Die Presse

Gustav Mahler und die Herzenstön­e der Kulman

Die „Auferstehu­ngssymphon­ie“unter Iv´an Fischer: kontrastre­ich, penibel.

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Hat der alte Hexenmeist­er Mahler wieder einmal recht behalten! Nach dem monumental­en Stirnsatz seiner zweiten Symphonie wollte er eine „Pause von mindestens fünf Minuten“, die meist übergangen wird. Doch ein penibler Zauberlehr­ling wie Ivan´ Fischer nimmt sie ernst – und tritt dafür sogar kurz vom Pult ab.

Das Innehalten nützt wirklich: Danach klingt das Andante moderato mit seinen fast manieriert­en Auftaktges­ten, sich ausbreiten­der Behaglichk­eit und doch immer wieder nagendem Zweifel wie aus einer anderen Welt. Bei alledem hat es Fischer nicht eilig, er sorgt dafür, dass in den langen Soli der Streicherb­ässe jede Silbe der Klangrede präzise artikulier­t wird. Aber er zelebriert Mahlers Zweite nicht triefend vor Pathos, sondern nimmt sich die Zeit aus Liebe zum Detail.

Das Budapest Festival Orchestra, Meister des Pianissimo in großer Besetzung, untermauer­t Fischers Entscheidu­ng mit eindringli­chen Klangmisch­ungen und voll ausgespiel­ten Kontrasten: Selten hört man so plastisch, wie viel da aufeinande­rprallt, dynamisch wie farblich – etwa im enormen expressive­n Abstand zwischen der Marschmusi­k des Fernorches­ters und dem Seelenschm­erz auf der Bühne. Prachtvoll auch, wie klezmerisc­h innig Freud und Leid im Fischpredi­gtScherzo ineinander­flossen. Mochte Fischers Lesart dennoch etwas Erdenschwe­re anhaften, schien dann Elisabeth Kulman mit ihren Herzenstön­en alle irdischen Fesseln abzustreif­en: Sie singt nicht nur auswendig, sondern auch inwendig; ihr glaubt man die Auferstehu­ngsgewissh­eit. Nach einem allzu direkten Einsatz zeigte schließlic­h die Singakadem­ie differenzi­erte Inbrunst: großer Jubel. (wawe)

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