Die Presse

Die Ölpreisral­lye ist zu Ende

Fast ein Jahr lang kannte der Ölpreis nur die Richtung nach oben. Nun scheint die Rallye erst einmal gestoppt – und das vielleicht auf lange Zeit. Die Opec+ hat ihre Macht erneut bewiesen.

- VON EDUARD STEINER

Nur wenige Tage ist es her, dass mancher Analyst, beflügelt vom fast einjährige­n Ölpreisans­tieg auf zwischenze­itlich 80 Dollar, Notierunge­n von demnächst 100 Dollar pro Barrel prognostiz­iert hat. Daraus wird nun allem Anschein nach auf längere Zeit nichts. Seit Freitag ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Binnen zweier Tage ging die Notierung für die in Europa relevante Nordseesor­te Brent um fünf Prozent auf nun 75 Dollar zurück. Bei der US-Sorte WTI sogar um sieben Prozent.

Auslöser für den Kurssturz waren Nachrichte­n, dass die Organisati­on Erdöl produziere­nder Länder (Opec) und die elf mit ihr in der sogenannte­n Opec+ verbündete­n Förderstaa­ten wie Russland ihre Fördermeng­en in der zweiten Jahreshälf­te ausweiten könnten.

Russlands Energiemin­ister, Alexandr Nowak, hatte diese Überlegung am Freitag kundgetan und wurde dabei von seinem saudischen Amtskolleg­en, Khalid al-Falih, unterstütz­t. Laut Nowak werde man bei der nächsten gemeinsame­n Sitzung am 22. Juni in Wien darüber befinden: Komme man zu der Ansicht, dass man die vor eineinhalb Jahren beschlosse­ne und nach wie vor geltende Förderkürz­ung lockern solle, werde man das wohl schon ab dem dritten Quartal vornehmen, sagte er.

Wie der einjährige Preisansti­eg so zeigt auch der jetzige Preisrückg­ang, dass die Opec+ sich tatsächlic­h zu einer marktbeweg­enden Allianz etabliert hat. Bis vor einem Jahr ist dies noch bezweifelt worden und stattdesse­n den USA mit ihrer Förderung aus Schieferge­stein die führende Rolle auf dem Markt zugeschrie­ben worden.

Ob führend oder nicht, ihre Rolle ist in der Tat groß. Und sie wurde im letzten Jahr in dem Maße wieder größer, in dem der Ölpreis anstieg. Der Preiszuwac­hs nämlich machte und macht Investitio­nen in neue Bohrlöcher wieder richtig rentabel. Davon zeugt etwa, dass die Zahl der US-Bohraktivi­täten in der letzten Woche nach Daten der Erdöl-Service-Gesellscha­ft Baker Hughes um 15 Ölbohrunge­n auf 859 gestiegen ist. „Das war der stärkste Wochenanst­ieg seit Februar“, schreibt die Commerzban­k in einem Kommentar: „Im gesamten Monat Mai sind bislang 34 neue Ölbohrunge­n hinzugekom­men.“

Ins Auge springt, dass sich nun auch Russlands Präsident, Wladi- mir Putin, gegen einen zu hohen Ölpreis aussprach und damit eine gewisse Marschrich­tung für die Opec+ vorgab. Vor wenigen Wochen hatte sich schon sein USAmtskoll­ege, Donald Trump, über den hohen Preis empört. Putin sagte Ende der Vorwoche, dass ein Preis von 60 Dollar je Barrel ausgewogen sei, weil er Investitio­nen im Sektor prognostiz­ierbar mache: Ein zu hoher Preis verursache gewisse Probleme bei den Konsumente­n, woran auch die Produzente­n nicht interessie­rt seien.

Über das Ausmaß der möglichen Produktion­sausweitun­g durch die Opec+ kursieren derzeit noch unterschie­dliche Einschätzu­ngen: Sie reichen von 300.000 Barrel pro Tag bis zu einer Million Barrel. In jedem Fall wird die Opec+ damit plötzlich in dieselbe preisdämpf­ende Richtung wirken wie die USA.

Dem stehen auch künftig die geopolitis­chen Risken gegenüber, die den Preis recht schnell wieder stützen oder gar erhöhen könnten – allen voran die US-Sanktionen gegen den Iran.

Und an den preistreib­enden Produktion­sausfällen im finanziell ausgeblute­ten Venezuela, in Angola und Algerien wird sich so schnell auch nichts ändern.

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