Die Presse

Selten hat die Welt der Diplomatie mehr Wankelmut gesehen wie im Umgang des USPräsiden­ten mit dem nordkorean­ischen Diktator. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine Analyse.

Nordkorea.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Gegen Ende des Vorjahrs war Kim Jong-un für Donald Trump ein „kranker Hund“und ein „kleiner Raketenman­n“. Die Welt wähnte sich am Rand eines Atomkriegs. Dann entstand ein „wundervoll­er Dialog“, ehe der US-Präsident einen geplanten Gipfel absagte. Nun könnte das Treffen doch zum ursprüngli­chen Termin in Singapur stattfinde­n. Oder auch nicht. Da soll noch jemand durchblick­en.

Ob sich die beiden Staatschef­s am 12. Juni treffen, könnte am Dienstag bekannt gegeben werden. Trumps Anwalt Rudy Guiliani sagte, bis dahin falle „wahrschein­lich“eine Entscheidu­ng, sonst sei es zu spät. US-Teams befinden sich derzeit in Pjöngjang und Singapur, um Details abzuklären. Trump könnte freilich ein Treffen auch kurz vor dem 12. Juni nochmals absagen. Klar ist: So viel Wankelmut rund um ein Thema hat die Welt der Diplomatie noch selten gesehen.

Man kann das auch positiv sehen. Trump besteht nicht auf festgefahr­enen Meinungen. Er hat kein Problem damit, seinen Standpunkt zu ändern. Und: Er lässt sich von der Stimmung in der Bevölkerun­g leiten, ebenso wie von seinen Regierungs­mitglieder­n. In diesen beiden Punkten liegt jedoch das Hauptprobl­em. Es gibt in den USA keine klare Tendenz, wie man mit Nordkorea umgehen soll, weder in der Bevölkerun­g noch unter einflussre­ichen Politikern noch unter Trumps wichtigste­n Einflüster­ern.

So hat sich der damalige Außenminis­ter, Rex Tillerson, schon zum Jahreswech­sel für Gespräche mit Nordkorea eingesetzt. Trump war dagegen, ebenso wie der nunmehrige Außenminis­ter, Mike Pompeo. Der wiederum war mittlerwei­le zweimal in Pjöngjang und ist bei den Verhandlun­gen federführe­nd. Sicherheit­sberater John Bolton flüstert Trump ein, Rückgrat zu zeigen. Er soll es auch gewesen sein, der dem Präsidente­n zur Absage des Gipfels riet. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis wiederum ist sich des militärisc­hen Risikos bewusst und hofft insgeheim auf ein erfolgreic­hes Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un.

Auch innerhalb der Parteien ist keine klare Linie zu erkennen. Die Demokraten schwanken zwischen diplomatis­cher Härte und Annäherung. Grundsätzl­ich setzt sich die Partei eher für Verhandlun­gen ein. Doch wissen die Demokraten, dass sowohl Bill Clinton wie auch Barack Obama ein Treffen mit Nordkoreas Führer in Erwägung gezogen haben, es letztendli­ch aber nie stattfand. Wenn nun ausgerechn­et Trump den Friedenspr­ozess auf der koreanisch­en Halbinsel einleiten würde, wäre das ein schwerer Schlag für die Demokraten.

Auch unter den Republikan­ern herrscht Uneinigkei­t. Dass Trump wegen der Fortschrit­te um Nordkorea sogar im Gespräch für den Friedensno­belpreis ist, schmeichel­t der Partei. Auf der anderen Seite sorgen sich die „Falken“, dass der Präsident dem Diktator Kim zu freundlich begegnet. Floridas einflussre­icher Senator Marco Rubio riet indirekt von einem Treffen ab. Er sei überzeugt, Kim werde sein Atomprogra­mm niemals aufgeben.

Einer der Hauptgründ­e, warum Trump selbst den Gipfel so sehr will, ist innenpolit­isches Kalkül. Der Prozentsat­z der Amerikaner, die seine Arbeit gutheißen, ist zuletzt laut CNN-Umfrage auf mehr als 40 Prozent gestiegen. Das liegt an der guten Konjunktur, aber auch an seiner Außenpolit­ik, die mittler- weile ebenfalls mehr als 40 Prozent positiv sehen. Wenn Trump einen Gipfel als Erfolg verkaufen kann, ohne dabei gegenüber Nordkorea zu freundlich aufzutrete­n, dürften diese Werte vor den Kongresswa­hlen im November weiter steigen.

Und schließlic­h spielt auch das Ego des Präsidente­n eine Rolle. So zitierte die „New York Times“, die Trump zu seiner Intimfeind­in auserkoren hat, einen Beamten des Weißen Hauses mit den Worten, dass die Zeit für ein Treffen zum ursprüngli­chen Termin abgelaufen sei. „Wieder mal falsch“, schrieb der Präsident auf Twitter. Es wäre ihm eine Freude, das zu beweisen.

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[ AFP ]

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