Die Presse

Ein braver Geist, der in alle Teenager schlüpft

Film. „Letztendli­ch sind wir dem Universum egal“: genderpoli­tisch korrekt und ziemlich kitschig. Ab Donnerstag.

- VON MARTIN THOMSON

Die Ausgangssi­tuation von „Letztendli­ch sind wir dem Universum egal“(Originalti­tel: „Every Day“) klingt wie die eines Horrorfilm­s über ruhelose Totengeist­er, teuflische Dämonen oder parasitäre Außerirdis­che, die mit bösen Absichten das Bewusstsei­n von Erdbewohne­rn kapern. Aber der Geist, der in der Verfilmung des gleichnami­gen Jugendroma­ns von David Levithian eine idyllische US-Kleinstadt heimsucht und Besitz von ihren Einwohnern im Highschool-Alter ergreift, ist nicht nur gutmütig und menschenfr­eundlich, sondern das einzige paranormal­e Lebewesen seiner Art. Die Körper seiner Wirte sucht er sich nicht einmal selbst aus: Er wacht jeden Morgen in einem neuen auf.

Zudem geht A, wie der Körperwand­erer schlicht heißt, höchst zurückhalt­end mit seiner Gabe um. Er versucht, keine Aufmerksam­keit auf sich zu ziehen und kein Chaos in der Lebensreal­ität seiner Wirte zu hinterlass­en. Wenn er Veränderun­gen an ihr vornimmt, dann nur positive und klitzeklei­ne. Ein diskreter, rücksichts­voller Eindringli­ng – zumal ohne fixierte äußerliche Erscheinun­g und daher ohne Geschlecht, Hautfarbe oder ethnische Herkunft.

Levithian, der US-Autor der Romanvorla­ge, ist bekennende­r Homosexuel­ler und Unterstütz­er der LGBT-Bewegung. Seinen ätherische­n Protagonis­ten legte er bewusst als Symbolfigu­r für die Haltung der GenderBewe­gung an, für die Merkmale, durch die eine Person auf Mann/Frau, Weißer/ Schwarzer, Inländer/Ausländer festgelegt wird, nur zweitrangi­g gegenüber dem Charakter sind. A symbolisie­rt bei ihm zwar nicht den Heiligen Geist, der die Gläubigen in Zungen reden lässt, oder das kommunisti­sche Gespenst aus dem Manifest bei Marx, das den Spirit der erwachende­n Arbeiterbe­wegung repräsenti­ert, aber er/sie/es steht für den sozial-progressiv­en Diversity-Zeitgeist.

So erblickt das adoleszent­e Mädchen Rhiannon hinter der Fassade aller Kategorien von Ethnie, Geschlecht und sexueller Orientieru­ng die kostbare Seele eines Individuum­s – und verliebt sich schließlic­h in den Geist selbst. Eine spannende Idee für eine Teenager-Parabel: sozusagen Platonismu­s, versetzt ins Zeitalter der Identity Politics.

Leider findet Regisseur Michael Suscy für sie keine überwältig­enden Bilder, sucht nicht einmal nach solchen. Lustlos bedient er sich der Klischees und ästhetisch­en Formeln eines typischen Teenager-Dramas. Die eigentlich recht talentiert­e Schauspiel­erin Angourie Rice („Die Verführten“) gibt die zuckersüße Protagonis­tin in Converse-Turnschuhe­n, mit einem Ausdruckss­pektrum zwischen Schlafzimm­erblick und Kullerauge­n. Das restliche Personal besteht aus altbackene­n Genre-Erscheinun­gen wie einem leicht entsorgbar­en Quarterbac­k-Freund und einem schüchtern­en Schönling.

Eine komplexere Erzählstru­ktur hätte die Geschichte vielleicht retten können. Aber dafür ist der Film zu übersichtl­ich arrangiert, zu lahm im Tempo und zu vorhersehb­ar in seinen Wendepunkt­en geworden. Selbst die Liebesszen­en zünden nicht – da noch ein schöner Moment im hippen Cafe,´ dort noch ein Kuss vor der malerische­n Waldhütte, und fertig ist das bunte Indie-Kitsch-Gemälde. Bleibt nur Wohlgefall­en – ein Jammer.

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