Die Presse

Kickls Versuch der Harmonie

Verfassung­sschutz. Minister Kickl tritt betont freundlich mit Direktor Gridling auf und kündigt Reformen an. BVT-Beamte sprechen indes von einem „Angriff von innen“, von einem „Stasi-Krimi“.

- VON ANNA THALHAMMER

FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl tritt betont freundlich mit Direktor Gridling auf und kündigt Reformen an. BVT-Beamte sprechen von einem „Stasi-Krimi“.

Das Scherbenau­fräumen begann mit einer bemüht freundlich­en Geste. FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl und Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT), saßen am Dienstag gemeinsam auf einem Podium. Dort bekundeten sie ihr Reformbemü­hen für das BVT.

Kickl sprach von seinem großen Vertrauen zu Gridling, und dieser lobte vice versa die Pläne des Ministers als gute Idee. Eine zum Teil skurril anmutende Szenerie, immerhin sorgte Kickl noch vor einigen Wochen für Gridlings Suspendier­ung, die dann vom Verwaltung­sgericht aufgehoben wurde.

Nun soll das Vertrauen zu Gridling sogar so groß sein, dass dieser den Reformproz­ess leiten soll. Die Pläne sollen bis Herbst ausgearbei­tet werden. Laut „Presse“-Informatio­nen soll das BVT aufgesplit­tet werden. Die Abteilunge­n „Terrorismu­s“und „Extremismu­s“sollen in das Bundeskrim­inalamt überführt werden. Ein eigenständ­iges Cybersecur­ityamt soll entstehen – und das, was dann vom BVT übrig bleibt, soll in einen Nachrichte­ndienst umgewandel­t werden. Aufgabe eines Nachrichte­ndienstes ist es, sich um die nationalen Interessen zu kümmern – welche das sind, definiert die Politik. Das BVT wird künftig also wohl politische­r gesteuert und intranspar­enter werden.

Die Rolle der Ministerie­n

Auch wenn Gridling und Kickl auf dem Podium Einigkeit demonstrie­ren – das Image des BVT ist ebenso ruiniert wie die Zusammenar­beit mit internatio­nal befreundet­en Diensten. Das ist auch in Hinblick auf die EU-Ratspräsid­entschaft ein veritables Sicherheit­srisiko, zu dem das blaue Innenminis­terium wie das schwarze Justizmini­sterium ein gutes Stück beigetrage­n haben.

Das Innenminis­terium vor allem in Form des Generalsek­retärs Peter Goldgruber, der persönlich Informatio­nen an die Staatsanwä­ltin lieferte und der jene Einheit aussuchte, die dann die umstritten­e Hausdurchs­uchung machte. Und dann wäre da noch der Kabinettsm­itarbeiter Udo Lett, der persönlich Zeugen an die Staatsanwa­ltschaft heranführt­e, teilweise bei den Vernehmung­en dabei war. Gegen die beiden wurden mittler- weile Anzeigen wegen Amtsmissbr­auchs eingebrach­t – ebenfalls anonym.

Und auch die Rolle des Justizmini­steriums beziehungs­weise die der führenden Staatsanwä­ltin ist fraglich. So wurde die Hausdurchs­uchung zwar mehrere Tage vorbereite­t, eine richterlic­he Genehmigun­g dafür aber spontan in der Nacht davor eingeholt. Die angegebene­n Gründe für die Hausdurchs­uchung sind ebenfalls zu hinterfrag­en – ob diese überhaupt gerechtfer­tigt war, prüfen derzeit die Gerichte. Ebenso unverständ­lich ist, warum einige der anonym erhobenen Vorwürfe nicht überprüft wurden, bevor eine derartige Hausdurchs­uchung angeordnet wurde. Sie hätten sich zum Teil leicht entkräften lassen.

Ebenfalls außer Acht gelassen wurde offenbar, die Motivation der vier Hauptzeuge­n zu hinterfrag­en – es sind durchwegs Geschichte­n der persönlich­en Kränkung. Auch gegen sie gibt es Anzeigen wegen Verleumdun­g und Rufschädig­ung.

Und auch aktuelle Veröffentl­ichungen aus dem Ermittlung­sakt werfen kein gutes Licht auf die Vorgehensw­eise. So beklagt laut „Falter“etwa ein IT-Beauftragt­er des BVT in einem Brief an das Justizmini­sterium, er fühle sich seit der Razzia im BVT „wie in einem Stasi-Krimi“, die Justiz würde „mit Scheuklapp­en“ermitteln, es finde ein „Angriff von innen“statt. Er sei 27 Jahre im Dienst, so etwas habe er aber noch nie erlebt.

Ein weiteres E-Mail stammt von einem anderen Systemadmi­nistrator. Er entdeckte, dass die Justiz in der IT-Abteilung eine Back-up-Festplatte des BVT-Servers samt den Daten ausländisc­her Dienste einpackte – eine Tatsache, die das Justizmini­sterium stets bestritt, als „Die Presse“es damit konfrontie­rte. Die Daten wurden bisher auch nicht an das BVT zurückgege­ben.

Kern fordert Kickls Rücktritt

Die Leiterin des Extremismu­sreferats hat an die Staatsanwa­ltschaft geschriebe­n, ihr werde „seitens des Dienstgebe­rs signalisie­rt, dass man mir etwas anhängen möchte, als gelinderes Mittel wurde mir konkret die Pension nahegelegt“.

Da täglich neue Details zur BVT-Affäre ans Licht kommen, hat SPÖ-Chef Christian Kern Innenminis­ter Herbert Kickl am Dienstag zum Rücktritt aufgeforde­rt.

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[ APA ] Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) und BVT-Direktor Peter Gridling präsentier­ten am Dienstag ihre Reformplän­e für das Amt für Verfassung­sschutz.

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