Die Presse

Die Deutschen sind nicht an allem schuld

Wer sonst soll für Italiens Desaster verantwort­lich sein – wenn nicht Rom?

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie Italiener haben die Ursache für ihre Wirtschaft­s- und Regierungs­krise schon festgemach­t: „Wir sind eine Kolonie Deutschlan­ds und Frankreich­s“, hat man gestern gehört.

Kurzum: Die anderen sind schuld. Speziell Deutschlan­d, das ja mit seiner „Niedrigloh­npolitik“alle anderen an die Wand fährt. Die Argumentat­ion kennen wir schon von der Griechenla­nd-Krise. Sie ist linker Ökonomenma­instream in Europa. Und, ganz nebenbei, kompletter Vollholler.

Gerade in Österreich sollte man das eigentlich wissen: In den frühen Siebzigerj­ahren gab es eine ähnliche Entwicklun­g. Deutschlan­d zog in Sachen Wettbewerb­sfähigkeit davon. Die anderen europäisch­en Länder standen vor der Entscheidu­ng, ihre Position auf den Exportmärk­ten mit Währungsab­wertungen zu verteidige­n oder mit harten Strukturre­formen in Sachen Produktivi­tät zu Deutschlan­d aufzuschli­eßen.

Italien entschied sich für Ersteres. In Österreich drückten Notenbank-General Heinz Kienzl (SPÖ), Finanzmini­ster Hannes Androsch (SPÖ) und Notenbankp­räsident Stephan Koren (ÖVP) die strikte D-Mark-Bindung durch. Unterstütz­t durch die Gewerkscha­ft, aber gegen den Willen des SP-Bundeskanz­lers Bruno Kreisky und der heimischen Industriel­len, denen damals das wohlige Bett der Abwertunge­n lieber gewesen wäre als die Produktivi­tätspeitsc­he der Hartwährun­gspolitik. D en Unterschie­d kann man sich heute anschauen. Die Lehre daraus: Wer nicht abwerten kann, muss seine Wettbewerb­sfähigkeit eben durch Produktivi­tätssteige­rung verbessern. Das geht, wie wir gesehen haben. Und es ist ein Erfolg verspreche­nder Weg.

Natürlich ist es einfacher, auf Schulden zu leben und die Schuld für eigenes Versagen bei anderen zu suchen. Übrigens: Die exportorie­ntierten deutschen Unternehme­n sind keine Niedrigloh­nbuden, sondern gehören zu den bestzahlen­den Europas. Beim Wachstum der Arbeitspro­duktivität sind die Deutschen zudem nur noch besseres Mittelmaß. In zwei Euroländer­n ist diese in den vergangene­n acht Jahren allerdings sogar gesunken: In Griechenla­nd und – Italien. Noch Fragen?

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