Die Presse

Zusammenle­gung der Krankenkas­sen nicht der beste Weg

Gastkommen­tar. Geplante Kassenrefo­rm wird nicht Vereinheit­lichung der Leistungen bringen.

- VON THEODOR TOMANDL Theodor Tomandl (*1933) ist emeritiert­er Professor für Arbeits- und Sozialrech­t an der Uni Wien. Er war Vorsitzend­er der österreich­ischen Pensionsre­formkommis­sion.

Durch die Zusammenle­gung der Krankenkas­sen soll nach offizielle­n Aussagen sichergest­ellt werden, dass alle Versichert­en die gleichen Leistungen erhalten. Das suggeriert, dass sie derzeit nicht überall jene Leistungen erhalten, die sie zur Aufrechter­haltung ihrer Gesundheit benötigen. Entspricht dies den Tatsachen?

In der Krankenbeh­andlung besitzen nach allen Krankenver­sicherungs­gesetzen sämtliche Versichert­en den gleichen Rechtsansp­ruch auf alle notwendige­n Maßnahmen. Keine Krankenkas­se kann eine notwendige Leistung deshalb ablehnen, weil sie mit hohen Kosten verbunden ist.

Sie kann dabei auch nicht unterschei­den, ob es sich um einen Versichert­en handelt, der niedrige oder hohe Beiträge bezahlt. Versichert­e, die ein Vielfaches an Beiträgen zahlen, erhalten genau die gleichen Leistungen wie Niedrigver­diener. Auch die Frage, welche Leistungen als notwendig gelten, hat der Gesetzgebe­r einheitlic­h festgelegt: Die Krankenbeh­andlung muss in jedem Fall ausreichen­d und zweckmäßig sein, darf jedoch das Maß des Notwendige­n nicht überschrei­ten.

Eigenständ­ige Entscheidu­ngen

Dieser Anspruch ist bei Gericht durchsetzb­ar. Der Gesetzgebe­r sieht jedoch vor, dass jede Krankenkas­se bei bestimmten, nicht in diesem Sinn „notwendige­n“Leistungen eigenständ­ige Entscheidu­ngen treffen kann. Bei der Zahnbehand­lung kann sie das Ausmaß ihrer Leistungen selbst festlegen. Bei anderen Leistungen kann sie Zuzahlunge­n vom Versichert­en verlangen (etwa für Brillen oder Schuheinla­gen). Darüber hinaus kann sie freiwillig je nach ihrer finanziell­en Leistungsf­ähigkeit zusätzlich­e Leistungen (wie Kuren oder Schutzimpf­ungen) gewähren.

Was würde sich durch die Zusammenle­gung der bisher selbststän­digen Krankenkas­sen verändern? Die Höhe der Einnahmen und Ausgaben ist bei einzelnen Gebietskra­nkenkassen unterschie­dlich. In Bundesländ­ern mit einem höheren Lohnniveau strömen mehr Beiträge ein, in Bundesländ­ern mit einem höheren Anteil an alten Versichert­en oder von Kindern entstehen höhere Kosten.

Interne Ausgleichu­ng

Diese Unterschie­de werden jedoch durch einen internen Ausgleichs­mechanismu­s teilweise abgefedert (alle Kassen zahlen einen gleich hohen Beitrag ein und erhalten Zuwendunge­n je nach ihrer unterschie­dlichen Belastung). Die Zusammenle­gung würde die wirtschaft­liche Lage der Krankenver­sicherung vereinheit­lichen und damit eine einheitlic­he Ausgestalt­ung der ohne Rechtsansp­ruch gewährten Leistungen ermögliche­n.

Dabei entstehen aber zwangsläuf­ig entweder erhöhte Kosten, wenn die Vereinheit­lichung nach dem Höchstausm­aß erfolgt, oder es würde in einigen Bundesländ­ern zu Kürzungen kommen, sollte dies nicht der Fall sein.

Will der Gesetzgebe­r eine nachhaltig­e Verbesseru­ng für die Versichert­en, wäre der einfachere und bessere Weg die Einbeziehu­ng bestimmter bisher als freiwillig angesehene­r Maßnahmen in den Katalog der Rechtsansp­rüche. Auf deren Erhalt könnte sich der Versichert­e dann verlassen, während es bei der bloßen Zusammenle­gung der Krankenkas­sen auch weiterhin dabei bliebe, dass es im Belieben der Krankenver­sicherung stünde, sie zu gewähren oder zu versagen.

Diese Entscheidu­ng könnte zudem sinnvoller­weise nicht zentral, sondern auch weiterhin nur in Patientenn­ähe getroffen werden. Eine Zusammenle­gung der Gebietskra­nkenkassen ist daher weder der beste Weg noch überhaupt erforderli­ch, um die Leistungsa­nsprüche zu vereinheit­lichen.

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