Selten hat die Welt der Diplomatie mehr Wankelmut gesehen wie im Umgang des USPräsidenten mit dem nordkoreanischen Diktator. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine Analyse.
Nordkorea.
Gegen Ende des Vorjahrs war Kim Jong-un für Donald Trump ein „kranker Hund“und ein „kleiner Raketenmann“. Die Welt wähnte sich am Rand eines Atomkriegs. Dann entstand ein „wundervoller Dialog“, ehe der US-Präsident einen geplanten Gipfel absagte. Nun könnte das Treffen doch zum ursprünglichen Termin in Singapur stattfinden. Oder auch nicht. Da soll noch jemand durchblicken.
Ob sich die beiden Staatschefs am 12. Juni treffen, könnte am Dienstag bekannt gegeben werden. Trumps Anwalt Rudy Guiliani sagte, bis dahin falle „wahrscheinlich“eine Entscheidung, sonst sei es zu spät. US-Teams befinden sich derzeit in Pjöngjang und Singapur, um Details abzuklären. Trump könnte freilich ein Treffen auch kurz vor dem 12. Juni nochmals absagen. Klar ist: So viel Wankelmut rund um ein Thema hat die Welt der Diplomatie noch selten gesehen.
Man kann das auch positiv sehen. Trump besteht nicht auf festgefahrenen Meinungen. Er hat kein Problem damit, seinen Standpunkt zu ändern. Und: Er lässt sich von der Stimmung in der Bevölkerung leiten, ebenso wie von seinen Regierungsmitgliedern. In diesen beiden Punkten liegt jedoch das Hauptproblem. Es gibt in den USA keine klare Tendenz, wie man mit Nordkorea umgehen soll, weder in der Bevölkerung noch unter einflussreichen Politikern noch unter Trumps wichtigsten Einflüsterern.
So hat sich der damalige Außenminister, Rex Tillerson, schon zum Jahreswechsel für Gespräche mit Nordkorea eingesetzt. Trump war dagegen, ebenso wie der nunmehrige Außenminister, Mike Pompeo. Der wiederum war mittlerweile zweimal in Pjöngjang und ist bei den Verhandlungen federführend. Sicherheitsberater John Bolton flüstert Trump ein, Rückgrat zu zeigen. Er soll es auch gewesen sein, der dem Präsidenten zur Absage des Gipfels riet. Verteidigungsminister James Mattis wiederum ist sich des militärischen Risikos bewusst und hofft insgeheim auf ein erfolgreiches Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un.
Auch innerhalb der Parteien ist keine klare Linie zu erkennen. Die Demokraten schwanken zwischen diplomatischer Härte und Annäherung. Grundsätzlich setzt sich die Partei eher für Verhandlungen ein. Doch wissen die Demokraten, dass sowohl Bill Clinton wie auch Barack Obama ein Treffen mit Nordkoreas Führer in Erwägung gezogen haben, es letztendlich aber nie stattfand. Wenn nun ausgerechnet Trump den Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel einleiten würde, wäre das ein schwerer Schlag für die Demokraten.
Auch unter den Republikanern herrscht Uneinigkeit. Dass Trump wegen der Fortschritte um Nordkorea sogar im Gespräch für den Friedensnobelpreis ist, schmeichelt der Partei. Auf der anderen Seite sorgen sich die „Falken“, dass der Präsident dem Diktator Kim zu freundlich begegnet. Floridas einflussreicher Senator Marco Rubio riet indirekt von einem Treffen ab. Er sei überzeugt, Kim werde sein Atomprogramm niemals aufgeben.
Einer der Hauptgründe, warum Trump selbst den Gipfel so sehr will, ist innenpolitisches Kalkül. Der Prozentsatz der Amerikaner, die seine Arbeit gutheißen, ist zuletzt laut CNN-Umfrage auf mehr als 40 Prozent gestiegen. Das liegt an der guten Konjunktur, aber auch an seiner Außenpolitik, die mittler- weile ebenfalls mehr als 40 Prozent positiv sehen. Wenn Trump einen Gipfel als Erfolg verkaufen kann, ohne dabei gegenüber Nordkorea zu freundlich aufzutreten, dürften diese Werte vor den Kongresswahlen im November weiter steigen.
Und schließlich spielt auch das Ego des Präsidenten eine Rolle. So zitierte die „New York Times“, die Trump zu seiner Intimfeindin auserkoren hat, einen Beamten des Weißen Hauses mit den Worten, dass die Zeit für ein Treffen zum ursprünglichen Termin abgelaufen sei. „Wieder mal falsch“, schrieb der Präsident auf Twitter. Es wäre ihm eine Freude, das zu beweisen.