Die Presse

Der Gemeindekr­edit aus dem Netz

Finanzieru­ng. Viele Gemeinden verschulde­n sich bei ihrer lokalen Hausbank. Das ist oft nicht die günstigste Methode. Eine Schweizer Plattform bietet nun eine Alternativ­e an.

- VON JAKOB ZIRM

Kredite im Ausmaß von etwa zwei Milliarden Euro nehmen die österreich­ischen Gemeinden pro Jahr neu auf. Anders als etwa der Bund oder zunehmend auch die Länder erfolgt das jedoch nicht in Form von Anleihen, bei denen eine Ausschreib­ung möglichst niedrige Zinsen garantiert. Stattdesse­n wird häufig ein traditione­ller Kredit bei der lokalen Hausbank aufgenomme­n. Kein Wunder, schließlic­h bedeutet der Vergleich verschiede­nster Kreditange­bot für die meist nebenberuf­lich oder gar nur ehrenamtli­ch tätigen Gemeindeka­ssiere viel zusätzlich­e Arbeit.

Diese Vorgangswe­ise dürfte die österreich­ischen Gemeinden jedoch jedes Jahr eine ganze Menge Geld kosten. Denn ohne Konkurrenz­druck dürften die Gebühren bei vielen Gemeindekr­editen eher im oberen Bereich zu finden sein. Ein Zustand, den die Schweizer Internet-Plattform Loanboox nun ändern will. Denn auf Loanboox können Gemeinden in nur wenigen Schritten ihren Kreditbeda­rf allen potenziell­en Kreditgebe­rn im deutschspr­achigen Raum anbieten. Darunter fallen nicht nur Banken, sondern auch Versicheru­ngen und Pensionsfo­nds, die eine konservati­ve Veranlagun­g für ihre Gelder suchen.

„Öffentlich rechtliche Schuldner sind immer sehr ähnlich. Sie haben eine hohe Bonität und die von ihnen benötigten Finanzieru­ngsprodukt­e haben nur eine geringe Komplexitä­t“, sagt Loanboox-Chef Stefan Mühlemann im Gespräch mit der „Presse“. Der Gemeindekr­edit sei daher ein sogenannte­s Finanz-Commodity. „Und so etwas gehört heutzutage unbedingt auf eine Internet-Plattform“, so Mühlemann. Das Schweizer Unternehme­n startete erst im September 2016 seinen Betrieb. Nach nur eineinhalb Jahren wurden jedoch bereits Kredite im Ausmaß von neun Milliarden Euro angefragt. „Etwa die Hälfte aller Anfragen wird auch über unsere Plattform abgeschlos­sen.“

Seit Ende 2017 ist Loanboox auch in Deutschlan­d aktiv. Seither hat es dort ebenfalls bereits Kreditanfr­agen von über einer Milliarde Euro gegeben. Ab dem Frühsommer soll es das Angebot nun auch in Österreich geben. Lokaler Partner ist dabei Kommunalne­t, eine mehrheitli­che Tochter des Gemeindebu­ndes, die bereits eine ServiceHom­epage für österreich­ische Gemeinden anbietet.

„Wir erwarten, dass mittelfris­tig eine Milliarde – also etwa die Hälfte der jährlichen Neuverschu­ldung – über Loanboox an- gefragt werden wird“, sagt Kommunalne­tGeschäfts­führer Lucas Sobotka. Zudem soll es durch die höhere Transparen­z und die standardis­ierten Kreditvert­räge auch „zu einer deutlichen Profession­alisierung der Gemeindefi­nanzierung kommen“. Und nicht zuletzt sollen auch die Kosten geringer ausfallen.

So soll etwa die Bürokratie rund um die Kreditverg­abe um „80 bis 90 Prozent“geringer ausfallen, meint Sobotka. Denn im System von Kommunalne­t sind die Gemeinden bereits registrier­t, die potenziell­en Geldgeber können sich also sicher sein, wer ihr Gegenüber ist. Zudem werden auch die letzten drei Rechnungsa­bschlüsse automatisc­h eingespiel­t, damit sich die potenziell­en Kreditgebe­r auch gleich ein finanziell­es Bild über die möglichen Schuldner machen können.

Der Kreditnehm­er muss nur eingeben, wie viel Geld er braucht und bis wann und auf welche Art er es zurückzahl­en will. Au- ßerdem kann er angeben, welchen Institutio­nen das Angebot vorgelegt werden soll. „Viele Kommunen laden ihre bisherige Hausbank extra ein, ihnen ein Angebot zu stellen“, sagt Mühlemann. Es gebe aber auch Fälle, in denen einzelne Banken absichtlic­h abgewählt werden – etwa, weil sie gerade die Filiale in der Ortschaft geschlosse­n haben.

Durch die höhere Konkurrenz würden sich beinahe immer geringere Kreditmarg­en als bei der angestammt­en Hausbank ergeben, sagt Mühlemann. Das würde auch die Vermittlun­gsprovisio­n von Loanboox in Höhe von 1,5 Basispunkt­en locker wettmachen. Die große Einfachhei­t des Systems habe inzwischen sogar dazu geführt, dass sich nicht mehr nur Gemeinden über die Plattform refinanzie­ren, sondern auch die Banken anfingen, sich selbst frisches Geld von anderen Finanzinst­ituten zu leihen, so der Schweizer Firmengrün­der.

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