Wie Aufnahmeländer die Attraktivität für Flüchtlinge verringern
Migration. Deutschland, Dänemark, Schweden diskutieren über Einschränkungen – nicht aber bei Sozialleistungen.
Wien/Berlin/Stockholm. Neujahr war eben eingeläutet, da unternahm Alexander Dobrindt zum Auftakt der CSU-Klausur in Koster Seeon am Chiemsee einen Vorstoß für eine härtere Asylpolitik. Bei der Bundestagswahl im September 2017 hatten die Christsozialen eine schwere Schleppe erlitten, und dies galt es bei den Landtagswahlen in Bayern im kommenden Oktober unter allen Umständen zu vermeiden. Mit einer breiten Initiative bis hin zu Markus Söders Kruzifix-Verordnung will die CSU der rechtspopulistischen AfD das Wasser abgraben.
Der frühere Verkehrsminister, der in Berlin in die ungleich einflussreichere Position des CSU-Landesgruppenchefs aufgerückt war, wusste, wo er ansetzen sollte. Um den Zuzug der Flüchtlinge nach Deutschland einzuschränken, schlug er eine Kürzung der Sozialleistungen für Asylwerber vor. Diese lägen weit über dem EU-Niveau. Die Regierung in Berlin setze die falschen Anreize, sagte Dobrindt. Asylwerber sollten erst nach drei Jahren – und nicht wie bisher schon nach 15 Monaten – Anspruch auf Sozialhilfe, auf Hartz IV, erhalten.
Bei seinem Parteichef Horst Seehofer, mittlerweile Innenminister in Berlin, stieß sein Ex-Generalsekretär auf Beifall. „Wir wollen keinen Zuzug in die Sozialsysteme“, erklärte Seehofer. Auch Thomas de Maizi`ere (CDU), Seehofers Vorgänger, erwog bereits, die Leistungen für Flüchtlinge zurechtzustutzen und den Familiennachzug zu begrenzen, um den „Sogeffekt“zu reduzieren.
Abgleiten in Kriminalität
Gesetzlich hat sich am Status quo aber bis dato nichts geändert: Anerkannte Flüchtlinge sind mit Einheimischen beim Bezug der Sozialleistungen gleichgestellt. Sie bekommen Hartz IV in der Höhe von 409 Euro und – sofern sie in einer eigenen Wohnung leben und nicht in einer Flüchtlingsunterkunft – überdies Sachleistungen wie Mietoder Heizkostenbeihilfe. Inzwischen strapazieren die Flüchtlinge allerdings das soziale Netz. Ein Sechstel aller Hartz-IV-Empfänger entfällt derzeit auf Flüchtlinge.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg warnt im Fall einer Kürzung der Sozialleistungen für Flüchtlinge indessen vor einem negativen Effekt: einem Abgleiten in Schwarzarbeit und Kriminalität. Dies sei integrationspoli- tisch ein falscher Schritt und zudem verfassungsrechtlich fragwürdig, heißt es.
In Deutschland kocht die Debatte um die Flüchtlingshilfe jedoch immer wieder hoch. Als die Essener Tafel, eine Suppenküche, Ausländer vor wenigen Monaten wegen knapper Ressourcen als vorübergehende Notlösung von der Ausspeisung ausschloss, brach eine Kontroverse aus, in die sich auch die Kanzlerin einschaltete. Angela Merkel zog sich mit ihrem Rüffel für die Einrichtung freilich nicht nur Kritik von rechts zu. Dass bis zu drei Viertel der Stammklientel der Tafel aus dem Ausland stammte, polarisierte das Land. Mittlerweile hat die Diskussion um die Asylpolitik auch die SPD, den Koalitionspartner Merkels und Seehofers, erreicht. Die Parteilinke läuft Sturm gegen das Credo von SPD-Chefin Andrea Nahles: „Wir können nicht alle bei uns aufnehmen.“
Aufschrei in Skandinavien
Diese Debatte haben die bisher traditionell einwanderungsfreundlichen skandinavischen Staaten schon hinter sich. Die rechtspopulistischen Parteien hatten mit ihrer Forderung nach einer restriktiven Asylpolitik die etablierten Parteien überall vor sich hergetrieben. Groß war der Aufschrei, als Schweden die Grenzen sperrte und Dänemark begann, Vermögen von Flüchtlingen zu konfiszieren, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu finanzieren. In Kopenhagen firmiert diese Maßnahme als „Schmuckgesetz“, und in Stockholm flossen bei der damaligen grünen Vizeregierungschefin, A˚sa Romson, Tränen, als sie die Verschärfung der Asylpolitik verkündete.
Schweden und Dänemark beschränkten den Zuzug zum Teil so massiv, dass die Mitte-rechts-Regierung in Kopenhagen heuer überhaupt nur 500 Asylwerber aufnehmen will. Zugleich bleibt aber die sogenannte Starterhilfe gleich, die abgestufte und für Flüchtlinge bereits halbierte Form der Sozialhilfe von rund 800 Euro brutto, die Dänemark Asylwerbern gewährt. Wer sich integrationsunwillig zeigt, muss mit einer Verringerung rechnen. Zudem kontrollieren Dänen den Flüchtlingsstatus nun strikter – und sie schieben auch schneller ab.
Und Schweden, jenes Land, das neben Österreich und Deutschland in Relation zur Bevölkerung die meisten Flüchtlinge beherbergt? Flüchtlinge erhalten hier rund 300 Euro. Boni sind an die Teilnahme von Sprachkursen gekoppelt.