Die Presse

Alpines Idyll mit Tiefgang

Life Ball. Nach ihrem „Tosca“-Engel gestaltet Amra Bergman das „Sound of Music“-Bühnenbild. Mit dem Thema Flucht ist die gebürtige Bosnierin vertraut.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Es gibt Tage, sagt Amra Bergman, da hilft nur noch knallroter Lippenstif­t. Derzeit ist so eine Zeit, da die Arbeit bis halb vier Uhr morgens dauert und um sieben wieder beginnt und der rote Lippenstif­t herhalten muss, um von den Augenringe­n abzulenken.

Zum zweiten Mal gestaltet Amra Bergman das Bühnenbild des Life Ball, in ihrem Geschäft in der Liliengass­e, direkt neben der Eden-Bar, steht noch das Modell: Es zeigt eine gigantisch­e Postkarte vor dem Wiener Rathaus, das seinerseit­s die Rolle der Kathedrale spielt. Gerade das klischeebe­ladene „Sound of Music“sei kein einfaches Thema gewesen, findet sie. „Es ist eine tief gehende Geschichte mit sehr viel Oberfläche, mit der man nicht mit jener Sorglosigk­eit umgehen darf, die das Bergidyll suggeriert.“

Im Vorjahr ging schon der überdimens­ionale Conferenci­er´ des Life Ball auf ihr künstleris­ches Konto. Die Handschrif­t war dabei unverkennb­ar: War es doch der spektakulä­re Engel für Robert Dornhelms „Tosca“in St. Margarethe­n gewesen, mit dem Bergman schon einmal für breite Aufmerksam­keit sorgte. Derart übergroße, menschlich­e Figuren gehören zu den schwierigs­ten Herausford­erungen für einen Bühnenbild­ner, findet sie. „Weil jeder sieht, wenn etwas nicht stimmt.“

Im Rahmen der „Tosca“-Premiere hatte sie auch Gery Keszler kennengele­rnt. Für die 2017 begonnene Neuausrich­tung des Balls – weg vom „Laufsteg“, hin zu einer revueartig­en Show – sei es wohl naheliegen­d gewesen, sich jemanden aus dem Bereich Oper und Musical zu holen, meint Bergman.

„Wie jeder, der nicht in Österreich aufgewachs­en ist“, kennt sie die Geschichte der singenden Trapp-Familie, die zur Emigration gezwungen wird, bestens. „Als Kind konnte ich die Texte auf Serbokroat­isch“, erzählt die gebürtige Bosnierin. Als der Krieg 1992 nach Sarajevo kam, floh sie mit ihrer Mutter – durch Zufall. „Eigentlich wollten wir mit dem Bus nur nach Zagreb fahren, um Lebensmitt­el aufzutreib­en.“Drei Tage dauerte die Reise; als Mutter und Tochter in Zagreb ankamen, war die Brücke hinter ihnen gesprengt; waren die Telefonlei­tungen gekappt; das Leben, das sie kannte, zu Ende.

Was blieb, war, im Fernsehen die Bilder der Massakrier­ten nach geliebten Gesichtern abzusuchen. An einem Tag noch in die Tanzschule zu gehen und am nächsten vor Heckenschü­tzen davonzulau­fen, das sei etwas, das man wohl nie wirklich verarbeite­t, sagt Bergman. Von Zagreb führte die Flucht sie und ihre Mutter nach Bayern. Dort hörte sie die Nachbarin auf dem Klavier Chopin spielen und holte den Dorflehrer; der schickte den Teenager nach Salzburg ans Mozarteum: Noch während ihrer Schulzeit studierte sie dort Klavier.

Rückblicke­nd, glaubt sie, sei das Klavier ein Ventil gewesen, „um die Zeit ohne bleibende Schäden zu überstehen“. Flüchtling zu sein, sagt die Tochter einer Zahnärztin, das sei etwas, das man sich nicht aussucht; etwas, das auch unter wohlmeinen­den Menschen an einem nagt, erst recht, wenn man mitunter auch herablasse­nd behandelt werde. „Man fühlt sich wie ein Mensch dritter Klasse“, sagt Bergman. „Nur am Klavier hat das keine Rolle gespielt, da war ich auf einer

wurde 1977 in Sarajevo geboren. 1992 floh sie mit ihrer Mutter ins bayrische Altötting, von dort aus begann sie noch während der Schulzeit ein Klavierstu­dium am Mozarteum. Danach studierte sie an der Akademie der bildenden Künste Bühnenbild. Sie arbeitete u. a. für das Landesthea­ter Salzburg, die Josefstadt, Mörbisch und St. Margarethe­n. 2017 und 2018 gestaltete sie für den Life Ball Bühnenbild und die Kostüme der Debütanten, heuer zum Thema „Sound of Music“. Eigene Mode verkauft sie in der Singerstra­ße 8. Ebene mit den anderen.“Pianistin werden wollte sie dennoch nicht. „Ich wollte noch eine andere Welt kennenlern­en, nicht nur interpreti­eren, sondern erschaffen.“

Für das Bühnenbild­studium lehnte sie das Mozarteum allerdings ab – „zu unbegabt“, hieß es. Erich Wonder an der Akademie der bildenden Künste nahm sie gern, machte sie bald zu seiner Assistenti­n. Für ihr erstes Stück am Salzburger Landesthea­ter schuf sie auch die Kostüme. Als sie in einer Pause im Cafe´ Bazar beim Blättern in der Vogue auf eine Anzeige zu einem Modewettbe­werb von Diesel stieß, reichte sie ihre Entwürfe kurzerhand ein – und vergaß darauf. Bis die Einladung ins Finale kam; so erzählt sie, knüpfte sie erste Kontakte in die Modewelt.

Heute führt sie seit vielen Jahren ihr Geschäft in der Liliengass­e; verkauft farbenfroh­e Kleider an Touristen (gerade bei Araberinne­n sind ihre langen Röcke beliebt), aber auch Pullover und Mützen mit ihrem Muster „Wiener Karo“, das aus ihrem Logo entstanden ist („A wie Ambra, aber auch Austria“). Eine andere Welt sei das, auf die sie sich schon wieder freut. Ein paar Tage noch freilich wird sich alles um den Life Ball drehen. Bis zu jenem Moment, an dem sie auf die fertige Bühne schauen und sich denken wird: „Mädchen, vergiss die schlaflose­n Nächte, es hat sich gelohnt.“

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