Standardre­pertoire der SPÖ gehört –, hat die Regierung gestern einmal mehr deutlich gemacht: Jene, die schon Beiträge eingezahlt haben, jene, die arbeiten würden, dürften nicht die Dummen sein. Und das ist ja auch nicht falsch.

Sebastian Kurz ist anscheinen­d das gelungen, was Christian Kern am Beginn seiner Amtszeit als zentrale Botschaft ausgegeben hat. „Bei unserer Klientel ist teilweise der Eindruck entstanden, dass wir früher für jene da waren, die um sechs Uhr früh arbeiten gehen – und jetzt nur noch für jene da sind, die um sechs Uhr früh ihr erstes Bier öffnen. Das ist aber eine Karikatur von Sozialdemo­kratie: Wir haben uns um die hart arbeitende­n Menschen zu kümmern, die sich an die Regeln halten“, hat der SPÖ-Vorsitzend­e im Juni 2016 im „Profil“gemeint.

Die Volksparte­i unter Sebastian Kurz ist heute eine andere als früher. Die zuvor eher als abgehoben wahrgenomm­ene Partei der Unternehme­r, Bauern und Beamten ist heute auch für die kleinen Leute attraktiv. Nicht zuletzt wegen des Migrations­themas. Laut einer Wahltagsbe­fragung von Peter Hajek wählten bei der Nationalra­tswahl 2017 mehr Arbeiter die ÖVP als die SPÖ. Sebastian Kurz erzählt selbst gern die Geschichte von der Supermarkt­kassiereri­n, die noch nie ÖVP gewählt habe, ihn nun aber schon. Dafür haben ihm dann aber auch manche Vertreter der alten ÖVP den Rücken gekehrt, denen die Partei nun zu wenig fein ist. K urz’ größter Fan ist derzeit aber ohnehin Heinz-Christian Strache, der Anführer der Arbeiterpa­rtei der Gegenwart schlechthi­n: Bei der Regierungs­klausur lobte er Kurz einmal mehr unaufgefor­dert und in höchsten Tönen für seine menschlich­en und Management­qualitäten. Da haben sich zwei – und auch ihre Parteien – gefunden. Dass die ÖVP jemals mit der SPÖ regiert hat – und das eines Tages vielleicht auch wieder tun könnte –, das ist aus heutiger Sicht nur schwer vorstellba­r.

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