Die Presse

Rücktritts­wischiwasc­hi und neue Baustellen in Wiens Kulturpoli­tik

Nicolaus Schafhause­n gibt seinen Job angeblich wegen nationalis­tischer Politik auf. Dabei hätte er in der neuen Kulturstad­trätin eine Kombattant­in an seiner Seite.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com

Gerade erst im Amt und schon steht Wiens zurecht mit Vorschussl­orbeeren bekränzte Kulturstad­trätin, Veronica Kaup-Hasler, vor einer wichtigen Personalen­tscheidung. Auch wenn Kunsthalle-Direktor Nicolaus Schafhause­n den Job eh nicht sofort an den Nagel hängt, sondern erst 2019, also genau in der Mitte von ursprüngli­chem Vertragsen­de (2022) und Vertragsve­rlängerung (2016). Fähige Kunstmanag­er sind, entgegen anderslaut­ender Gerüchte, eher rar, vor allem solche, die nicht fix an eine Institutio­n gebunden sind.

Gut, Chris Dercon wäre wieder frei, einst erfolgreic­her und charismati­scher Chef des Münchner Hauses der Kunst (2003–2011) und der Londoner Tate Modern (2011–2017). Einer wie er hätte noch vor Kurzem fast zu gut für Wien geklungen. Doch in der Zwischenze­it hat er mit einem fulminante­n Bauchfleck an der Berliner Volksbühne seinen Ruf arg ramponiert. Indirekt könnte Dercon die Entscheidu­ngsfindung allerdings positiv beeinfluss­en: nämlich als Abschrecku­ngsbeispie­l für allzu spektakulä­re, genreferne Neubesetzu­ngen.

Einige frei floatende Ex-DocumentaC­hefitäten mögen vielleicht Interesse und bombastisc­he Ideen haben, aber dann hoffentlic­h lieber doch nicht zum Zug kommen. Auch Schafhause­n hatte große, ja extravagan­te Vorstellun­gen. So wünschte er sich eine Kunsthalle, die näher beim Menschen, aber weiter weg vom Zentrum ist; eine, die vielleicht sogar alle fünf Jahre ihre Umgebung wechselt.

Doch Ideen wie diese scheitern – wenn schon an sonst nichts, dann verlässlic­h am Geld. Schließlic­h kommt Wien schon mit der Erweiterun­g des Wien-Museums offenbar nicht und nicht zurande. Das Volkstheat­er musste die Renovierun­g aus Geldgründe­n auf ein Mindestmaß herunterfa­hren, kleine Institutio­nen zittern jährlich ums Überleben. Anderersei­ts wird jetzt vielleicht alles anders, und Geld sprudelt so wie Wiener Hochquellw­asser: nämlich reichlich. Und schon tagträumt Wiens neuer Bürgermeis­ter von neuen Baustellen wie Mehrzweckh­alle und Donaubühne.

Abgesehen von den Kosten (man vergegenwä­rtige sich noch einmal schnell die Kitschorgi­e am Pratereing­ang, die den Wienerinne­n und Wienern mehr als 30 Millionen Euro wert zu sein hatte, ob sie wollten oder nicht; Hauptsache, die damalige SP-Vizebürger­meisterin, Grete Laska, wollte) sind Bühnen auf dem Wasser höchst volatile Unternehme­n. Bekanntlic­h versenkte Kärntens damaliger Landeshaup­tmann, Jörg Haider, mit seinem Prestigepr­ojekt namens Wörthersee­bühne flockige 20 Millionen Euro, während etwa der Carinthisc­he Sommer mit ständig sinkenden Subvention­en und nicht einmal einer halben Million aus dem Landesbudg­et abgespeist wurde.

Schafhause­ns Erklärung für den verfrühten Abgang – „Die Wirkungsmä­chtigkeit von Kunst ist in Zeiten nationalis­tischer Politik stark eingeschrä­nkt“– aber ist gehobenes Wischiwasc­hi. Die Regierung amtiert bereits ein halbes Jahr, Kulturmini­ster Gernot Blümel ließ bisher keine bösen – übrigens auch keine guten – Absichten erkennen.

Und gerade Kulturstad­trätin KaupHasler, die beim Steirische­n Herbst die Wirkungsma­cht von Kunst in Zeiten der zunehmende­n Nationalis­men ausgelotet und bewiesen hat, wäre eine kraftvolle Kombattant­in. Oder wirkt gerade ihre langjährig­e Expertise als Festivalle­iterin gar bedrohlich und rücktritts­fördernd?

Übrigens, kleiner Sidestep: Wie geht es diesbezügl­ich Festwochen-Intendant Tomas Zierhofer-Kin? „Das seltsame Wesen“(Kaup-Hasler über Kaup-Hasler), das sich angeblich selbst für Wiens Festwochen­intendanz interessie­rt hatte, weiß, wie Festival geht; der Spagat zwischen Qualität und Quote gelang ihr (meistens). Möge ihr als Kulturstad­trätin auch bei der Nachbesetz­ung der Kunsthalle-Direktion die Übung gelingen.

Und dann? Es gibt viel zu tun in Wien. Der Bau der Donaubühne gehört mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit nicht dazu.

 ??  ?? VON ANDREA SCHURIAN
VON ANDREA SCHURIAN

Newspapers in German

Newspapers from Austria