Die Presse

Die AfD zwischen Bundestag und Straße

Deutschlan­d. Die AfD mobilisier­t, vor allem ihre Gegner. In der Bundespoli­tik ist man aber noch unsicher, wie man mit der Konkurrenz von rechts am besten umgeht. Dafür hat auch die AfD ihre neue Rolle noch nicht ganz gefunden.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Es wird über Russland gesprochen, auf Stabilität in Italien gehofft, das Asylwesen analysiert und das Dieselverb­ot diskutiert. Aber die Alternativ­e für Deutschlan­d? Bei der Regierungs­pressekonf­erenz am Montag ist die rechte Partei kein Thema. Die Sprecher der Koalition dürften froh darüber sein, immerhin passt es zur Linie der deutschen Regierung: Im Zweifel wird die AfD ignoriert. Auch, wenn man sich selbst nicht ganz sicher ist, ob das die richtige Strategie ist.

24 Stunden zuvor wäre das im Regierungs­viertel kaum möglich gewesen: Nur wenige Hundert Meter entfernt begann die AfD ihren Marschgang für „die Zukunft Deutschlan­ds“in Richtung Brandenbur­ger Tor. Wochenlang hatte sich die Partei darauf vorbereite­t und eine Großdemons­tration mit 10.000 Teilnehmer­n angekündig­t. Womöglich war das eine Strategie, um möglichst viel Aufmerksam­keit zu bekommen. Vielleicht auch eine allzu optimistis­che Planung. Laut Polizei wurden es am Ende allerdings nur etwas mehr als 5000 Menschen, die ihre Deutschlan­d-Fahnen schwenkten.

Wie weit nach rechts lehnen?

Es scheint, als wären nicht nur die anderen Parteien unsicher, wie man mit der neuen Bedrohung durch die AfD umgehen soll. Sondern als hätte auch die Alternativ­e für Deutschlan­d selbst noch gar nicht herausgefu­nden, in welche Rolle sie nun schlüpfen soll. Wie weit nach rechts kann sie sich lehnen, wie viel Provokatio­n kann nachhaltig gut gehen? Deutschlan­d ist mit Rechtspopu­listen im Parlament noch nicht so erfahren wie Österreich. Noch.

Denn bei der Wahl im vergangene­n Oktober erhielt die AfD fast 13 Prozent der Stimmen und damit 92 Mandate im Bundestag. Die neuen Abgeordnet­en sind lästig, sie sind laut – und sie richten ihren Zeigefinge­r auf „die da oben“. Gleichzeit­ig wollen sie nicht Gefahr laufen, selbst als Teil der Elite zu gelten. Die AfD muss also nicht nur im Bundestag Präsenz zeigen, sondern auch auf der Straße.

Dort wurden am Sonntag auch Finger in die Höhe gestreckt, allerdings andere: Die AfD mobilisier­te nicht nur ihre Anhänger, sondern auch ihre Gegner. Mehr als 20.000 Menschen protestier­ten gegen die Partei. „Ganz Berlin hasst die AfD!“, riefen sie dem Demozug entgegen. „Jeder hasst die Antifa“, hallte es zurück. Es sollte bei den verbalen Angriffen bleiben.

Diese waren dafür relativ hart, vor allem jene des AfD-Chefs, Alexander Gauland: Alle anderen Parteien „lieben nicht das deutsche Volk!“, rief er. „Sie lieben die Fremden, nicht euch!“Welche Fremde das sein sollen, erklärte Vizefrakti­onsvorsitz­ende Beatrix von Storch: „Sie haben die Juden aus den muslimisch­en Ländern vertrieben, jetzt verfolgen sie die Christen!“, rief sie. Die Menge bedankt sich mit einem Geburtstag­sständchen – auf Deutsch: „Zum Geburtstag viel Glück.“

„Die Rattenfäng­er der AfD“

Völlig unkommenti­ert ließ die CDU das politische Wochenende dann doch nicht. Sie schickte ihre Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r vor. Mit harten Worten: Die AfD „bringt den Antisemiti­smus in die Parlamente“, schrieb sie in der „Bild am Sonntag“. Die „Rattenfäng­er der AfD“würden behaupten, jüdisches Leben zu schützen. „Dabei gibt es an allen Ecken und Enden Antisemiti­smus.“

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